Videokonferenz per Zoom-App
Reuters/Loren Elliott
„Können wir kurz skypen?“

Videokonferenz als Dauerzustand

Seit einem Jahr spielt sich die Kommunikation vieler Menschen im Arbeitsalltag vor allem online ab. Lösungen wie Zoom, Teams und Skype wurden erst dafür gefeiert, dass sie den Arbeitsalltag aufrechterhalten – jetzt sind sie allgegenwärtig. Doch nicht alle können sich für die virtuellen Meetings begeistern, vor allem dann, wenn die Videokonferenz zum Dauerzustand wird. Für Abhilfe kann aber – im Prinzip – ganz einfach gesorgt werden.

„Lass uns doch kurz skypen“, „ich habe schnell eine Zoom-Sitzung aufgesetzt“ – wer seit Längerem im Homeoffice arbeitet, weiß, dass Ausdrücke wie „kurz“ und „schnell“ im Zusammenhang mit Videokonferenzen relativ sind. Oft ziehen sich die virtuellen Sitzungen schier ewig – vor allem dann, wenn einfach gar kein Fortschritt spürbar ist.

Dass Videokonferenzen für viele mehr Fluch als Segen sind, kommt nicht überraschend: Viele Firmen sind im vergangenen Jahr zum ersten Mal überhaupt mit dem Thema Homeoffice in Berührung gekommen, zumindest in diesem Ausmaß. Und während technische Lösungen schnell gefunden sind, lassen sich eben nicht alle Arbeitsabläufe aus dem Büro unverändert ins Homeoffice übertragen. „Es ist ein anderes Medium, es funktioniert einfach anders“, sagt Mediendidaktikerin Andrea Schaffar im Gespräch mit ORF.at.

„Neuer Standard“ wird „schnell fad“

Für Schaffar zeige sich bei Onlinemeetings, dass es schon davor Aufholbedarf bei der Sitzungskultur gab – das falle online dann „noch mehr auf“. Doch die Videokonferenz hat sich in den vergangenen Monaten als „neuer Standard“ etabliert, so Schaffar. Durch die Pandemie habe man versucht, einen solchen herzustellen, weil „Menschen Normalität anstreben“.

Videokonferenz im Home Office
Getty Images/Alistair Berg
Videokonferenz von früh bis spät – im Homeoffice ist das für viele zum Alltag geworden

Problematisch sei dabei, dass man versuche, die Abläufe „eins zu eins zu übertragen“ – denn dadurch würden die Videokonferenzen dann „schnell fad“, so Schaffar. Wenn das nicht die Ausnahme, sondern die Regel ist, wirkt das mit der Zeit erschöpfend. Expertinnen und Experten fanden für dieses Phänomen schon im vergangenen Jahr schnell einen passenden Ausdruck: „Zoom-Fatigue“ war nur wenige Wochen nachdem das Homeoffice für viele begonnen hatte in aller Munde.

Wenn das Handy aufregender als die Sitzung ist

Die Videogespräche sind anstrengender, nicht zuletzt weil es daheim und unentdeckt von der Kamera viel mehr Ablenkung gibt als im Büro. Ein kurzer Blick aufs Handy, eine offene Excel-Tabelle oder ein Browserfenster, das einfach spannender ist als das Geschehen des Meetings – sie alle kämpfen um Aufmerksamkeit.

Das erschwert die Konzentration auf die kleinen Videokästchen zusätzlich – schon an sich gehen nämlich ganz wesentliche Dinge per Video leichter unter: In einem BBC-Artikel werden vor allem Gesichtsausdrücke und Körpersprache als wesentliche Faktoren genannt, auf die man sich ganz bewusst konzentrieren müsse. Diese zu erfassen koste mehr Kraft als bei einem Gespräch von Angesicht zu Angesicht.

Es muss nicht immer eine Videokonferenz sein

Besonders ermüdend wird es aber, wenn die Videokonferenz einfach immer zum Einsatz kommt: Das Zoom-Meeting sei in den vergangenen Monaten zum digitalen Äquivalent des Arbeitskreises geworden, so Schaffar. Frei nach dem Motto: „Wenn ich nicht mehr weiter weiß, gründ’ ich einen Arbeitskreis.“ Dabei werde dann aber oft nicht überlegt, ob das überhaupt das geeignete Format sei, sagt die Expertin.

Ganz neu ist das freilich nicht: Schon im bisherigen Büroalltag wurden vielerorts Entscheidungsprozesse gerne in Sitzungen ausgelagert. Und auch hier zeigt sich: Nicht jedes Gespräch von Angesicht zu Angesicht löst Probleme automatisch am schnellsten. Online kommen dann aber noch technische Hürden dazu, die den ganzen Betrieb aufhalten.

Die einfachste Lösung liegt also eigentlich recht nahe: Wenn die Frage, ob zur Lösung eines Problems wirklich eine Videokonferenz benötigt wird, nicht mit einem klaren Ja beantwortet werden kann, ist vielleicht eine Alternative der bessere Weg. Egal ob E-Mail oder kurzes Telefonat: Oft kommt man auf dem „herkömmlichen“ Weg schneller ans Ziel. Neben gesteigerter Produktivität hat das auch einen anderen großen Vorteil in der Homeoffice-Ära: Dabei ist nämlich vollkommen egal, wie die eigene Wohnung – oder man selbst – gerade aussieht.

Zoom und Co. bringen auch viele Vorteile

Klar ist aber auch: Gespräche per Zoom, Teams, Skype und Co. werden dem Arbeitsalltag wohl länger erhalten bleiben – auch weil sie viele Vorteile haben, die im „Zoom-Bashing“ schnell untergehen. Das reicht von ganz einfachen Dingen, etwa dass nicht erst nach freien Sitzungsräumen gesucht werden muss, bis hin zu oft übersehenen Faktoren wie der Tatsache, dass Menschen mit Behinderungen nun leichter an Sitzungen teilnehmen können.

Um die bisherigen Hürden dauerhaft zu überwinden, muss auch Lernbereitschaft da sein, so Schaffar. Anders als bei Vorträgen sind hier bei Sitzungen und auch beim Zwiegespräch aber alle Beteiligten gefragt, um aus diesem Sitzungsstillstand auszubrechen. „Alle müssen etwas lernen“, so Schaffar – und gerade „kollektives Lernen ist besonders schwierig“.

Kleine Schritte – und keine Angst vor Fehlern

Dabei sei es eine gute Idee, sich „mit kleinen Schritten Erfahrungen anzueignen“. Schaffar nennt einige Beispiele, darunter das bewusste Hinweisen auf Dinge, die bei der Videoübertragung nicht sofort zu erkennen sind – etwa wenn man sich eine Antwort auf eine Frage erwarte. Normalerweise „stelle ich die Frage, dann schaue ich jemanden an, und diese Person antwortet dann“. Online müsse man hier bewusst und öfters nachfragen, so Schaffar.

Und: Auch die ordentliche Auseinandersetzung mit den Werkzeugen, die man nun im Alltag verwende, sei ein wesentlicher Faktor, um erfolgreich über die Distanz zusammenzuarbeiten. Oft wird überhaupt nur ein Bruchteil der Funktionen einer Softwarelösung verwendet – die dann aber erst wieder nur herkömmliche Arbeitsabläufe unverändert online abbilden. Dabei gilt es, auch auszuprobieren – und Fehler in Kauf zu nehmen: „Wenn etwas schiefgeht, dann geht es halt schief – das passiert“, so Schaffar, die dafür plädiert, sich in Zukunft nicht nur auf das neue „Schema F“ zu verlassen.