Amazon-CEO Jeff Bezos auf einem Archivbild vom 6. Juni 2019
AP/John Locher
„Optimaler Zeitpunkt“

Amazon-Chef Bezos kündigt Rückzug an

Amazon-Gründer Jeff Bezos gibt den Posten des Vorstandsvorsitzenden des Internetriesen ab. Bezos werde das Amt des CEO (Chief Executive Officer) im dritten Quartal an den Amazon-Cloud-Computing-Chef Andy Jassy übergeben, teilte der Konzern am Dienstag mit. Bezos wird aber als Executive Chair weiterhin eine wichtige Rolle bei Amazon spielen. Genauere Angaben zum künftigen Aufgabenbereich machte Amazon nicht.

„Derzeit ist Amazon so innovativ wie noch nie zuvor, weswegen das der beste Zeitpunkt für die Übergabe ist“, begründete Bezos seinen Schritt. „Amazon ist wegen seiner Erfindungen das, was es ist“, heiß es in dem verbreiteten Statement des Konzernchefs. „Wir machen gemeinsam verrückte Dinge und machen sie dann normal.“ Aufgezählt wurden unter anderem Kundenrezensionen, personalisierte Empfehlungen, der schnellen Prime-Versand, der E-Reader Kindle und die Sprachassistentin Alexa.

„Wenn man es richtig macht, ist ein paar Jahre nach einer überraschenden Erfindung das Neue normal geworden. Die Leute gähnen. Dieses Gähnen ist das größte Kompliment, das ein Erfinder bekommen kann“, heißt es weiter. Die Amazon-Finanzergebnisse seien „die langfristigen, kumulativen Ergebnisse von Innovationen“.

Zweitreichster Mann der Welt

Bezos dürfte als geschäftsführender Vorsitzender des dem Vorstand übergeordneten Verwaltungsrats auch nach seinem Rücktritt weiterhin großen Einfluss auf den Konzern ausüben. Der 57-jährige Topmanager gründete Amazon 1994 und baute das Unternehmen von einer Onlinebuchhandlung zum Billionenkonzern auf. Mit einem geschätzten Vermögen von 188 Milliarden Dollar (155,4 Mrd. Euro) ist Bezos derzeit dem „Bloomberg Billionaires Index“ zufolge der zweitreichste Mensch der Welt.

„Mehr Zeit und Energie“ für andere Projekte

In einem Schreiben an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erklärte Bezos, durch den Schritt mehr „Zeit und Energie“ für seine anderen Projekte zu haben. Er werde aber bei Amazon „engagiert“ bleiben. „Ich hatte nie mehr Energie, es geht hier nicht um den Ruhestand.“ Künftig werde er sich auf seine Stiftungen wie seinen Tag-Eins-Fonds und den Bezos Earth Fund, den SpaceX-Konkurrenten Blue Origin, die Tageszeitung „Washington Post“ sowie seine anderen Leidenschaften konzentrieren.

Nachfolger seit 1997 bei Amazon

Sein Nachfolger, der 53-jährige Harvard-Absolvent Andy Jassy, gilt als eher unbeschriebenes Blatt. Er stieß bereits 1997 als Marketingmanager zu Amazon und hob ab 2003 den Bereich Amazon Web Services aus der Taufe. 2016 wurde er Chef des Cloud-Computing-Dienstes.

Andy Jassy auf einem Archivbild vom 25. Oktober 2016
Reuters/Mike Blake
Der künftige starke Mann bei Amazon

Dabei war die Idee umstritten. Amazons Geldgeber im Verwaltungsrat befürchteten ein Millionengrab. Seine Vision, Speicher und Rechenleistung kostengünstig übers Netz bereitszustellen, ging jedoch auf. Die von ihm geführte Sparte Amazon Web Services (AWS) liefert Cloud-Infrastruktur an unzählige Start-ups und große Unternehmen. Für Amazon wurde AWS zu einer Geldmaschine: Die Sparte brachte zuletzt zwei Drittel des operativen Gewinns des Konzerns ein.

Bezos „Schatten“ scheut keine Aussagen zu Politik

Jassy und Bezos lernten sich sehr früh sehr gut kennen. 2003 schuf der Amazon-Gründer die Rolle des „Schatten“, eines „technischen Assistenten“, der Bezos zwei Jahre auf Schritt und Tritt begleitet. Und Jassy war der erste Amazon-Mitarbeiter, der diese Rolle innehatte.

Der Vater zweier Kinder hält auch im gespaltenen Amerika seine politischen Ansichten nicht zurück. So begrüßte er bei Twitter die Gleichstellung sexueller Minderheiten durch das oberste Gericht der USA und forderte Konsequenzen für den Tod der schwarzen Amerikanerin Breonna Taylor bei einem Polizeieinsatz.

Zuletzt wurde er in eine Klage der bei Unterstützern von Donald Trump beliebten ultrarechten Twitter-Alternative Parler hineingezogen, der AWS nach Gewaltaufrufen rund um den Sturm auf das Kapitol den Stecker zog. Kritisiert wurde Jassy dafür, dass Amazon Behörden die Gesichtserkennungssoftware Rekognition liefert – was er verteidigt.

Nettogewinn verdoppelt

In den drei Monaten bis Ende Dezember knackte Amazon beim Umsatz dank des Bestellbooms in der Coronavirus-Krise und eines starken Weihnachtsgeschäfts erstmals die Marke von 100 Milliarden Dollar. Gegenüber dem Vorjahreszeitraum legten die Erlöse um 44 Prozent auf 125,6 Milliarden Dollar zu. Den Nettogewinn konnte Amazon auf 7,2 Milliarden Dollar (6,0 Mrd. Euro) deutlich mehr als verdoppeln. Im Geschäftsjahr 2020 verdiente der Konzern 21,3 Milliarden Dollar, was einem Anstieg um 84 Prozent und einer neuen Bestmarke entspricht.

Der Onlinegigant profitierte abermals stark von seinem Cloud-Geschäft mit IT-Services und Speicherplatz im Internet. Die vom zukünftigen Vorstandschef Jassy geführte AWS-Plattform, die von vielen Unternehmen und Apps genutzt wird, erhöhte den Quartalsumsatz um 28 Prozent auf 12,7 Milliarden Dollar und blieb damit etwas unter den Erwartungen. Das Betriebsergebnis kletterte derweil um 37 Prozent auf 3,6 Milliarden Dollar, woran klar zu erkennen ist, was für ein attraktiver Gewinnbringer Amazons Cloud-Flaggschiff weiterhin ist.

Zweite Konzernzentrale nahe Washington

Für Aufsehen sorgen unterdessen noch weitere Pläne des Konzerns: Amazon veröffentlichte die Pläne für seinen zweiten Hauptsitz in Arlington am Rande der US-Hauptstadt Washington: Ein 22-stöckiges Gebäude in Form einer Doppelhelix werde von Parks mit einheimischen Pflanzen umgeben sein, teilte Amazon mit – das Design sei „von der Natur durchzogen“ und soll so Wohlbefinden und Kreativität fördern. Es soll zu 100 Prozent mit Sonnenenergie beheizt und gekühlt werden.

Das „einzigartige“ Gebäude in Form einer Doppelhelix werde von außen begehbar sein, auf „zwei landschaftlich gestalteten Pfaden, die spiralförmig nach oben klimmen, mit Pflanzen, die auf einer Wanderung in den Blue-Ridge-Bergen von Virginia zu finden sind“. Es soll der Mittelpunkt von insgesamt drei Gebäuden sein.

Rendering der künftigen Amazon-Zentrale in Arlington
APA/AFP/Amazon
Gewagte, grüne Architektur

Die Bauarbeiten am Ufer des Potomac haben bereits begonnen. Amazon gekündigte an, dass in Arlington bei Washington rund 25.000 Menschen arbeiten werden. Der Konzern hatte 2017 entschieden, seinen zweiten Firmensitz in den Ostküstenstädten New York und Arlington anzusiedeln – New York wurde – auch wegen große Widerstände in der Stadt – dann aber gestrichen. Das HQ2 soll den Amazon-Hauptsitz in Seattle im Staat Washington ergänzen.