Bild zeigt Kopfhörer und einen Laptop.
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Musikbranche

Gewinne nur dank Streamingbooms

Die österreichische Musikwirtschaft hat im Jahr 2020 ein Plus von 3,4 Prozent auf ein Gesamtvolumen von 171,6 Millionen Euro erwirtschaftet, wie der Verband der österreichischen Musikwirtschaft IFPI Austria am Mittwoch in einer Pressekonferenz informierte. Auf den ersten Blick wirkt das Ergebnis beruhigend, doch die Detailzahlen offenbaren Folgewirkungen der Lockdowns des vergangenen Jahres.

Die passablen Gesamtzahlen haben vor allem mit dem starken Streamingbereich zu tun, der um ein Drittel zugelegte und 91,6 Millionen Euro lukrierte. In Summe wurden im Vorjahr in Österreich 10,5 Milliarden Songs gestreamt, das sind rund 1.200 Abrufe pro Einwohner und Einwohnerin.

Die gestiegenen Umsätze in diesem Bereich lassen sich auf verschiedene Ursachen zurückführen. Erstens war der stationäre Handel in Österreich durch die Lockdowns im vergangenen Jahr stark eingeschränkt, wodurch Musikliebhaber zusätzlich zu den zunehmend populären Streamingangeboten wechselten.

Grafik zeigt Daten zum Musikmarkt Österreich
Grafik: ORF.at; Quelle: IFPI Austria

Streaming für neue Hörergruppen

Weiters werden diese Angebote auch insgesamt vermehrt von Hörern und Hörerinnen jenseits der jungen, technikbegeisterten Zielgruppe angenommen, was sich auch an den vermehrten Streams der Sparten Rock und Klassik ablesen lässt, die gegenüber Hip Hop – dem Lieblingsstreaminggenre bei den Jungen – deutlich zulegten.

Rund 90 Prozent der streamenden Hörerinnen und Hörer setzt auf Bezahlabos von Spotify, Apple Music, Spotify, Apple Music, Amazon unlimited, Deezer und Co. Werbefinanzierte Angebote machen nur einen kleinen Teil aus, auf Videostreams von YouTube entfallen beispielsweise nur sechs Prozent der gestreamten Songs. Downloads befinden sich in einem Abwärtstrend und setzten mit 6,5 Millionen Euro vergangenes Jahr weniger um als Vinyls. Insgesamt machten digitale Musikformate 2020 bereits über 70 Prozent der Musikverkäufe aus.

Boomendes Vinyl und nachlassende CD-Verkäufe

Das Vinyl-Segment legte nämlich nach zwei stagnierenden Jahren um 15,5 Prozent auf neun Millionen Euro zu. Die CDs, die über viele Jahre der Umsatztreiber der Musikbranche waren, sackten um 22 Prozent ab. Nicht zuletzt aufgrund des Einbruchs in diesem Segment rasselte der physische Sektor um 15,3 Prozent nach unten.

Das habe auch maßgeblich mit der Coronavirus Pandemie zu tun, wie bei einer Onlinepressekonferenz ausgeführt wurde. Gerade in den ersten Lockdown-Monaten März und April sei es durch die Schließung des Handels zu enormen Verkaufsrückgängen bei Tonträgern von bis zu 50 Prozent gekommen.

Grafik zeigt die Musikanteile am Gesamtmarkt 2020
Grafik: ORF.at; Quelle: IFPI Austria

„Gedämpftes Wachstum“ im Pandemiejahr

Als Pandemiejahr sei 2020 jedenfalls mit den Vorjahren „kaum vergleichbar“, betonte IFPI-Präsident Dietmar Lienbacher. „Unsere Prognosen sind von einer ganz anderen Erwartung ausgegangen. Es war letztlich ein gedämpftes Wachstum.“

Neben den Einschränkungen im Handel hätten auch die Absage von Konzerten ihre Spuren hinterlassen sowie die Schließung von Gastronomie und Hotellerie die Lizenzeinnahmen der Verwertungsgesellschaft LSG (minus 14 Prozent auf 27,1 Mio. Euro) gedrückt. Konkret geht die IFPI von einem coronavirusbedingten Schaden für Musiklabels von rund 30 Millionen Euro aus.

Besonders hart betroffen sei die österreichische Musikproduktion, die im stationären Handel sowie bei physischen Produkten üblicherweise stark vertreten ist. Auch von den guten Streamingzahlen können heimische Produktionen wenig profitieren, weil überdurchschnittlich viele internationale Interpreten gehört werden. Der Branchenverband bezifferte das Minus für österreichische Produktionen mit 40 Prozent. Das zeige sich auch in den Jahrescharts, schaffte es im Single-Bereich kein österreichischer Interpret in die Top Ten. Unter den ersten 100 Plätzen nur fünf heimische Künstler vertreten.

Bangen um die Struktur der Branche

Angesichts dieser Umstände forderte der Verband der Österreichischen Musikwirtschaft drei Millionen Euro als Ausfallersatz für Musikproduzenten und bot gleichzeitig an, die „punktgenaue“ Verteilung selbst zu organisieren. „Gespräche mit der Politik hat es zwar schon viele gegeben, aber Hilfe noch nicht“, betonte IFPI-Geschäftsführer Franz Medwenitsch auf Nachfrage. „Die Hilfsprogramme, die da sind, passen nicht für die oft kleinteilige Struktur der Musikwirtschaft.“

Es stehe zu befürchten, dass diese Struktur Schaden nehme, wenn sich beispielsweise Produzenten, Künstlermanager und Veranstalter umorientieren müssten, da sie ihre Verdienstentgänge nicht mehr kompensieren könnten, sagte Medwenitsch.

Negativer Kreislauf durch entgangene Auftritte

Insgesamt untermauern die nun veröffentlichten Zahlen die Befürchtungen der Musikerinnen und Musikern, die von der Pandemie hart getroffen werden. Denn diese erzielen durch Liveauftritte und Tantiemen einen größeren Teil ihres Einkommens als durch verkaufte Alben und Streams. Die Folgen der entgangenen Liveauftritte des vergangenen Jahres werden sich noch länger für sie auswirken.

Bild zeigt eine Band auf der Bühne bei einem Konzert
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Ausfallende Konzerte bedeuten neben ausfallenden Gagen auch verminderte Tantiemen in den Folgejahren: Eine Negativspirale für die ganze Branche

„Mit 2020 hat es begonnen, aber es war wohl nicht das schwierigste Jahr“, sagte Musikerin Mira Lu Kovacs im Jänner dazu gegenüber der APA. „Auch ich werde es 2021 merken, wie sich das in den Tantiemen niederschlägt.“ Ihr wurden im Vorjahr knapp 60 Konzerte abgesagt, „irgendwann habe ich aufgehört zu zählen“.

Auftritte bedeuten letztlich mehr als nur Tantiemen, es gehe auch um Networking, potenzielle Folgeauftritte, Einnahmen aus dem Merchandise und vieles andere. „All diese Multiplikationseffekte fallen weg“, so Kovacs.

Folgewirkungen frühestens 2021 spürbar

Das gesamte Ausmaß der Folgewirkungen der Coronavirus-Pandemie werde erst in Zukunft sichtbar, prognostizierte Georg Tomandl, Obmannstellvertreter von Film and Music Austria (FAMA), dem Fachverband der Film- und Musikwirtschaft in der WKÖ, Ende des vergangenen Jahres gegenüber ORF.at.

„Die Autoren, Komponisten und Musikverleger bekommen ihre Tantiemen erst ein Jahr im Nachhinein von der Verwertungsgesellschaft AKM ausbezahlt, wenn sie Verträge mit internationalen Verwertungsgesellschaften abgeschlossen haben, oft erst zwei Jahre im Nachhinein“, so Tomandl. Diese Ausfälle werde man frühestens im Laufe dieses Jahres deutlich spüren.