Bild zeigt Feinsilber-Barren.
Reuters/Michael Dalder
Finte?

Nach GameStop boomt nun Silber

Nach der Handelspause am Wochenende hat das Börsendrama um die GameStop-Aktie wieder volle Fahrt aufgenommen. Dabei wurde es um eine Facette reicher: Am Montag schoss der Silberkurs in Höhe, nachdem es – wie schon bei GameStop – zu einem Kaufrausch der Privatanleger gekommen war. Aufrufe zum Silberkauf hatte es in Sozialen Netzwerken – darunter auch auf Reddit – gegeben. Dort wurde aber auch davor gewarnt, dass es sich um eine koordinierte Aktion von Hedgefonds handeln könnte.

Der Silberkurs erreichte am Montag jedenfalls zwischenzeitlich ein Achtjahreshoch von 30,03 Dollar (24,97 Euro) je Feinunze (31,1 Gramm). Das wurde darauf zurückgeführt, dass eine hohe Zahl an Privatanlegern in den Markt gedrängt sei. Auch Aktien von Minenbetreibern setzten zum Höhenflug an. Das Bergbauunternehmen Fresnillo verzeichnete etwa mit einem Plus von fast 21 Prozent den größten Kurssprung seit gut zwölf Jahren.

Zuvor hatten sich in den Sozialen Netzwerken Aufrufe zum Silberkauf verbreitet. Darin wurde spekuliert, dass die bei GameStop genutzte Strategie des „Short Squeeze“ (in diesem Fall müssen Investoren Wetten auf fallende Kurse in großem Stil auflösen) auch bei Silber funktionieren könnte. Allerdings wurden rasch Vorbehalte laut, dass die Voraussetzungen und Mechanismen auf dem Rohstoffmarkt vollkommen anders seien als bei Einzelaktien. Und auch auf dem Reddit-Board „WallStreetBets“, das als Ausgangspunkt für den Ansturm auf die GameStop-Aktie gilt, wurde vor Investitionen in Silber gewarnt.

Reddit warnt vor Finte

Diese würden nur Geld in die Kassen genau jener Hedgefonds spülen, die man mit den Käufen der GameStop-Aktien in die Klemme gebracht habe. Das Ziel des Aufrufes sei, dass spekulationsfreudige und vor allem frisch eingestiegene, von GameStop mitgerissene Privatanleger in der Hoffnung auf große Rendite bzw. den nächsten Börsenhype ihre Investitionen von GameStop-Aktien in Silber umschichten würden. Hingewiesen wurde auch darauf, dass der Hedgefonds Citadel Advisor – die Mutterfirma des im GameStop-Drama geschädigten Hedgefonds Melvin Capital – zu den größten Inhabern von Silberwerten zählt.

Seit Tagen wird auf Reddit dazu aufgerufen, GameStop-Aktien zu kaufen und diese konsequent und lange genug zu halten, um letztlich neue Kurskapriolen zu erzwingen. Dabei geht es längst nicht mehr (nur) um Rendite, sondern um auch die Machtdemonstration einer neuen Anlegergeneration gegen die Praktiken des Börsenestablishments.

Grafik zum Silberpreis
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Milliarden mit Leerverkäufen spekuliert

Der Hintergrund: Der Hedgefonds Melvin Capital hatte neben anderen Hedgefonds mit Leerverkäufen auf einen fallenden Kurs der GameStop-Aktie gesetzt und sich damit verspekuliert. Denn weil sich ausgehend von dem Reddit-Board „WallStreetBets“ zahlreiche Kleinanleger per Trading-Apps mit GameStop-Aktien eindeckten, stieg der Aktienkurs teils in schwindende Höhen, sodass Melvin Milliardenverluste hinnehmen musste.

Bild zeigt Passanten vor einer Gamestop Filiale
APA/AFP/Getty Images/Spencer Platt
Der Videospielhändler GameStop geriet in eines der größten Börsendramen seit Jahren

Für Leerverkäufe leihen sich Investoren Aktien und verkaufen diese in der Erwartung, sie später billiger zurückkaufen zu können, um sie dann an die regulären Inhaber zurückzugeben. Auf der Kursdifferenz basiert ihr Gewinn. Wenn die Wette – wie im konkreten Fall – jedoch schiefgeht und der Kurs steigt, ist ein Leerverkäufer gezwungen, die Aktien um jeden Preis zurückzukaufen. Diese Notrückkäufe kosteten den Hedgefonds bereits enorme Summen. Die Reddit-Investoren gehen aber davon aus, dass eine weitere Rückkaufaktion den Kurs noch weiter in die Höhe treiben muss.

Insider: Melvin-Vermögen halbiert

Am Wochenende wurde unter Berufung auf Insider berichtet, dass Melvin Capital im Jänner mehr als die Hälfte seines Vermögens verloren hat. Dieses sei Anfang Jänner noch bei 12,5 Milliarden Euro gelegen, habe sich bis Monatsende aber um 53 Prozent reduziert. Aufgrund einer Kapitalspritze von 2,75 Milliarden Dollar, mit der die Hedgefonds Point72 und Citadel ihren Partner Melvin vor dem Zusammenbruch gerettet hatten, habe Melvin Capital den Jänner mit einem Vermögen von mehr als acht Milliarden Dollar abgeschlossen.

Was den aktuellen Silberboom betrifft, zeigten sich indes auch traditionelle Börsenbeobachter skeptisch. Der Markt sei „deutlich größer“ und „mit sehr tiefen Taschen unterwegs“, so Marktanalyst Milan Cutkovic vom Brokerhaus Axi. „Dennoch dürfte man die Entwicklung auf dem Börsenparkett weiter mit Spannung verfolgen, denn die Ereignisse der vergangenen Woche haben gezeigt, dass man die Kraft der privaten Investoren nicht unterschätzen sollte.“

Börsenkritiker mobilisert

Die Causa warf jedenfalls ein Schlaglicht auf die Geschäftsmodelle der Finanzmärkte und befeuerte auf dem linken Flügel der US-Demokraten Rufe nach Reformen und schärferer Regulierung. Die Senatorin Elizabeth Warren sieht die Börsenaufsicht SEC in der Pflicht und verlangte am Sonntag im Sender CNN eine Untersuchung der Vorgänge. Senator Bernie Sanders beklagte „empörendes Verhalten“ aufseiten von Hedgefonds und Wall-Street-Akteuren.

Sanders forderte, die Praktiken der Hedgefonds „sehr genau“ unter die Lupe zu nehmen. Er sei seit Langem der Überzeugung, dass das Geschäftsmodell der Wall Street „defekt“ sei, sagte Sanders dem Sender ABC. Warren kritisierte, die Entwicklung rund um GameStop verdeutliche lediglich, was an der Wall Street seit Jahren stattfinde. Es gebe „eine Gruppe von Spielern“, die den Markt manipuliere. Deshalb müsse es eine bessere Regulierung zum Schutz vor Marktmanipulation geben.

Handlungsbedarf wurde vergangene Woche auch angemeldet, weil mehrere Trading-Apps – darunter Robin Hood und Trade Republic – den Handel mit GameStop-Aktien gestoppt oder beschränkt hatten. Sie gerieten in die Kritik, Kleinanleger gegenüber Wall-Street-Großinvestoren zu benachteiligen. Die kontroversen Handelsbeschränkungen bei Robin Hood dauerten am Montag an.