Studenten demonstrieren in Yangon (Myanmar) gegen den Militärputsch
Reuters
Myanmar nach Putsch

Ziviler Ungehorsam gegen Militärmacht

In Myanmar gewinnt die Protestbewegung gegen den Militärputsch am Montag an Dynamik. Drückten zunächst nur einige ihren Unmut durch Schlagen auf Töpfe und Pfannen aus, gehen nun auch Studierende und Lehrkräfte auf die Straßen, um zu protestieren. Nun schaut die ganze Region sorgenvoll nach Myanmar.

Die Ruhe auch Tage nach dem Coup der Armee war verdächtig. In der Nacht auf Montag hatte das Militär mit einem Staatsstreich die Macht an sich gerissen und Myanmars Freiheitsikone Aung San Suu Kyi sowie den Präsidenten des südostasiatischen Landes, Win Myint, festgenommen. Der Militärputsch beendete eine zehnjährige Phase des demokratischen Wandels, nachdem der Staat fast fünf Jahrzehnte lang von einer Militärjunta geführt worden war.

Die Bevölkerung reagierte schockiert, im Internet formierte sich zunächst unter medizinischem Personal in staatlichen Krankenhäusern eine „Bewegung des zivilen Ungehorsams“. Sie rief die Menschen dazu auf, jede Nacht durch das Schlagen von Töpfen und Pfannen ihren Unmut zu äußern.

Proteste laufen an

Langsam wird der Protest dynamischer und breitet sich aus. Am Freitag gingen rund 200 Lehrkräfte und Studierende der Dagon-Universität in Yangon auf die Straße. Als Zeichen des Protests zeigten sie den Dreifingergruß der Rebellen aus der Science-Fiction-Filmreihe „Die Tribute von Panem“, der im vergangenen Jahr im Nachbarland Thailand zum Symbol der Proteste gegen die Regierung geworden war. Die Studierenden skandierten „Lang lebe Mutter Suu“ und trugen rote Fahnen, die Farbe von Suu Kyis Partei Nationale Liga für Demokratie (NLD).

Raimund Löw (ORF) zum Militärputsch in Myanmar

ORF-Außenpolitikexperte Raimund Löw erklärt im Interview, was der Auslöser für den Militärputsch und den Machtwechsel in Myanmar war und ob in diesem Land in naher Zukunft ein Weg zurück zur Demokratie möglich ist.

In Naypyidaw posierten Dutzende von Mitarbeitern verschiedener Ministerien mit roten Bändern für Gruppenfotos. Auch in den Hafenstädten Myeik und Dawei im Süden des Landes gab es kleinere Aktionen. Zudem gab es Aufrufe, Produkte von Firmen, die dem Militär gehören, zu boykottieren. Dazu gehören eine beliebte Biermarke und SIM-Karten.

Die De-facto-Regierungschefin von Myanmar, Aung San Suu Kyi
APA/AFP/Ye Aung Thu
Aung San Suu Kyi

Suu Kyi „bei guter Gesundheit“

Die Polizei nahm Dutzende Menschen fest, darunter auch Suu Kyis rechte Hand und Berater Win Htein. Der 79-Jährige war im Haus seiner Tochter aufgegriffen worden. Vor seiner Festnahme hatte Win Htein in Interviews mit englischsprachigen Medien den Streitkräften vorgeworfen, das südostasiatische Land mit dem Putsch „in die falsche Richtung zu führen“. Er rief die Bürger zu Widerstand gegen die „Zerstörung unserer Regierung“ auf. Der Politiker sei gesundheitlich in einem schlechten Zustand, hieß es am Freitag.

Suu Kyi selbst wurde seit ihrer Festnahme am Montag nicht mehr gesehen. Nach Angaben ihrer Partei befindet sie sich „bei guter Gesundheit“ in ihrer Residenz in der Hauptstadt Naypyidaw. „Soweit ich weiß, steht sie unter Hausarrest“, sagte ein Sprecher. Suu Kyis Anwalt Khin Maung Zaw sagte, er habe seit dem Staatsstreich keinen Kontakt zu seiner Mandantin mehr gehabt. Auch mit dem ebenfalls abgesetzten Präsidenten Win Myint sei bisher kein Gespräch möglich gewesen, sagte Khin Maung Zaw und forderte die bedingungslose Freilassung.

Am Freitag stellte sich auch die gestürzte NLD öffentlich hinter die Protestbewegung. Man werde denjenigen helfen, die im Zuge ihres zivilen Ungehorsams festgenommen oder entlassen wurden, hieße es. Der Putsch des Militärs sei „inakzeptabel“. Im November hatte die NLD bei der Parlamentswahl einen Erdrutschsieg erzielt. Das Militär erkennt die Abstimmung jedoch nicht an. Nach seinem Putsch im Jahr 1962 hatte das Militär 49 Jahre lang im Land geherrscht. Die Abstimmung im November war erst die zweite freie und faire Wahl seit dem Ende der direkten Militärherrschaft im Jahr 2011.

Ein Demonstrant mit Rose in Myanmar hält drei Finger in die Höhe
AP
Drei Finger für die Demokratie: Bei den Protesten werden Codes und Erkennungszeichen verwendet

Militär sperrt Internet

Um den Protest im Keim zu ersticken, ließ das Militär am Samstag das mobile Internet sperren. Medienberichten zufolge sollen nach Facebook auch Twitter und Instagram blockiert sein. Die britische Organisation Netblocks, die weltweit Internetsperren dokumentiert, sprach von einem „landesweiten Internet-Blackout“ in Myanmar. Das Datenvolumen sei am Samstag aufgrund von Restriktionen und Stromsperren auf 16 Prozent des normalen Volumens gefallen.

Alle im Land aktiven Mobilfunkbetreiber seien vom Ministerium für Transport und Kommunikation angewiesen worden, das mobile Internet temporär auszuschalten, teilte der norwegische Betreiber Telenor mit. Als Gründe für die Internetsperre habe die Regierung auf die „Verbreitung von Falschnachrichten“ und „die Stabilität des Landes“ verwiesen, so Telenor weiter. Das Unternehmen habe die Anweisung umgesetzt um die Sicherheit der Mitarbeiter an Ort und Stelle nicht zu gefährden, sei jedoch zutiefst besorgt über die Einschränkungen.

Gewalt befürchtet

Die Proteste lösen die Sorge aus, dass das Militär wie in der Vergangenheit mit Gewalt antwortet. In fast fünf Jahrzehnten Militärdiktatur hatte die Junta jeglichen Widerstand niedergeschlagen. Besonders hart war das Vorgehen bei der „Safran-Revolution“ von 2007, als Hunderttausende auf den Straßen demokratische Reformen forderten. Die friedlichen Demonstrationen wurden von den Militärs mit Tötungen und Folter beendet. Hunderte buddhistische Mönche und Oppositionelle kamen ins Gefängnis. Amnesty International äußerte die Sorge, dass sich die Gewalt wiederholen könnte.

Auch die Sorge vor einer Destabilisierung der gesamten Region wird geteilt. „Es wird befürchtet, dass sich die politischen Unruhen in Myanmar auf den Frieden und die Stabilität in der Region auswirken könnten“, warnte Malaysias Premierminister Muhyiddin Yassin am Freitag nach einem Treffen mit dem indonesischen Präsidenten Joko Widodo in Jakarta.

„Wie auch Indonesien ist Malaysia besorgt über die Situation in Myanmar, das einen Schritt rückwärts in der demokratischen Entwicklung des Landes gemacht hat“, sagte der malaysische Regierungschef. Die Außenminister beider Länder wollten ein Sondertreffen der Vereinigung Südostasiatischer Staaten (ASEAN) vorschlagen, um über die Entwicklungen in Myanmar zu beraten, hieß es.

Keine offizielle Verurteilung

Die Armeeführung in Myanmar hatte nach dem Staatsstreich einen einjährigen Notstand ausgerufen, nach dem Neuwahlen stattfinden sollen. Der UNO-Sicherheitsrat brachte am Donnerstag seine „tiefe Besorgnis“ über die Lage in Myanmar zum Ausdruck. In einer Erklärung forderten die Ratsmitglieder die „Freilassung aller Inhaftierten“ und die Rückkehr zum demokratischen Prozess in dem Land.

Anders als im ursprünglich von Großbritannien eingebrachten Textentwurf vorgesehen, verurteilte das mächtigste UNO-Gremium den Staatsstreich offiziell aber nicht. Eine entsprechende Passage wurde von Russland und China abgelehnt, wie es aus Diplomatenkreisen hieß.