Novomatic in Gumpoldskirchen
ORF.at/Roland Winkler
Vorwürfe gegen Blümel

Heikle Causa mit bekannten Mustern

In der Affäre rund um angebliche Politspenden weisen alle Akteure, allen voran Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP), sämtliche Vorwürfe zurück. Die Causa weist jedenfalls ähnliche Muster auf, wie man sie bereits kennt: Wieder geht es um Glücksspiel, wieder ist der Konzern Novomatic involviert, wieder gibt es verdächtige Textnachrichten, und auch ein Teil der handelnden Personen taucht nicht zum ersten Mal in einer Affäre auf.

Laut ORF- und „profil“-Recherchen begann alles mit einer Nachricht, die Blümel 2017 von Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann erhalten haben soll. Darin soll Neumann den damaligen Wiener ÖVP-Chef und nicht amtsführenden Wiener Stadtrat um die Vermittlung eines Termins beim damaligen Außenminister und heutigen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gebeten haben. Das rief die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) auf den Plan.

Sie nimmt an, dass ein Verantwortlicher des Glücksspielunternehmens Spenden an die ÖVP bot und sich im Gegenzug dafür Unterstützung durch Amtsträger der Republik Österreich bei einer dem Unternehmen drohenden Steuernachforderung im Ausland erwartete, wie die WKStA sinngemäß mitteilte.

SMS an Blümel, SMS von Blümel

Neumann schrieb demzufolge am 10. Juli 2017 an Blümel: „Guten Morgen, hätte eine Bitte: bräuchte einen kurzen Termin bei Kurz erstens wegen Spende und zweitens bezüglich eines Problemes, das wir in Italien haben!“ Blümel bat laut Medienberichten daraufhin den Generalsekretär des Finanzministeriums, Thomas Schmid, um einen Rückruf bei Neumann – mit dem Hinweis „Tu es für mich“. Schmid, mittlerweile Alleinvorstand der Staatsholding ÖBAG, wird auch in den Ermittlungen in der Casinos-Austria-Affäre als Beschuldigter geführt.

Ermittlungen gegen Finanzminister Blümel

Gegen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) wird wegen des Verdachts der Bestechlichkeit ermittelt, auch eine Hausdurchsuchung hat es in Blümels Wohnung gegeben. Konkret geht es um den Verdacht einer Parteispende des Glücksspielkonzerns Novomatic an die ÖVP im Jahr 2017. Blümel bestreitet diesen Vorwurf und weist auch Rücktrittsaufforderungen der Opposition zurück.

Im November 2019 fand bei ihm eine Hausdurchsuchung statt, wo unter anderem sein Handy beschlagnahmt worden ist. Laut „Falter“ sind die Behörden immer noch damit beschäftigt, die 323.600 Nachrichten darauf auszuwerten. Laut Anklagebehörde habe Blümel auch den damaligen Außenminister Kurz informiert. Sie betont aber, dass es derzeit keine Anhaltspunkte gebe, wonach Kurz aktiv geworden sei.

Steuerprobleme in Italien

Novomatic machten in Italien zu der Zeit strengere Glücksspielgesetze und eine Steuernachzahlung zu schaffen: Wie dem Halbjahresfinanzbericht der Novomatic von 2017 zu entnehmen ist, hatte die italienische Tochter Novomatic Italia S.p.a. im April 2017 Besuch von der italienische Steuerpolizei.

Diese monierte, dass die Italien-Tochter Lizenzgebühren an die Novomatic Gaming Industries GmbH bezahlt und damit ihre Steuergrundlage in Italien minimiert habe. Im Raum stand laut WKSTA eine Summe von 50 bis 60 Millionen Euro, die es zu begleichen gegolten haben soll. Ein rechtskräftiger Steuerbescheid lag bei der Erstellung des Halbjahresfinanzberichts noch nicht vor. In der Folge musste Novomatic aber etwas mehr als 20 Millionen Euro Steuern in Italien nachzahlen.

„Kurz“ gar nicht „der“ Kurz?

Neben den Textnachrichten sorgt auch ein Kalendereintrag für Spekulationen: So hatte Novomatic-Eigentümer Johann Graf im Juli 2017 einen Termin mit „Kurz“ auf seiner Agenda. Bundeskanzleramt wie Blümel dementieren ein Treffen, auch Graf ließ über Anwalt Christopher Schrank ausrichten, dass er weder zu Bundeskanzler Kurz noch Blümel jemals Kontakt gehabt habe. Folglich könne Graf ein Treffen mit Kurz im Juli 2017 ausschließen. Laut Anwalt liegt eine Verwechslung vor: Es soll sich um eine Besprechung mit der damaligen Aufsichtsrätin Martina Kurz gehandelt haben. Sie ist Grafs Schwiegertochter, mit dem Kanzler ist sie nicht verwandt.

Novomatic-Vorwürfe: Blümel geht in Offensive

Nach der Hausdurchsuchung im Zuge der Causa Novomatic bei Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) reißt die Kritik an ihm nicht ab. Er geht am Freitag in die Offensive und sieht kein Fehlverhalten.

Dementi von Blümel

Laut Neumanns Anwalt Norbert Wess gegenüber der „Presse“ seien damals die Bemühungen, Kurz zu kontaktieren, aber „völlig im Sand verlaufen“. Und Blümel betonte, dass die Unterstellungen falsch seien: Die ÖVP habe unter ihm als Chef der Wiener Landespartei und unter Kurz als Parteichef nie Spenden von Glücksspielunternehmen, Waffenproduzenten und Tabakkonzernen angenommen.

Das lasse sich durch die öffentlich einsehbaren Spendenlisten der ÖVP beweisen, die auch vom Rechnungshof geprüft würden. Er legte eine eidesstattliche Erklärung vor, wonach es von der Novomatic weder Spendengelder an die ÖVP noch an ÖVP-nahe Vereine gegeben habe. Umgehungskonstruktionen – etwa über zwischengeschaltete Vereine – schloss Blümel für die Wiener ÖVP aus: „Ich kann das für meinen Bereich mit Sicherheit ausschließen.“ „Ich will und muss Verleumdungen entgegentreten“, sagte Blümel und kündigte Klagen gegen andere Behauptungen an.

Unklar ist bisher, ob das Finanzministerium oder das von Kurz geleitete Außenministerium im Jahr 2017 zugunsten der Novomatic tätig geworden sind. Er habe diesbezüglich im Finanzministerium nachforschen lassen und „bis dato nichts gefunden“, sagte Blümel. Vom Außenministerium wisse er diesbezüglich nichts.

Novomatic-Spekulation zu ÖVP-Finanzen

Laut „Standard“ stellten die Ermittler die Kommunikation zwischen Blümel und Neumann in ihrer Durchsuchungsanordnung in einen Zusammenhang mit der damaligen Neuaufstellung der ÖVP. Kurz hatte die Partei im Mai 2017 nach dem Rücktritt von Reinhold Mitterlehner übernommen. Die Koalition mit der SPÖ zerbrach, Neuwahlen wurden für den Herbst angesetzt.

Die Machtübernahme war zuvor von Kurz’ Umfeld geplant worden. Dazu existieren Dokumente, die unter dem Namen „Operation Ballhausplatz“ bekannt sind. Laut der Ermittlungsanordnung kam es „im Zuge des Projekts ÖVP neu“ im Frühjahr 2017 zu einem Treffen zwischen Kurz, Neumann und dem damaligen Novomatic-Sprecher Bernhard K.

Der Novomatic-Sprecher schrieb danach in Chats an Neumann, dass Kurz die „Finanzierung der Bundespartei“ offenbar „vergessen“ habe, dort sei es „ziemlich trist“. Zwei Wochen später soll sich Neumann dann intern dafür eingesetzt haben, dass offene Parteispenden zulässig seien. Im Juli 2017 schrieb der Novomatic-Sprecher seinem Chef, dass der ÖVP-Spender Stefan Pierer die Summe aller Kleinspenden an die Partei „verdoppeln“ wolle. „Wir haben noch etwas Besseres vor :))“, soll Neumann geantwortet haben. Neumann zog sich 2020 als Geschäftsführer von Novomatic zurück, aus familiären Gründen, wie es hieß.

Immer wieder in den Schlagzeilen

Es ist freilich nicht das erste Mal, dass der niederösterreichische Glücksspielkonzern in den Politschlagzeilen ist. Im Untersuchungsausschuss zur „Ibiza“- und Casinos-Affäre waren Geldflüsse aus der Novomatic in das Umfeld der ÖVP bzw. von deren Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka gleich mehrmals Thema. Dort verteidigte der Public-Affairs-Leiter der Novomatic, Stefan Krenn, die Strategie, Vereine zu sponsern und Zugang zu politischen Entscheidungsträgern zu bekommen, als völlig üblich in der Branche. Unlautere Methoden wie den Kauf von Gesetzen wies er aber von sich. Ein Zitat von Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache aus dem „Ibiza-Video“ aufnehmend sagte er: „Nein, Novomatic zahlt nicht alle. Aber sehr viele wollen die Unterstützung von Novomatic.“

Viel Geld für Niederösterreich

Für besonderes Aufsehen sorgte die Unterstützung für das Umfeld Sobotka: So übernahm die Novomatic Kosten für eine Veranstaltung des von Sobotka geführten niederösterreichischen ÖAAB, sponserte das von ihm dirigierte Kammerorchester Waidhofen an der Ybbs und inserierte in der Zeitschrift des Alois-Mock-Instituts. Präsident des Instituts ist ebenfalls Sobotka. Allein die Unterstützung des Mock-Instituts bezifferte die Novomatic intern mit 109.000 Euro.

Sobotka hatte wiederholt betont, dass das Alois-Mock-Institut ein „bürgerlicher Thinktank“ und kein parteinaher Verein sei. Zudem habe man die Kooperation mit der Novomatic stets auf der Website ausgewiesen. Von Anfang an sei es lediglich um eine Kooperationen gegangen. Der Glücksspielkonzern habe Interesse daran gehabt, weil das Alois-Mock-Institut „interessante Themen“ geboten habe.

Kontakte auch mit anderen Parteien

Für Aufsehen sorgte auch Sobotkas Aussage, wonach das Land Niederösterreich in die Vergabe von Novomatic-Geldern eingebunden ist: „Die Novomatic hat für das Land Niederösterreich, wo sie den Sitz hat, insgesamt eine sechsstellige Summe ausgesucht, und das Land Niederösterreich berät die Novomatic und sagt, macht es einmal mit dem und einmal mit dem“, gab Sobotka im Dezember auf Oe24.tv zu Protokoll.

Freilich beschränkt sich das Engagement des Konzerns nicht auf Niederösterreich und auch nicht auf die ÖVP. Ausgangspunkt der aktuellen Entwicklungen waren nach „Ibiza“ FPÖ-nahe Vereine wie das Institut für Sicherheitspolitik des damaligen Abgeordneten Markus Tschank, das Novomatic mit 200.000 Euro unterstützte. Und inseriert wurde auch in Zeitschriften der SPÖ. Zudem engagierte der Konzern gerne frühere Politiker als Berater wie Ex-SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer und Ex-Bundesgeschäftsführer Josef Kalina sowie als Mitarbeiter wie Ex-Grünen-Chefin Eva Glawischnig.

Teil der Casinos-Affäre

Die nunmehrigen Ermittlungen gegen Blümel sind auch ein Strang des Casinos-Verfahrens, dessen Ausgangspunkt die Bestellung von FPÖ-Mann Peter Sidlo zum Casinos-Finanzvorstand war. Dabei geht die WKStA der Frage nach, ob für Sidlos Bestellung Novomatic Glücksspiellizenzen in Aussicht gestellt wurden. Ermittelt wird dabei unter anderen auch gegen Ex-Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP), ÖBAG-Chef Schmid, Ex-FPÖ-Chef Strache und Ex-Novomatic-Chef Neumann, Ex-Finanzstaatssekretär Hubert Fuchs (FPÖ), Ex-FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus, auch der ehemalige Casinos-Aufsichtsratschef Walter Rothensteiner und sein Stellvertreter Josef Pröll sind unter den insgesamt elf Beschuldigten.