Russische Interkontinentalrakete bei einer Übung
AP/Russian Defense Ministry Press Service
Putin und Biden einig

Abrüstungsvertrag wird verlängert

New START, der letzte bedeutende Abrüstungsvertrag zwischen den USA und Russland, wäre in wenigen Tagen abgelaufen. Der neue US-Präsident Joe Biden und Russlands Staatschef Wladimir Putin einigten sich nun auf die Rettung des Abkommens, das die Nukleararsenale beider Länder begrenzt – für Biden ein „Anker der strategischen Stabilität“.

Der Kreml gab die Einigung über New START am Dienstag bekannt: Entsprechende diplomatische Noten seien bereits ausgetauscht worden, hieß es nach einem Telefonat zwischen Putin und Biden. Der Vertrag werde um fünf Jahre ohne irgendwelche Zusätze verlängert, sagte auch Vizeaußenminister Sergej Rjabkow der Agentur Interfax zufolge am Mittwoch. Zuvor hatten beide Seiten ihre Bereitschaft zur Verlängerung des Anfang Februar auslaufenden letzten Abrüstungsabkommens um fünf Jahre erklärt.

Putin legte der Duma bereits einen entsprechenden Gesetzentwurf vor. Es sei eine „prinzipielle Einigung der Seiten über eine fünfjährige Verlängerung erzielt“ worden, teilte das russische Parlament mit. Der Leiter des Auswärtigen Ausschusses der Duma, Leonid Sluzki, sagte laut der staatlichen Nachrichtenagentur TASS, dass die Ratifizierung des Abkommens bereits am Mittwoch im Plenum behandelt werden könnte.

Verlängerung nach zehn Jahren

Der Vertrag über die Begrenzung von Atomwaffen wäre in wenigen Tagen ausgelaufen. Das am 5. Februar 2011 in Kraft getretene Abkommen begrenzt die Nukleararsenale Russlands und der USA auf je 800 Trägersysteme und 1.550 einsatzbereite Atomsprengköpfe. Es war für eine Laufzeit von zehn Jahren geschlossen worden und sah die Möglichkeit einer Verlängerung vor. Im Falle einer Nichtverlängerung hätte es erstmals seit Jahrzehnten kein Abkommen mehr gegeben, das dem Bestand an strategischen Atomwaffen Grenzen setzt. Russland und die USA besitzen zusammen rund 90 Prozent der weltweiten Atomwaffen.

Heikle Themen

Putin warb nach Angaben des Kreml im ersten Telefonat mit Biden für eine „Normalisierung der Beziehungen zwischen Russland und den USA“. Das wäre im Interesse beider Länder und der internationalen Gemeinschaft. Laut Angaben des Weißen Hauses wurde auch über den inhaftierten Kreml-Kritiker Alexej Nawalny gesprochen. Auch ein großangelegter Hackerangriff auf die USA im vergangenen Jahr sowie Einmischungen in die US-Wahlen im November seien Thema gewesen.

Biden hatte seinem Vorgänger Donald Trump im Wahlkampf wiederholt eine zu nachgiebige Linie im Umgang mit Russland vorgeworfen. Bereits am Montag äußerte sich der neue US-Präsident nach der Festnahme Tausender Demonstranten in Russland „sehr besorgt“, bekräftigte aber zugleich seinen Willen zur Zusammenarbeit mit Moskau bei der Rüstungskontrolle.

Lange Verhandlungen unter Trump

Die Regierung von Bidens Vorgänger Trump hatte sich mit Moskau in zähen monatelangen Verhandlungen nicht auf eine Verlängerung verständigen können. Unmittelbar nach Bidens Vereidigung hatte das russische Außenministerium am Mittwoch vergangener Woche eine Verlängerung des Vertrags um fünf Jahre ohne Vorbedingungen vorgeschlagen. Kurz darauf wurde bekannt, dass auch Biden bereit für eine solche Verlängerung sei.

Vladimir Putin und Joe Biden, 2011
Reuters/Alexander Natruskin
Biden und Putin kennen einander lange (Bild von 2011), nun sind sie Amtskollegen

Biden hatte vor seinem Amtsantritt erklärt, dass der Vertrag ein „Anker der strategischen Stabilität“ zwischen den USA und Russland sei und Grundlage für neue Vereinbarungen zur Rüstungskontrolle sein könne. Das Pentagon betonte vergangene Woche, eine Verlängerung diene der Verteidigung der USA. Die Amerikaner seien dann deutlich sicherer. Man könne es sich nicht leisten, die Instrumente für Inspektionen und Meldepflichten zu verlieren. Eine Verlängerung bis 2026 gäbe beiden Seiten auch genug Zeit, neue Vereinbarungen zur Rüstungskontrolle zu sondieren.

ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg begrüßte die Einigung zwischen den USA und Russland und mahnte weitere Schritte ein. „Das ist ein wichtiges Signal und ein Sicherheitsgewinn für uns alle“, so Schallenberg in einer Aussendung. „Nun bedarf es weiterer Impulse der nuklear bewaffneten Staaten.“ Die Welt befinde „sich in einer gefährlichen nuklearen Aufrüstungsspirale, Arsenale werden erweitert und modernisiert. Wir brauchen aber genau das Gegenteil: Mehr Kontrolle und Abrüstung.“

Warnung vor Wettrüsten

Russland hatte sich früh für eine Verlängerung des derzeit gültigen Vertrags ausgesprochen und im Falle eines Scheiterns vor einem Wettrüsten gewarnt. Russland sei bereit für eine Zusammenarbeit nach den Grundsätzen der Gleichheit und der gegenseitigen Berücksichtigung von Interessen, hieß es am vergangenen Mittwoch.

Die Trump-Regierung hatte laut US-Medien darauf bestanden, dass das „Einfrieren“ der Zahl aller nuklearer Sprengköpfe beider Länder in den Vertrag aufgenommen wird. Die ursprüngliche Fassung legt nur die Begrenzung der Zahl der einsatzbereiten Atomsprengköpfe fest. Zudem hatte die US-Vorgängerregierung ein multilaterales Abkommen mit Beteiligung Chinas angestrebt. Peking weigert sich bisher aber, über sein wachsendes Atomwaffenarsenal zu verhandeln.

INF-Vertrag gelöst

Die Gefahr eines auch mit Atomwaffen geführten Krieges galt während der Amtszeit von Trump als deutlich höher als in den vergangen drei Jahrzehnten. Grund war unter anderem das Ende des INF-Vertrags zum Verzicht auf landgestützte atomwaffenfähige Mittelstreckensysteme.

Die USA hatten das Abkommen im Sommer 2019 mit Rückendeckung der NATO-Partner aufgelöst, weil sie davon ausgehen, dass Russland es seit Jahren mit einem Mittelstreckensystem namens 9M729 verletzt. Der INF-Vertrag untersagte beiden Seiten Produktion, Tests und Besitz von bodengestützten ballistischen Raketen und Marschflugkörpern mit Reichweiten zwischen 500 und 5.500 Kilometern.

Bekenntnis zum Bündnis

Biden bekannte sich am Dienstag auch zur NATO und zur Zusammenarbeit mit den Bündnispartnern. Biden habe seine Absicht kundgetan, sich mit den Verbündeten über gemeinsame Anliegen zu beraten und mit ihnen zusammenzuarbeiten – darunter mit Blick auf Afghanistan, den Irak und Russland, so das Weiße Haus nach einem ersten Telefonat mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Zudem habe Biden das Bekenntnis der USA zur kollektiven Verteidigung im Bündnisfall nach Artikel 5 des NATO-Vertrags bekräftigt.

Die NATO teilte mit, Stoltenberg und Biden hätten eine enge Zusammenarbeit vereinbart und über die Herausforderungen gesprochen, vor denen die Bündnispartner stünden. Unter Trump war das Verhältnis zwischen den USA und der NATO äußerst angespannt. Trump hatte ohne Rücksicht auf die Folgen mehrfach Zweifel daran geweckt, ob die USA im Ernstfall ihrer Verpflichtung zum militärischen Beistand nachkommen würden.