Protestveranstaltung gegen die Corona Maßnahmen
Reuters/Lisi Niesner
CoV-Protest in Wien

Verletzte, Festnahmen und Politstreit

Trotz eines Verbots der Kundgebungen haben am Sonntag 10.000 Menschen in Wien gegen die CoV-Maßnahmen der Regierung demonstriert. Vier Polizisten wurden dabei verletzt, es wurden elf Personen festgenommen und 1.766 Anzeigen verhängt. Die Proteste sorgten für einen politischen Schlagabtausch zwischen Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und seinem Vorgänger Herbert Kickl (FPÖ).

Insgesamt zwei Beamte seien gestürzt, zwei seien durch „fremde Gewalt“ verletzt worden, sagte Nehammer am Sonntagabend bei einer Pressekonferenz mit Wiens Polizeipräsident Gerhard Pürstl. „Dieser Einsatz war für die Polizisten alles andere als ein Spaziergang“, so der Minister. Der Einsatz der Polizei sei erst um 19.30 Uhr beendet gewesen.

Insgesamt habe sich ein „verheerendes Bild gezeigt“. An den Versammlungen hätten Hooligans, Personen aus der rechtsradikalen Szene, aber auch Familien teilgenommen. Die Polizisten hätten gute Arbeit geleistet, betonte Nehammer. Unter den Festgenommenen ist Medienberichten zufolge auch Martin Rutter, der früher bei mehreren Parteien (Grüne, FPÖ und BZÖ) aktiv war und bereits mehrere Demos gegen die CoV-Maßnahmen organisiert hat. Er soll versucht haben, einen Beamten zu verletzen.

Festnahmen bei verbotener CoV-Demo in Wien

Obwohl die Polizei sämtliche Kundgebungen untersagt hat, haben sich am Sonntag in Wien 10.000 Menschen zu Protesten gegen die CoV-Maßnahmen versammelt. Vier Polizisten wurden verletzt, zehn Personen festgenommen.

„Spaziergang“ statt Demos

Nachdem die Polizei im Vorfeld alle Demonstrationen untersagt hatte, kamen am Sonntag im Zentrum Wiens mehrere tausend Personen zu einem „Spaziergang“ gegen die CoV-Maßnahmen zusammen. Von der unangemeldeten Kundgebung aus zogen mehrere Demonstrationszüge stundenlang durch die Stadt.

Anfangs hatten sich zunächst ein paar hundert Menschen noch recht friedlich – wenn auch weitgehend unter Missachtung des Masken- und Abstandsgebots – versammelt. Mit zunehmendem Zustrom wurde die Stimmung aggressiver, die „Spaziergänger“ stürmten den für Autos zunächst nicht gesperrten Ring. Die Polizei, die mit 1.000 Beamten im Einsatz war, forderte zum Abgang in kleinen Gruppen auf, sperrte die Routen ab und kesselte die Demo immer wieder ein.

Pürstl: Eskalation wurde vermieden

Eskalationen und Ausschreitungen seien vermieden worden, bilanzierte Polizeipräsident Pürstl am Sonntagabend. Bei dem „herausfordernden Einsatz“ hätten die Polizisten die Balance gehalten. Die Polizei habe den Einsatz nicht unterschätzt, man habe gewusst, „wenn viele Demonstranten kommen, wird es schwierig sein“, sagte der Polizeipräsident, der den Einsatz selbst geleitet hatte.

Protestveranstaltung gegen die Corona Maßnahmen
APA/Georg Hochmuth
Insgesamt zehn Personen wurden von der Polizei festgenommen

Es sei klar gewesen, dass man den Demonstranten „nachgeben muss und Raum bieten“ müsse. Immerhin seien auch Mütter mit Kindern im Kinderwagen unter den Teilnehmern gewesen. Zumindest zum Schluss sei die Exekutive doch noch „sehr massiv eingeschritten“, sagte Pürstl.

Nehammer betonte, dass der Einsatz „eine eigene Dynamik entwickelt hat“, so hätten Teilnehmer unter anderem auch versucht, die Parlamentsrampe zu stürmen und das Parlament, das derzeit renoviert wird, zu besetzten. „Es war immer notwendig, taktisch neu zu entscheiden“, sagte der Innenminister. Der Polizeieinsatz solle wieder evaluiert werden, damit man sich noch effizienter aufstellen könne, kündigte Nehammer an.

Videos zeigen Übergriffe auf Journalisten

Auf Twitter kursierten am Abend Videos, die Übergriffe auf Journalisten zeigten. Davon habe die Polizei noch keine Kenntnis, hieß es am späten Abend. Man werde aber jedem Hinweis nachgehen, wo es zu Gewaltaktionen gegen die Presse gekommen sein soll, sagte Nehammer.

Barbara Teiber, Vorsitzende der Gewerkschaft GPA, die Beschäftigte im Journalismus vertritt, nannte die Angriffe „indiskutabel“. Die freie Presse müsse zu jedem Zeitpunkt ihrer Arbeit nachgehen können, und die Exekutive habe das sicherzustellen. Sie appellierte auch an die Demonstrierenden: „Es ist eine Sache, seine Meinung auf der Straße kundzutun. Gewerkschaften waren immer Verfechter des Demonstrationsrechts.“ Gewalttätigte Ausschreitungen seien aber zu verurteilen.

Nehammer sieht Schuld bei Kickl

Nehammer gab erneut seinem Vorgänger Kickl und dessen Partei FPÖ die Schuld an den Vorkommnissen. Es sei „völlig absurd, dass ausgerechnet ein ehemaliger Innenminister Öl ins Feuer gießt und unheilige Allianzen mit Rechtsradikalen schmiedet“. An den Protesten hatten sich auch der rechtsextreme Identitäre Martin Sellner und der verurteilte Neonazi Gottfried Küssel beteiligt.

Protestveranstaltung gegen die Corona Maßnahmen
APA/Herbert Neubauer
Die Proteste sorgten für einen politischen Schlagabtausch zwischen ÖVP und FPÖ

Am Samstag hatte die Polizei auch die für Sonntag geplante FPÖ-Kundgebung „Demokratie, Freiheit und Grundrechte“ untersagt. Kickl übte daraufhin scharfe Kritik am Innenminister: Es zeige sich, dass „die Regierung und insbesondere Innenminister Karl Nehammer nicht davor zurückschrecken, jede Regierungskritik beinhart zu verbieten. Die fadenscheinige Begründung der Untersagungen auf Basis einer höchstwahrscheinlich selbst verfassungswidrigen und möglicherweise sogar amtsmissbräuchlich erlassenen Verordnung des Gesundheitsministers macht die dramatische Situation, in der sich Österreichs Demokratie und Rechtsstaat befinden, deutlich.“ Zugleich versicherte Kickl, dass am Sonntag keine Kundgebung stattfinden werde.

ÖVP fordert Rücktritt von FPÖ-Mandataren

Die ÖVP sieht drei freiheitliche Nationalratsabgeordnete rücktrittsreif. Sicherheitssprecher Karl Mahrer nannte Christan Hafenecker, Dagmar Belakowitsch und Petra Steger in einer Aussendung ein „Corona-Leugner-Trio“. Diese hätten stolz ohne Einhaltung des Mindestabstands sowie ohne Mund-Nasen-Schutz für ein gemeinsames Gruppenfoto posiert.

Mit ihrer Anwesenheit und den im Vorfeld initiierten Aufrufen zur Demoteilnahme seien die FPÖ-Abgeordneten verantwortlich für die Ausschreitungen gegenüber Einsatzkräften sowie Passanten. Sie seien zudem offensichtlich bewusst zu „Gehilfen“ der rechtsextremen Szene mitsamt ihrer Interessen und Ideologien geworden: „Ihr Rücktritt ist die einzig logische Konsequenz“, sagte Mahrer.

FPÖ hält Nehammer für „Lachnummer“

Die FPÖ sieht hingegen die Regierung, von ihr „Kurz-Truppe“ genannt, als rücktrittsreif. Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer erkannte bei der Volkspartei „geifernde Wortspenden“, die Ausdruck der durch die ÖVP forcierten und gleichzeitig gescheiterten Eskalationstaktik seien. Nehammer bezeichnete der stellvertretende Klubchef überhaupt gleich als „Lachnummer“.

Die FPÖ hätte laut Amesbauer gerne die Verantwortung übernommen und im geordneten und sicheren Rahmen dem Protest eine Plattform geboten. Nachdem die „ÖVP-Truppe“ selbst davor nicht mehr zurückschrecke, erstmalig in der Zweiten Republik eine politische Kundgebung einer Parlamentspartei zu untersagen und das verfassungsmäßig verbriefte Grundrecht auf Versammlungsfreiheit mit Füßen zu treten, liege die alleinige Verantwortung für die Geschehnisse bei jenen, die diese Untersagung betrieben hätten.