Mann mit Euromünzen in der Hand
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Neues Insolvenzrecht

Raschere Entschuldung im Fall der Pleite

Die Regierung hat eine Reform des Insolvenzrechts angekündigt. Die Entschuldungsdauer sinkt demnach auf drei Jahre, für Private gilt das aber nur für eine beschränkte Zeit. Zudem werden die Steuer- und Abgabenstundungen für Betriebe um drei Monate verlängert.

Die Bundesregierung kündigte an, im Rahmen der Coronavirus-Hilfen die Stundungen von Steuern und Abgaben (Sozialversicherungsbeiträge) bis 30. Juni zu verlängern. Auch wird die Möglichkeit geschaffen, diese pandemiebedingten Rückstände mit Ratenzahlungen zu begleichen, wenn die Stundungen enden – „über längere Zeit zu einem weitaus günstigeren Zinssatz“, teilte das Finanzministerium mit. „Wir sorgen dafür, dass die Unternehmen nicht in der ersten Erholungsphase nach dem Lockdown Steuern zurückzahlen müssen“, so Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP). „Mit dem neuen Ratenzahlungsmodell geben wir unseren Unternehmen spürbar mehr Zeit, um ihre Steuerrückstände zu zahlen“, so Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler.

Durch die nun angekündigte Reform des Insolvenzrechts sinkt die Entschuldungsdauer auf drei Jahre. Für Firmen soll das generell gelten, für Private nur für die nächsten fünf Jahre. Für Firmen ist auch ein neues, präventives Restrukturierungsverfahren geplant. Konkret soll es eine „zweite Chance für Unternehmen“ geben. Bei Gericht soll ein individueller Restrukturierungsplan mit Zustimmung der Gläubigermehrheit erzielt werden. So werde ein Interessenausgleich zwischen dem verschuldeten Unternehmer und seinen Gläubigern hergestellt.

Neustart vor Insolvenz

Anders als bei der Insolvenz müssen dabei nicht alle Gläubiger einbezogen werden. Zudem können die Verluste der Gläubiger verringert werden, so die Bundesregierung. Auch bei Nichtzustimmung einzelner Gläubiger können Forderungskürzungen und -stundungen vorgenommen werden. Der Unternehmer wird bei Bedarf von einem Restrukturierungsbeauftragten unterstützt oder kontrolliert.

Insolvenzrecht: Künftig schnellere Entschuldung

Wer als Unternehmen oder als Privatperson in die Zahlungsunfähigkeit rutscht, soll sich künftig schneller entschulden können. Bisher waren fünf Jahre vorgesehen, künftig sollen es drei Jahre sein.

„Mit dem neuen Gesetz tragen wir dazu bei, den finanziellen Engpass von Unternehmen frühzeitig zu erkennen und entsprechende Hilfsmaßnahmen einzuleiten“, so Blümel. Für Unternehmer soll ein rascher Neustart möglich sein, „rechtzeitig bevor eine Insolvenz unumgänglich wird“, sagte Kogler.

Experte sieht „große Fragezeichen“

„Bei dem neuen Restrukturierungsverfahren sind aber noch viele Details offen“, sagte Gläubigerschützer und Creditreform-Geschäftsführer Gerhard Weinhofer am Samstag im Gespräch mit der APA. Er hinterfragte, wie die Regierung das Unternehmensreorganisationsgesetz, das „totes Recht“ sei, tatsächlich zum Leben erwecken wolle. Vor allem gehe es darum, „ein Gleichgewicht der unterschiedlichen Gläubiger – öffentliche Hand, Banken und kleine Gläubiger – herzustellen“ und um die Frage, wie dies gelingen könne. „Hier gibt es große Fragezeichen.“

Grundsätzlich gebe es in Österreich schon lange eine zweite Chance, so Weinhofer, „weil das Insolvenzrecht auch ein Sanierungsrecht und sehr sanierungsfreundlich ist“. Gläubiger dürften in Zukunft doch etwas vorsichtiger agieren, weil die Gefahr bestehe, dass die verkürzte Entschuldungsdauer den Schuldnern weniger Zeit lasse, um eine vernünftige Quote anzubieten.

Beschränkung für Private als Kompromiss

Eine EU-Richtlinie schreibt vor, dass die Entschuldung für Unternehmer auf drei Jahre zu verkürzen ist. Die Richtlinie ist bis 17. Juli umzusetzen. Der Regierungsentwurf, dessen Begutachtung kommende Woche beginnen soll, enthält eine solche Regelung nun befristet auf fünf Jahre auch für Private. Das hatten die Grünen gefordert, die ÖVP hat sich dem Vernehmen nach eher gegen die Verkürzung für Private gewehrt. Die Befristung dürfte die Kompromisslösung sein.

Zur – vorübergehend – rascher möglichen Entschuldungsmöglichkeit für Private sagte Kogler, der derzeit die zuständige Justizministerin Alma Zadic (Grüne) vertritt, dass Betroffene schneller wieder eine Perspektive erlangen könnten. Geholfen werde auch Ein-Personen-Unternehmen. Denn dort ist es oft schwierig, zwischen unternehmerischen und persönlichen Schulden zu unterscheiden.

ÖGB für staatliche Beteiligungen

„Die raschere Entschuldung ist grundsätzlich sinnvoll – sowohl für Unternehmer als auch für Private, um sie möglichst schnell wieder in den Wirtschaftskreislauf zu integrieren“, sagte Weinhofer. „Vor allem bei Ein-Personen-Unternehmen ist das gerechtfertigt, weil dort persönliches und wirtschaftliches Risiko zusammenfallen.“ Die Befristung für Private sei „ein typisch österreichischer Kompromiss“, biete aber den Vorteil, dass man sich nun anschauen könne, ob die Regelung gut funktioniere, also tatsächlich zu einer Entschuldung führe oder zu etwaigem Missbrauch.

Der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) forderte am Samstag indes, dass die Republik zeitlich begrenzt Unternehmen – ob groß oder klein – mit staatlichen Beteiligungen hilft. Das könne in Form eines Fonds erfolgen, so ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian in Ö1 am Samstag. Die Dotierung ließ der ÖGB offen. Beteiligungen sollten in Form stiller Beteiligungen für sieben bis zehn Jahre erfolgen. In dieser Zeit müssten die Mitarbeiter gehalten und den Managern keine Boni ausbezahlt werden. Vorbild könne der Fonds „Stolz auf Wien“ sein, über den sich die Stadt Wien bisher an acht Unternehmen beteiligt hat.

NEOS skeptisch

NEOS betonte, dass man die Verlängerung der Steuerstundungen und eine Reform des Insolvenzrechts „seit Wochen“ gefordert habe, entsprechende Anträge aber im Nationalrat von den Regierungsparteien ÖVP und Grüne niedergestimmt worden seien. „Jetzt, wo die Regierung zunehmend unter Druck gerät, ist das aber auf einmal doch möglich“, so NEOS-Finanzsprecherin Karin Doppelbauer. Den Gesetzesentwurf zum Insolvenzrecht will NEOS „genau prüfen“, sobald er vor liegt. Vieles deute auf eine Minimalumsetzung der EU-Richtlinie hin.

Hocherfreut zeigte sich die grüne Wirtschaft. Denn gerade Finanz- und Sozialversicherungsschulden seien häufig Auslöser einer Insolvenz. Unternehmen müssten, bevor sie die gestundeten Beiträge abtragen können, die Chance erhalten, Umsätze zu machen, meinte Bundessprecherin Sabine Jungwirth.

Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer wiederum begrüßte in einer Aussendung, dass das „Damoklesschwert“ für viele Unternehmen mit der Verlängerung der Stundungen für Steuern und Abgaben bis Ende Juni „fürs Erste aus dem Weg geräumt“ sei. Eine „hilfreiche Maßnahme“ sei zudem, dass danach die Rückstände in Raten bezahlt werden können.