Installation „Das Labor: Operationssaal“ von Ashley Hans Scheirl
Kunsthaus Bregenz/Markus Tretter
Museumsöffnung

Seelenfutter für Pandemiemüde

Ab nächster Woche geht es wieder los in Österreichs Museen, für den Westen punktgenau zum Beginn der Semesterferien. Einige Häuser locken auch gleich mit neuen Präsentationen, andere laden zu Publikumsmagneten, die teilweise nur kurz liefen: Zu sehen gibt es etwa queere Kunst von Warhol, Knebl und Scheirl, Würdigungen von Design- und Architekturikonen sowie Ausstellungen zu Kybernetik und Künstlicher Intelligenz.

Nach langem Zittern heißt es nun wieder Aufatmen für die Museen, zum ersten Mal im Jahr 2021 und zur großen Freude aller Kunst- und Kulturinteressierten. Erst letzte Woche präsentierten die Österreichischen Bundesmuseen eine coronavirusbedingt katastrophale Vorjahresbilanz, mit einem Publikumsrückgang von durchschnittlich 71 Prozent.

Mit einem Sicherheitskonzept von FFP2-Masken und einer 20-Quadratmeter-Regel pro Besucherin und Besucher rüstet man sich nun ab dem 8. Februar wieder für den Kunstgenuss – beziehungsweise ab dem 9., weil der Montag in den meisten Häusern traditioneller Schließtag ist. Von Wien bis Vorarlberg zeigt man jetzt eine Themenvielfalt, die für viele Balsam sein könnte im pandemieverschärften Alltagstrott.

Bunte Textilkunst im MAK

Ein Highlight ist sicher „Garn, Bäume, Fluss“ der 86-jährigen Textilkünstlerin Sheila Hicks, die erst im Dezember im Wiener Museum für angewandte Kunst (MAK) eröffnet wurde: Die in Paris lebende US-Amerikanerin zeigt wollige Würste, flauschige Teppiche, von der Decke baumelnde Lianenstrukturen und einen mehrere Meter hohen Berg voller Wollknäuel. Aus konservatorischen Gründen wird im schummrigen Licht präsentiert. Hicks bunte Farben – die Künstlerin verwendet alle Töne außer Schwarz – strahlen trotzdem. Anfassen ist leider verboten.

Installation „Garn, Bäume, Fluss“ von Sheila Hicks
Wien Foto: MAK/Georg Mayer
Das Wiener MAK widmet der 86-jährigen Texilkünstlerin Sheila Hicks eine flauschig-sinnliche Personale

In Landschaften eintauchen

Zweimal Naturbetrachtung, zweimal ambivalente Faszination: Im Bank Austria Kunstforum in Wien ist noch bis 7. März die erste umfassende Retrospektive der Landschaftsbilder Gerhard Richters zu sehen. Dem bedeutendsten und teuersten Maler Deutschlands begegnet man hier als Künstler zwischen konzeptioneller Strenge und großer Sinnlichkeit. Richters „Kuckucksei“-Bilder lassen eine Nähe zur Romantik erkennen, aber mit unübersehbarem Bruch.

Mit Parallelen dazu, aber doch ganz anders ist die Kunst des Österreichers Herbert Brandl, der als Vertreter der „Neuen Wilden“ gilt. Das Kunsthaus Graz zeigt, ebenfalls noch bis 7. März, auf zwei Etagen seine expressiven Bilder von mächtigen Berggipfeln und die an feurige Blumenwiesen erinnernden Abstraktionen. Natur zeigt sich beim Biennale- und Documenta-erprobten Brandl stets ohne die Spuren der Zivilisation und mit viel Platz für die Sehnsüchte der Betrachterinnen und Betrachter.

Feministische und queere Positionen

Im Kunsthaus Bregenz (KUB) ist Jakob Lena Knebls und Ashley Hans Scheirls „… Seasonal Greetings“ gerade bis Ostermontag in die Verlängerung gegangen. Das queere Duo, das den Österreich-Beitrag zur Venedig-Biennale 2022 gestalten wird, hat auf den vier Stockwerken des Hauses einen Kunst-Erlebnisparcours ausgebreitet, der lustvoll und bunt ist, hintergründig und ohne Scheu vor der großen Geste: Im Erdgeschoß wandert man etwa durch ein an Caspar David Friedrich erinnerndes Eismeer, im zweiten Stock betritt man eine Märchenerlebniswelt, die der Figur der Hexe nachspürt.

Installation „Die gescheiterte Hoffnung“ von Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl
Kunsthaus Bregenz/Markus Tretter
Ein Eismeer bildet den Beginn des KUB-Erlebnisparcours von Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl.

Queeres beziehungsweise Feministisches gibt es auch in Wien und Linz. Das Lentos Kunstmuseum Linz würdigt zum 80. Geburtstag mit einer „Hommage a Valie Export“ die österreichische Kunstpionierin. Mit 30 Werken und Werkgruppen zeigt man dort ihre medial vielfältige Beschäftigung mit dem Körper. Und im Wiener mumok kann man noch bis 7. März einen Blick auf die gelungene Andy-Warhol-Schau „a glittering alternative“ werfen, die den so oft gezeigten Künstler mit seinem Frühwerk in ein neues, konzeptuell strengeres Licht rückt.

NS-Forscher und Zionistische Organisation

Das Jüdische Museum Wien zeigt in der Dorotheergasse schon seit Oktober „Die Wiener in China. Fluchtpunkt Shanghai“ über die Stadt am Meer, die zum Zufluchtsort vieler österreichischer Jüdinnen und Juden wurde. In der Dependance am Judenplatz öffnet mit „Herzls Töchter – 100 Jahre WIZO. Wiener Frauen für Israel“ eine neue Schau, die die hundertjährige Geschichte der „Women’s International Zionist Organization“ zum Thema hat.

Neues gibt es auch im Haus der Geschichte, wo man mit „Verfolgen und Aufklären“ 20 Pionierinnen und Pioniere der Holocaust-Forschung würdigt, unter ihnen auch Simon Wiesenthal. War die Nazi-Herrschaft erpicht, die Spuren ihrer Gräuel zu verschleiern, trugen diese Männer und Frauen teils noch während des NS-Regimes Quellen zusammen, die die Aufarbeitung erst ermöglichten und bis heute für die Erforschung des Holocausts unersetzbar sind.

Architektur- und Designpioniere

Im Leopold Museum widmet man sich mit „Emil Pirchan. Visuelle Revolution“ dem Werk des 1957 verstorbenen Pioniers des expressionistischen Bühnenbildes. Mit mehr als 200 Objekten versammelt die Ausstellung Bühnen- und Kostümentwürfe, Architekturmodelle, aber auch Plakate des vielseitigen Künstlers.

Das Bild „Future Urban Architecture“ von Syd Mead
Syd Mead
Das Graz Museum würdigt den Designer Syd Mead, der für Weltentwürfe für „Blade Runner“ und „Aliens“ berühmt wurde

Einer anderen Designikone ist das kulturhistorische Graz Museum auf der Spur. „Syd Mead – Future Cities“ gibt Einblicke in Entwürfe des legendären 2019 verstorbenen Designers Syd Mead, der für seine Weltenentwürfe für die Science-Fiction-Klassiker „Trek“, „Blade Runner“ und „Aliens – Die Rückkehr“ berühmt wurde. Für die Filme entwickelte er ganze Städte, Raumschiffe und Mobilitätskonzepte mit fliegenden Autos. In den 1970er Jahren entwarf er zugleich Futuristisches für Ford, Chrysler und Sony.

Gleich zweimal wird in Wien aus Anlass seines 150. Geburtstags dem Architekten Adolf Loos nachgespürt, einmal im MAK mit der Schau „Adolf Loos: Privathäuser“ und ein zweites Mal in der Wienbibliothek im Rathaus, die in „Gehet doch schnell die Ausstellung besuchen …!“ Schriften, Briefe und Dokumente des genialen wie umstrittenen Vertreters der Wiener Moderne aufbereitet.

15 Jahre Museum Gugging

Am 11. Februar öffnet das Museum Gugging bei Klosterneuburg, das heuer sein 15-jähriges Bestehen feiert, mit einer neuen Sonderausstellung „naiv.? naive kunst aus der sammlung infeld“. Die Schau präsentiert 31 Künstlerinnen und Künstler aus der größten Kollektion Naiver Kunst in Österreich.

Ebenfalls in Niederösterreich spürt das Forum Frohner in der Kunsthalle Krems der Begegnung Adolf Frohners mit dem Nouveau Realisme nach. Die Materialbilder, Objekte und Assemblagen, die der österreichische Künstler in den 1960er Jahren anfertigte, weisen starke Bezüge zur Kunst von Daniel Spoerri oder Gerard Deschamps auf. Die Schau entstand in Kooperation mit dem mumok.

KI und Kybernetik

Auf „Künstliche Intelligenz“ setzt das Technische Museum Wien mit seiner Sonderausstellung, die erst kurz vor dem Lockdown eröffnet wurde. Nur wenige Tage Laufzeit hatte auch die thematisch verwandte, künstlerische Gruppenausstellung „Cybernetics of the Poor“ in der Kunsthalle Wien.

Kreidezeichnung „Schützende Hand“ von Florentina Pakosta
Albertina, Wien
Florentina Pakostas „Schützende Hand“ (1980), zu sehen in „Schwarz, Weiß & Grau“ in der Albertina

Mit dem Begriff der Kybernetik sind selbststeuernde und regulierende Systeme gemeint, konkret etwa Praktiken der Internetkultur, des Finanzmarkts oder das lukrative Geschäft mit Daten. Mit Arbeiten von Oswald Wiener bis zur Post-Internet-Art geht die Ausstellung so dem Menschsein im Zeitalter des digitalen Kapitalismus auf den Grund.

Erste Not-Vital-Personale

Ein Kamelkopf aus Stahl mit seinen imposanten 800 Kilogramm sorgte in den letzten Wochen am Mönchsberg für Aufsehen, im Außenbereich des Salzburger Museums der Moderne. Der Urheber: der Schweizer Künstler Not Vital. Nun öffnet die zugehörige Ausstellung wieder. Der vielgereiste Bildhauer, der sich selbst als Künstlernomaden versteht, nutzt Formen und Handwerkstechniken fremder Kulturen, um archaische Werke mit surrealistischem und humorvollem Einschlag anzufertigen: So sieht man ein Selbstbildnis des Künstler als Esel oder ein Paar Schuhe für Ohren.

Wenn man schon auf dem Mönchsberg ist, lohnt sich auch ein Besuch der Doppelausstellung „Physiognomie der Macht“ von Harun Farocki und Florentina Pakosta. Die beiden eint eine jahrzehntelange Beschäftigung mit der Macht, Farocki mittels Film und mit Fokus auf klassische Machtstrukturen, Pakosta mittels Malerei und Grafik und vor allem feministischer Orientierung.

Monochromes in der Albertina

Zu guter Letzt lockt die Albertina mit einer Sammlungspräsentation, die sich ganz der Monochromie in „Schwarz, Weiß & Grau“ verschrieben hat, in ihr Haupthaus. Und ab 12. Februar ist auch in der Albertina Neues zu sehen, nämlich die Fotoausstellung „Faces. Die Macht des Gesichts“, die der Neuausrichtung der Portätfotografie in den 20er und 30er Jahren auf den Grund geht.