GameStop-Filiale in Austin, Texas
Reuters/Mohammad Khursheed
Politik schäumt

GameStop-Achterbahnfahrt geht weiter

Die GameStop-Aktie stellt die Börsenwelt weiter auf den Kopf – und wird nun zunehmend zum Politikum. Die unzähligen Kleinanleger, die in die Videospielkette investierten, wurden am Donnerstag vorübergehend vom Handel an der Börse ausgeschlossen. Die US-Politik schäumt deswegen über Parteigrenzen hinweg und fordert Anhörungen im Kongress. Auf Facebook wurde unterdessen eine Gruppe mit 157.000 Investoren gesperrt.

In den letzten Tagen sorgt das Duell zwischen Kleinanlegern, die über Broker-Apps mit Aktien handeln und sich über Plattformen wie Reddit austauschen, und Hedgefonds für Aufsehen. Der Wert der Aktie der Kette GameStop kletterte am Donnerstag zeitweise auf fast 470 US-Dollar, brach bis zu Börsenschluss in den USA aber wieder ein.

Ursprünglich galt der US-Videospielhändler als angeschlagen: Die GameStop-Aktie wurde zum Ziel von Short-Sellern, oftmals sind das Hedgefonds. Diese leihen sich Anteilsscheine, stoßen sie auf dem Markt ab und kaufen sie später zurück. Damit wetten sie auf fallende Kurse – die für sie einen Gewinn bedeuten.

Im Jänner wurde bekannt, dass GameStop mehrere altgediente Experten für Onlinehandel in die Geschäftsführung aufnahm. Angesichts dessen trieben Kleinanleger die Aktie in die Höhe. Zum wiederholten Mal wurde die Marktmacht der „Generation Smart Broker“ deutlich. In den vergangenen Monaten boomten Trading-Apps, die Millionen junge Smartphone-Besitzer auf den Aktienmarkt lockten, wo sie ohne große Gebühren oder Provisionen mitmischen können.

GameStop wird Thema in US-Politik

Nun erreicht die Aufregung über die extremen Kurskapriolen der GameStop-Aktien und anderer Unternehmen auf dem US-Finanzmarkt endgültig die politische Ebene. Der künftige Vorsitzende des Bankenausschusses im US-Senat, Sherrod Brown, kündigte am Donnerstag eine Anhörung „zum aktuellen Zustand des Aktienmarkts“ an.

Eine Filiale der Einzelhandelskette für Computerspiele und Unterhaltungssoftware „Gamestop“.
AP/Nam Y. Huh
Eine Videospielkette als Schauplatz eines Börsenkampfs

Es sei an der Zeit für die Börsenaufsicht SEC und den Kongress, dafür zu sorgen, dass die Wirtschaft für alle funktioniere, nicht nur für die Wall Street. „Die Leute an der Wall Street scheren sich nur um die Regeln, wenn sie diejenigen sind, denen es wehtut“, hieß es in Browns Statement.

Kein Verständnis für Robinhood-Entscheidung

Hintergrund ist der große Ärger von Anlegerinnen und Anlegern über Restriktionen beim Handel mit Papieren von GameStop und anderen Firmen, durch die sie sich bei einer Gewinnstrecke ausgebremst sehen. Vor allem der Onlinebroker Robinhood geriet dadurch in die Kritik und in den Verdacht, Kleinanleger gegenüber Wall-Street-Großinvestoren zu benachteiligen. Robinhood schränkte den Handel mit den Papieren so ein, dass sie nur noch verkauft, aber nicht mehr gekauft werden konnten.

Das könnte in den USA auch eine größere Debatte über Regulierung lostreten. Laut US-Medien plant auch die Vorsitzende des Finanzausschusses im US-Repräsentantenhaus, Maxine Waters, eine Anhörung. Dabei soll es um die jüngsten Turbulenzen auf dem Finanzmarkt und um die Rolle von Hedgefonds dabei gehen. Auch andere ranghohe Politikerinnen und Politiker der demokratischen Partei wie Elizabeth Warren und Alexandria Ocasio-Cortez forderten Aufklärung. Vertreter der republikanischen Partei äußerten ebenfalls Unverständnis für Robinhoods Entscheidung.

Alexandria Ocasio-Cortez (US-Demokraten)
APA/AFP/Getty Images/Tom Williams
Im Senat forderten Politikerinnen wie Alexandria Ocasio-Cortez Aufklärung

Facebook schließt Robinhood-Gruppe

Facebook schloss unterdessen die Robinhood-Facebook-Gruppe. Der Gründer des Wall-Street-Diskussionsforums, Allen Tran, sagte, er habe eine Benachrichtigung von Facebook erhalten, wonach die 157.000 Mitglieder umfassende Gruppe wegen Verletzung des Regelwerks gesperrt werde. Das Netzwerk wollte sich dazu nicht weiter äußern.

Anleger tauschen sich über Reddit aus

Die Hobbytrader organisierten sich auf der Onlineplattform Reddit. In dem Unterforum „WallStreetBets“ tauschten sich rund 3,6 Millionen Mitglieder über Strategien im Kampf gegen die etablierten Börsenhändler aus – und trieben den Kurs in die Höhe. Die Aktie, die im Frühjahr gerade noch um knapp vier Dollar gehandelt wurde, lag auch nach dem Einbruch am Donnerstag zu Börsenschluss bei rund 200 Dollar.

Für „WallStreetBets“-Gründer Jaime Rogozinski steht die Aktion im Geist der kapitalismuskritischen Bewegung Occupy Wall Street. Was den Aktivisten damals nicht gelungen sei, könnten er und seine Mitstreiter nun mit anderen Mitteln erreichen, sagte Rogozinski. Occupy Wall Street habe das System verurteilt als „ein Spiel, das wir nicht mitspielen können“. Die Gruppe „WallStreetBets“ habe nun einen anderen Weg gefunden, um die Finanzakteure herauszufordern.

Robinhood und Elon Musk

Das entspricht wohl auch dem Selbstverständnis vieler Kleinanleger, nicht umsonst heißt die meistverwendete Trading-App Robinhood. Gleichzeitig kursierten im Internet Memes, in denen sich Kleinanleger mit Fotomontagen über die Verluste institutioneller Investoren lustig machen.

Auch der Gründer des US-Elektroautoherstellers Tesla, Elon Musk, heizte die Lage weiter an. Er postete auf Twitter einen Link zu dem „WallStreetBets“-Forum. Dass Musks Aussagen Konsequenzen haben, zeigte sich nur kurz darauf: Er lobte in einem Tweet „Cyberpunk 2077“, ein Spiel der polnischen Firma CD Projekt Red. Nur wenige Augenblicke später zog der Kurs ordentlich an. Vielleicht mehr als nur Zufall: Der Hedgefonds Melvin Capital, der auf einen Kursverfall von CD Projekt Red gesetzt hatte, mischte auch beim Short-Selling von GameStop mit.

Finanzdienstleister in Doppelrolle

Unterdessen wurden Zweifel laut, ob es sich in der Causa GameStop tatsächlich um eine Schlacht David gegen Goliath handle. So wurde bekannt, dass der Milliardär David Foss, Gründer sowie ehemaliger Vorsitzende und CEO des Subprime-Autofinanzierungsunternehmens Credit Acceptance, ebenfalls im großen Stil eingestiegen war – ebenso wie die Investmentgesellschaft BlackRock.

Und dann ist da noch das Finanzdienstleistungsunternehmen Citadel, das auch einige Hedgefonds betreibt. Citadel eilte dem angeschlagenen Konkurrenten Melvin mit Stützungskäufen zur Hilfe, hieß es. Ob das tatsächliche eine uneigennützige Hilfe war, wird von einigen bezweifelt. Denn Citadel spielt noch in anderer Funktion eine Rolle. Ein Unternehmen der Gruppe wickelt, vereinfacht gesagt, technisch die Transaktionen der App Robinhood ab – und verdient dabei mit.

In einem viel beachteten Twitter-Thread wurde spekuliert, ob das Unternehmen nicht vielleicht auch selbst mitmische: Immerhin habe es einen Informationsvorsprung von einigen Millisekunden, wenn Order gesetzt werden – und den könnten sie nutzen. Insgesamt sind viele Expertinnen und Experten sicher, dass die Hobbytrader nicht ganz alleine die Schlacht schlagen, sondern durchaus größere Marktplayer diskret ihre Finger im Spiel haben.

Turbulente Tage in Aussicht

Auch am Freitag ist jedenfalls kein Ende der Achterbahnfahrt rund um GameStop in Sicht: Die Aktien des Videospielhändlers stiegen im vorbörslichen US-Geschäft um mehr als 100 Prozent. Zuvor hatten mehrere Brokerhäuser auf öffentlichen Druck hin ihre Beschränkungen für den Handel mit den Papieren gelockert.

Der Spalt zwischen den Kleinanlegern und großen Tradern scheint weiter groß: „Unglücklicherweise ist das kein Einzelfall“, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters einen Manager beim US-Brokerhaus Charles Schwab. „Die Leute werden versuchen, das mit anderen Werten zu wiederholen.“ Auf Reddit sehen die Userinnen und User kein Problem damit: „Ich habe ein Recht darauf, Gelegenheiten an der Börse wahrzunehmen, wenn ich sie sehe“, schreibt dort ein Mitglied.