Playmobil-Figuren
Reuters/Ralph Orlowski
Playmobil

Plastikfiguren in der Lebenskrise

Ob Ponyhof, Skihütte oder Feuerwehrwache: Die detailverliebten Miniaturwelten der deutschen Spielzeugmarke Playmobil sind seit über 45 Jahren ganz oben auf den Wunschlisten von Kindern in Europa. So heiter wie der Gesichtsausdruck der beliebten Plastikfigur ist die Lage des Herstellers, der im fränkischen Zirndorf ansässigen geobra Brandstätter Stiftung & Co. KG, aber nicht. Der Umsatz ist rückläufig, bei der Entwicklungsstrategie hakt es, und immer wieder machen Berichte über ein fragwürdiges Betriebsklima die Runde.

Die Spielzeugbranche galt im CoV-Krisenjahr 2020 als Gewinner. Je mehr Lockdown, desto mehr Puzzles, Puppen und Bausteine wurden verkauft – und zwar in fast allen Ländern weltweit. Bei Playmobil kam der Branchenboom trotzdem nicht an. Im Gegenteil: Das Geschäft war – nach jahrzehntelangem Wachstum zum zweiten Mal in Folge rückläufig, wie der Konzern gegenüber der Plattform Nordbayern.de bestätigte. Weltweit hätte man mit der Marke Playmobil 2020 659 Millionen Euro Umsatz erzielt – damit liege man knapp unter dem Vorjahresniveau.

Einem Bericht des zur Spiegel-Gruppe gehörenden „Manager Magazins“ zufolge soll die Stiftungsvorsitzende Marianne Albert in einer internen Mitteilung zur Lage des Konzerns die Entwicklung als „nicht auf die Corona-Pandemie zurückzuführen“ bezeichnet haben – vielmehr sei man „beim Konsumenten derzeit weniger relevant“.

Playmobil-Figuren
Reuters/Ralph Orlowski
Über drei Milliarden Playmobil-Figuren sind auf der Welt, Lieblingsspielzeug von unzähligen Kindern in Europa und weit darüber hinaus

Vom Familienunternehmen zur Stiftung

Nach Jahrzehnten Erfolgsgeschichte hat die nach außen so heile Playmobil-Welt zu bröckeln begonnen – Medien von „Süddeutscher Zeitung“ bis „Welt“ verorten den Wendepunkt im Jahr 2015, als das Unternehmen nach dem Tod des alleinigen Inhabers Horst Brandstätter in eine Stiftung überging – geleitet von seiner ehemaligen Chefsekretärin Albert.

Brandstätter hatte das von seinem Urgroßvater gegründete und zuvor auf Metallwaren, später auf Großkunststoffartikel spezialisierte Familienunternehmen 1952 übernommen. Er setzte 1974 auf die kleinen Spielfiguren und avancierte damit in wenigen Jahren zum umsatzstärksten deutschen Spielzeughersteller. Den ersten Männchen – einem Ritter, einem Indianer und einem Bauarbeiter (inklusive Bierkisten und -flaschen) – folgte bald eine Vielzahl an Themenwelten mit umfangreichem Zubehör.

Unerschütterliche Treue zur Reduktion

Trotz der Ausweitung blieb Brandstätter seinem Erfolgskonzept über die Jahre unerschütterlich treu: Die Figuren veränderten sich nur marginal und blieben in ihrer Reduktion immer unverkennbar nahe am Original. Anders als etwa der dänische Konkurrent Lego verweigerte der Eigentümer stets auch Lizenzserien in Kooperation mit Filmen, Büchern oder Computerspielen.

In einem seiner raren Interviews kurz vor seinem Tod schilderte Brandstätter der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ den Gedanken dahinter: Neben den Gebühren („ich sehe nicht ein, wieso man den Star-Wars-Erfinder George Lucas reich machen sollte“) widersprächen solche Kooperationen der Grundidee seines Spielzeugs. Lizenzfiguren hätten definierte Charaktere, was die Fantasie im Spiel einschränke. Sie hätten zudem ein Ablaufdatum, weil Filme irgendwann auslaufen würden – „Playmobil soll aber nicht entsorgt werden, es wird vererbt.“

Das Unternehmen selbst wurde vor sechs Jahren allerdings nicht an die beiden Söhne Brandstätters übergeben, sondern ging stattdessen in ein Stiftungsmodell mit 1,5 Milliarden Euro Eigenkapital, geleitet von Albert, über.

Schwierige Ausrichtung in die Zukunft

Finanziell steht geobra Branstätter nach wie vor auf soliden Stiftungsbeinen. Beim Versuch, bei der Zielgruppe attraktiv zu bleiben und weiter zu wachsen, setzt Playmobil seit 2015 auch auf Lizenzprodukte: Figuren und Fahrzeuge kann man nun etwa aus den Filmen „Zurück in die Zukunft“ und „Ghostbusters“ kaufen, eine Kooperation mit Porsche spricht Autofans an.

Nach dem großen Erfolg einer Lego-Kinoproduktion ging man 2019 mit „Playmobil: Der Film“ ebenfalls den Schritt in die Kinosäle – musste aber teils herbe Kritik einstecken und blieb weit hinter den Erwartungen und Produktionskosten zurück. 2019 wurden erstmals auch Franchiserechte vergeben. Großer Beliebtheit erfreuen sich weiterhin die Playmobil-Funparks in Deutschland, bei Paris, in Athen und in Malta.

Wie das Kunststoffbranchenportal Plasticker.de berichtete, entwickelte sich das Vorjahresgeschäft international sehr unterschiedlich. Während beispielsweise in Deutschland, England und den USA Umsatzzuwächse erzielt wurden, musste das Unternehmen in Südeuropa zum Teil deutliche Verluste hinnehmen. Man plane jedenfalls weiter, viele neue Potenziale rund um die Marke zu erschließen, zitiert Plasticker.de den Unternehmenssprecher. "Dazu gehört auch, dass wir neue Zielgruppen im Bereich Kidults/Erwachsene erschließen. Ein Beispiel dafür ist die Kooperation mit VW“.

Berichte über „Klima der Angst“

Ganz unabhängig von der Geschäftsentwicklung scheint bei geobra Brandstätter schon seit der Übergabe der Haussegen schief zu hängen. Früh erschienen erste Berichte, wonach sich das Betriebsklima nach dem Tod Brandstätters extrem verschlechtert haben soll. Die „Süddeutsche Zeitung“ schrieb etwa – unter Berufung auf Mitarbeiter – von „einem Klima der Angst“, Einschüchterungsversuchen und „ständig drohenden Abmahnungen“. Mehr als einmal machten Konflikte mit der Gewerkschaft und dem Betriebsrat Schlagzeilen. Eine seltsam hohe Fluktuation in der Belegschaft nach der Firmenübergabe scheint ins Bild zu passen.

Im Sommer 2018 eskalierte die Situation, als Betriebsrätinnen und -räte mit einem Aushang im Playmobil-Werk Dietenhofen über Arbeitnehmerrechte bei Hitze informierten. Die Firma zog gegen die betreffenden Betriebsräte vor das Arbeitsgericht – sie hätten eigenmächtig zu zehnminütigen Arbeitspausen aufgerufen. Die Klage scheiterte – laut der Gewerkschaft IG Metall habe das Arbeitsgericht Nürnberg der Argumentation des Unternehmens nicht folgen können und klargestellt: Wer Betriebsräte ausschließen lassen möchte, muss dafür Beweise für grobe Pflichtverletzungen liefern. Und das sei im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Bereits seit mehreren Jahren verzeichne man „systematische Behinderungen“ bei geobra Brandstätter, so die IG Metall. Betriebsratsmitglieder und Beschäftigte beklagten Abmahnwellen. Das Problem bei Playmobil sei nicht der „Hitzestreit“ gewesen, sondern eine „kalte Unternehmensstrategie den Beschäftigten gegenüber“, sagte der Bezirksleiter der Gewerkschaft, Johann Horn. Laut aktuellen Berichten ist derzeit ein Streit mit dem Betriebsrat über Kameras zur Mitarbeiterüberwachung auf dem Betriebsgelände im Gange. Geobra Brandstätter dementiert und habe, so Nordbayern.de, nun juristische Schritte gegen das „Manager Magazin“ eingeleitet.