EZB-Präsidentin Christine Lagarde
Reuters/Kai Pfaffenbach
Kampf gegen Klimakrise

EZB sucht Pionierrolle

Die Europäische Zentralbank (EZB) und mit ihr die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) verstärken ihren Einsatz für den Klimaschutz. EZB-Präsidentin Christine Lagarde kündigte am Montag die Schaffung eines Zentrums für Klimaveränderung an.

Die Bank der Notenbanken, wie die BIZ auch häufig genannt wird, gab den Start eines neuen Fonds bekannt, der in „grüne“ Wertpapiere mit umweltschonendem Zweck investieren soll. Die EZB will sich daran beteiligen. Nach dem Willen von EZB-Präsidentin Lagarde soll die Notenbank eine gewichtigere Rolle im Kampf gegen die Klimakrise spielen. Zentralbanken seien zwar eindeutig nicht die Hauptakteure, wenn es darum gehe, die globale Erwärmung zu verhindern, sagte die Französin am Montag während einer Onlinekonferenz des Frankfurter Institute for Law and Finance.

„Aber die Tatsache, dass wir nicht auf dem Fahrersitz sitzen, bedeutet nicht, dass wir die Klimaveränderung einfach ignorieren können oder dass wir keine Rolle bei seiner Bekämpfung spielen.“ Proponenten einer Ökologisierung des Finanzsystems erhoffen sich durch ein Vorangehen der EZB, dass das Vorbildwirkung für anderen Banken, aber auch weitere Investoren haben wird und so Investitionen von klimaschädlichen hin zu klimaschonenden Industrien verlagert.

Grüne Investments auf Rekordniveau

Der EUR BISIP G2 genannte Fonds soll sich für erneuerbare Energien, in Energieeffizienzprojekten und in anderen umweltfreundlichen Vorhaben engagieren. Die BIZ hatte bereits im September 2019 einen ersten Fonds für grüne Anleihen aufgelegt – allerdings damals in US-Dollar. Zusammen mit dem auf Euro lautenden neuen Fonds würden Wertpapiere im Volumen von rund zwei Milliarden Dollar für Zentralbanken verwaltet, teilte die BIZ nun mit. Sie erwartet, dass die Fonds erheblich wachsen werden.

Laut einer Studie des Verbands Climate Bonds Initiative (CBI) erreichte 2020 die weltweite Emission grüner Anleihen mit einem Volumen von 269,5 Milliarden Dollar ein Rekordniveau. Größter Markt waren 2020 die USA mit einem Gesamtvolumen von 51,1 Milliarden Dollar, gefolgt von Deutschland mit 40,2 und Frankreich mit 32,1 Milliarden Dollar. Die EZB hat nach eigenen Angaben derzeit „grüne“ Anleihen mit einem Marktwert von 20,8 Milliarden Euro in ihren eigenen Büchern.

Off-shore Windräder bei Samso, Dänemark
Reuters/Bob Strong
Die EZB will vermehrt in den ökolgischen Umbau der Wirtschaft investieren

„Fachkenntnisse zusammenführen“

Das neue Zentrum ist hier ein erster, angesichts der Aufgabe verhältnismäßig kleiner Schritt. Die Französin bekräftigte, die EZB werde im Rahmen ihres Mandats zu den Bemühungen im Kampf gegen die Klimaveränderung beitragen. „Bei der EZB starten wir jetzt ein neues Klimaveränderungszentrum, um die verschiedenen Fachkenntnisse und Arbeitsbereiche zum Thema Klima in der Notenbank effizienter zusammenzuführen“, führte Lagarde aus.

„Die Klimaveränderung betrifft alle unsere Politikbereiche. Das Zentrum bietet die Struktur, die wir brauchen, um das Problem mit der Dringlichkeit und Entschlossenheit anzugehen, die es verdient“, sagte Lagarde. Die neue Einheit soll aus etwa zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bestehen, die mit bestehenden Teams in der gesamten Bank zusammenarbeiten.

Lob und Kritik von Greenepace

Mauricio Vargas von Greenpeace lobte, dass Lagarde die richtige Richtung einschlage, kritisierte aber auch, dass die geplanten Schritte nicht ausreichten. „Die EZB muss einen klaren Plan entwickeln, wie sie aus der Klimakrise resultierende Investitionsrisiken wirkungsvoll vermeiden kann. Sie muss auch dafür Sorge tragen, dass ihre milliardenschweren geldpolitischen Portfolien sowie der Sicherheitenrahmen für Bankkredite in Einklang mit den EU-Beschlüssen zur Klimaneutralität stehen“, sagte Vargas.

Europas größtes Kohlekraftwerk bei Belchatow, Polen
Reuters/Kacper Pempel
Industrien mit hohem CO2-Ausstoß werden von der EZB in Zukunft – via Anleihenkäufe – wohl weniger gefördert

Zentrale Frage bei Strategiecheck

Die Frage einer „grüneren“ Geldpolitik spielt auch eine große Rolle bei der laufenden Strategieüberprüfung der EZB, der ersten seit 2003. Dabei geht es auch konkret darum, ob die EZB im Rahmen ihrer Anleihenkaufprogramme Klimagesichtspunkte stärker beachten sollte. Europaabgeordnete fordern das schon länger.

Unter den Währungshütern gibt es aber unterschiedliche Ansichten. Der Chef der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, beispielsweise warnte in der Vergangenheit etwa davor, in der Geldpolitik aktiv klimapolitische Ziele zu verfolgen. Es sei nicht Aufgabe der Währungshüter, bestimmte Industrien zu bestrafen oder zu unterstützen. Weidmann vertritt die Position, die Notenbank müsse die Marktneutralität wahren und im Verhältnis der Größe der jeweiligen Industrien Anleihen halten.

„Marktneutralität eine Heuchelei“

Paul Diggle vom Vermögensverwalter Aberdeen Standard Investments meinte dagegen vor Kurzem gegenüber der „Financial Times“, dass die von Weidmann geforderte „Marktneutralität“ der EZB immer eine „Heuchelei“ gewesen sei. Denn die Zentralbank müsse immer eine Wahl treffen – „warum diese Entscheidungsprozesse nicht in Übereinstimmung mit den politischen Präferenzen (der Notenbank, Anm.) bringen?“

EZB-Direktor Fabio Panetta sprach sich am Montag jedenfalls dafür aus, die EZB solle mit der Klimaveränderung zusammenhängende Finanzrisiken stärker berücksichtigen. Aus seiner Sicht könnte die EZB mit einer eigenen Analyse dieser Gefahren dazu beitragen, dass solche Risiken künftig angemessener bewertet werden. Das betreffe beispielsweise die Sicherheiten, die Banken stellen müssen, um Zentralbankkredite zu erhalten.

Allianz für Ökologisierung wächst

Auch andere Notenbanken beschäftigen sich mittlerweile mit dem Thema. Schwedens Nationalbank verkaufte zuletzt etwa Anleihen von australischen und kanadischen Provinzen, bei denen wegen Rohstoffabbaus der CO2-Fußabdruck zu hoch ist. Und die US-Notenbank Fed trat ebenfalls bereits dem Netzwerk zur Ökologisierung des Finanzsystems (NGFS) bei. Dem Netzwerk, das im Zuge des Pariser Klimaabkommens gegründet wurde, gehören derzeit 83 Notenbanken und Aufsichtsbehörden an. Bisher hat sich aber keine Notenbank zu ökologischen Kriterien beim Kauf von Anleihen verpflichtet.