Messaging-Apps wie Signal und Whatsapp auf einem Handy-display
ORF.at
Download-Zahlen

Signal zieht mit WhatsApp gleich

Der Messengerdienst Signal hat einen rasanten Zuwachs von Nutzerinnen und Nutzern verzeichnet. Laut Statistiken des App-Analysediensts Apptopia konnte Signal im Jänner bei den Downloads zu WhatsApp aufschließen. Auch Telegram wurde deutlich häufiger installiert. WhatsApp-Konzernmutter Facebook bemüht sich seit der Kontroverse über neue Datenschutzregeln um Schadensbegrenzung – dabei besteht noch kein Grund zur Sorge.

Nach den Apptopia-Zahlen schaut die Messenger-Landschaft seit Jahresbeginn komplett anders aus als noch im Vormonat. Gegenüber ORF.at heißt es, dass Signal im Dezember 2020 weltweit rund 1,5 Millionen Mal heruntergeladen wurde – WhatsApp verzeichnete unterdessen 42 Millionen Downloads.

Seit der zweiten Jänner-Woche holt Signal jedoch rasant auf und überholte dabei WhatsApp sogar zeitweise. Nun halten beide Dienste diesen Monat laut Apptopia bei rund 30 Millionen Downloads. Neben der rund 20-fachen Steigerung für Signal verzeichnete mit Telegram auch ein weiterer Messenger einen großen Zugewinn. Nach rund 26 Millionen Downloads im Dezember verbuchte der Messenger im Jänner sogar 43 Millionen Downloads.

Grafik zu Downloads von Messenger-Apps
Grafik: ORF.at; Quelle: Apptopia

Datenschutz und Musk-Tweet als Auslöser

Gleich mehrere Ereignisse in kürzester Zeit dürften dazu geführt haben, dass alternative Messenger so stark aufgeschlossen haben. Am prominentesten wurde in den vergangenen Wochen vor allem eine umstrittene Änderung bei den Datenschutzregeln von WhatsApp diskutiert.

Nach Berichten darüber, dass künftig mehr Daten mit Facebook geteilt werden, hieß es nur wenig später von dem Sozialen Netzwerk, dass die Änderungen nur für die Kommunikation zwischen Unternehmen und ihren Kunden auf WhatsApp gelten sollen. Darüber hinaus machte Facebook darauf aufmerksam, dass Nutzerinnen und Nutzer in Europa praktisch gar keine Änderungen erwartet – das verhindert nämlich die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) der EU.

Nicht unwesentlich am plötzlichen Erfolgslauf von Signal dürfte aber auch Tesla-Gründer Elon Musk sein. In einem seiner oft kryptischen Tweets schrieb er nur „Use Signal“ („Verwendet Signal“) – ein Aufruf, der Tausende Male geteilt wurde und dem auch viele gefolgt sein dürften.

Zustrom nach Sturm auf das US-Kapitol

Musks Tweet folgte auf scharfe Kritik an Facebook im Zusammenhang mit dem Sturm auf das US-Kapitol Anfang Jänner – der wiederum indirekt ebenfalls vor allem Telegram zu Zulauf verholfen haben dürfte. Denn als Folge des Sturms wurde der vor allem von Rechten verwendete Kurznachrichtendienst Parler geschlossen. Er hatte eine wesentliche Rolle bei der Koordination der Ausschreitungen in und rund um das Kapitol gespielt.

Telegram wurde in der Folge für viele als Zufluchtsort gesehen – nicht zuletzt weil der Dienst Gruppen mit bis zu 200.000 Mitgliedern erlaubt, im Vergleich zu 1.000 bei Signal und 256 bei WhatsApp. Telegram wurde in der Vergangenheit von der Protestbewegung in Hongkong bis hin zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS) genutzt – auch wenn Verschlüsselung bei dem Dienst eigentlich nur eine untergeordnete Rolle spielt und ausdrücklich aktiviert werden muss.

Vorläufig kein Grund zur Sorge für Facebook

Vor allem für Signal war der User-Ansturm in dem Ausmaß wohl unerwartet – vor allem in den ersten Tagen des Zustroms kämpfte das Netzwerk mit Ausfällen und Verzögerungen. Mittlerweile seien die Kapazitätsprobleme gelöst, heißt es in einem Statement gegenüber ORF.at. Der Dienst nennt keine offiziellen Nutzerzahlen, verweist aber darauf, dass die App momentan je nach Betriebssystem zumindest in 50 Ländern die am meisten heruntergeladene App sei. Telegram gab wiederum bekannt, bereits die 500-Millionen-User-Marke erreicht zu haben. Zum Vergleich: WhatsApp hat rund rund zwei Milliarden Nutzer.

Facebook-Chef Mark Zuckerberg
AP/ STRMX2
WhatsApp, das Facebook-Chef Mark Zuckerberg 2014 zukaufte, hat eine enorm große Anzahl an Userinnen und Usern

Für Facebook ist das damit vorerst kein Grund zur Sorge: Zwar gebe es bei WhatsApp laut Apptopia einen Rückgang bei den Downloads, dieser sei aber im Hinblick auf den Langzeitverlauf nicht bedeutend. Kurzum: Der Dienst sei so groß, dass man weiter hohe Nutzerzahlen verzeichnen werde. Signal und Telegram hätten als kleinere Apps dafür mehr „Raum für Wachstum“.

Zuckerberg will bei WhatsApp „Verwirrung ausräumen“

Auch die Quartalszahlen von Facebook, die am Mittwoch vorgestellt wurden, dürften Facebook-Chef Mark Zuckerberg eher beruhigen: Der Umsatz im Jahresvergleich stieg um ein Drittel auf knapp 28,1 Milliarden Dollar (rund 23,2 Mrd. Euro). Beim Gewinn gab es einen Sprung von 53 Prozent auf gut 11,2 Milliarden Dollar (9,2 Mrd. Euro), wie Facebook nach US-Börsenschluss mitteilte. „Wir hatten ein starkes Jahresende“, so Zuckerberg.

Dennoch ist man sich bei Facebook der angespannten Lage wohl bewusst. Zuckerberg versuchte erneut, „Verwirrung auszuräumen“, was das neueste WhatsApp-Update anbelangt. „Dieses Update verändert den Datenschutz bei Chats mit Freunden und Familie nicht“, sagte er. Er verwies auf die Verschlüsselung der Nachrichten, die allerdings nur einen Teil der Daten ausmachen, die bei der Verwendung von WhatsApp anfallen: „Alle diese Nachrichten haben Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, was bedeutet, dass wir nicht sehen oder hören können, was gesagt wird. Und wir werden es auch nie tun.“

Die Hürden auf dem Weg zur dauerhaften Alternative

Klar ist aber, dass Signal, das von einer Non-Profit-Stiftung entwickelt wird, letztlich andere Ziele verfolgt als Facebook, für das Werbeeinnahmen ein Eckpfeiler sind. Immerhin kaufte Facebook WhatsApp 2014 um 19 Milliarden Dollar – dass nun ein stärkerer Fokus auf die Kommunikation mit Unternehmen gelegt wird, dürfte ein Zeichen sein, dass auch WhatsApp künftig profitabler gemacht werden soll.

Ob sich Signal nach dem Boom der letzten Wochen dauerhaft als WhatsApp-Alternative etablieren wird, hängt nicht nur davon ab, ob alle technischen Hürden überwunden werden können, die durch das rasante Wachstum entstehen. Wie auch bei anderen Diensten in der Vergangenheit wird das entscheidende Kriterium sein, ob genug Userinnen und User auch wirklich umsteigen – und damit das Zurückgreifen auf andere Apps überflüssig machen. Fraglich ist, ob alleine mit dem Argument, dass Signal größeren Wert auf Datenschutz legt, der Großteil der User dauerhaft überzeugt werden kann.