Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Verfassungsministerin Karoline Edstadler (ÖVP) beim Pressefoyer nach einer Sitzung des Ministerrates
APA/Hans Punz
Ministerrat

Einigung zu Glücksspiel und Justizreform

Der grüne Interimsjustizminister Werner Kogler hat am Mittwoch nach dem Ministerrat die Entflechtung der Glücksspielkompetenzen angekündigt. Außerdem werde eine unabhängige und weisungsfreie Bundesstaatsanwaltschaft auf den Weg gebracht. Kogler sprach von einer „Jahrhundertreform“.

Die Bundesregierung wird die angekündigte Entflechtung der Glücksspielkompetenzen umsetzen. Dazu sollen die entsprechenden Agenden aus dem Bereich des Finanzministeriums herausgelöst und in eine unabhängige und weisungsfreie Glücksspielbehörde übertragen werden. Die neue Behörde soll die Aufgaben der operativen Glücksspielaufsicht übernehmen. Deren Bestellverfahren ist aber noch offen, wie Kogler auf Nachfrage sagte.

Für die Lizenz- und Konzessionsverfahren wird ein richterlicher Konzessionssenat zuständig sein. Dabei sollen strenge Unvereinbarkeits-, Transparenz- und Compliance-Bestimmungen angewendet werden. Die Debatte über die Zuständigkeiten war zuletzt auch nach einer Hausdurchsuchung bei Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) losgebrochen. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) vermutet illegale Parteienfinanzierung durch den Glücksspielkonzern Novomatic, Blümel und die ÖVP weisen die Vorwürfe zurück.

Auch Blümel für Neuordnung

Blümel selbst erklärte in einem schriftlichen Statement gegenüber der APA am Mittwoch, die Mehrfachrolle des Finanzministeriums im Glücksspielbereich sei nicht mehr zeitgemäß, „darauf habe ich bereits vor einem Jahr hingewiesen, und auch im Regierungsprogramm ist eine entsprechende Neuordnung vorgesehen“. Bei der geplanten Entflechtung werde man sich an internationalen Vorzeigemodellen orientieren, die entsprechenden Vorarbeiten im Ressort liefen ebenfalls seit einem Jahr, so Blümel. „Zudem werden der Spielerschutz und der Kampf gegen illegales Glücksspiel forciert. Unser Ziel ist eine moderne, transparente und weisungsfreie Glücksspielbehörde.“

Statement von Vizekanzler Werner Kogler (Grüne)

Kogler bezeichnete die Neuerungen in der Justiz als „Jahrhundertreform“.

Kogler sagte nach dem Ministerrat, man werde damit die Berührungspunkte zwischen Glücksspiel und Politik „entflechten“. „Ich bin davon überzeugt, dass wir mit diesen Entscheidungen einen wichtigen Startschuss setzen, auch was Regulierung der Spielsucht, den Kampf gegen die Spielsucht betrifft – aber auch, was die Regulation von den ganzen Verflechtungen in diesem Bereich angeht.“ Auch beim Onlineglücksspiel sollen personalisierte Spielerkonten mit Geldlimits eingerichtet werden. Das Glücksspielpaket „ist ein großes“, sagte Kogler.

Positive Reaktionen von Novomatic und Casinos Austria

Der niederösterreichische Glücksspielkonzern Novomatic begrüßte den Schritt, „weil damit eine langjährige Forderung von Novomatic erfüllt wird und endlich eine unabhängige Glücksspielbehörde nach internationalen Standards gegründet werden soll“, wie Marketing- und Kommunikationschef Stefan Krenn sagte.

Das Thema Spielerschutz schreibe sich Novomatic ohnehin auf die Fahnen. Die teilstaatlichen Casinos Austria finden zumindest das vorgesehene verschärfte Vorgehen gegen illegales Glückspiel, besonders gegen illegales Onlineglücksspiel, gut. „Das ist eine langjährige Forderung von uns. Da ist großer Handlungsbedarf gegeben“, sagte Casinos-Sprecher Patrick Minar.

ORF-Analyse der Glücksspielnovelle

Die Leiterin der ORF-Wirtschaftsredaktion, Barbara Battisti, erklärt, ob das Glücksspiel durch die Novelle komplett vom Staat getrennt wird.

Kritik von FPÖ und NEOS

Die FPÖ ließ am Mittwoch kein gutes Haar an den Regierungsplänen. „Völlig übersehen hat man bei der Entwicklung dieses seichten Spins, dass folgerichtig auch das staatliche Glücksspielmonopol über Bord geworfen werden müsste. Denn die sogenannte Entflechtung von Politik und Glücksspiel ist sonst wohl kaum argumentierbar“, so FPÖ-Obmann Norbert Hofer. „Das ist ein wenig intelligenter Schnellschuss und hat wohl einzig und alleine das Ziel, den Finanzminister und den Bundeskanzler in der Causa Novomatic auf sicheres Terrain zu führen.“

Für NEOS ist es wichtig, „dass die Reformen nicht nur zur ÖVP-Verteidigungsstrategie für Gernot Blümel verkommen“, sagte Wirtschaftssprecher Sepp Schellhorn und forderte, dass ÖBAG-Chef Thomas Schmid abberufen werden solle. Die Entflechtung von Glücksspiel und Politik sei mehr als überfällig. Aus Sicht von NEOS-Budget- und -Finanzsprecherin Karin Doppelbauer muss Blümel seinen Sessel räumen, bis sich die Vorwürfe gegen ihn klären.

Bundesstaatsanwalt noch ohne Details

Außerdem gab Kogler bekannt, dass der von der Bundesregierung bereits verkündete Plan, eine unabhängige und weisungsfreie Bundesstaatsanwaltschaft einzurichten, im Ministerrat formal festgeschrieben worden sei. „Eine unabhängige Justiz ist ein Garant für Demokratie und Rechtsstaat.“ Daher gelte es jeden Anschein zu vermeiden, politische Einflussnahme auf die Justiz nehmen zu wollen, sagte Kogler.

Konkrete Details fehlen aber noch und sollen erst erarbeitet werden. Zur Ausarbeitung der geplanten Bundesstaatsanwaltschaft sollen „die relevanten Stakeholder eingebunden werden“, sagte Kogler. Zu klären seien etwa das Bestellverfahren, die Amtsdauer und die Frage der Organisationsstruktur. Die Ernennung solle jedenfalls am Schluss formal der Bundespräsident durchführen – „die Verfahren dorthin sind noch offen“. Der Fahrplan und die Route stünden fest: „Wir werden mit dem heutigen Tag eine Jahrhundertreform beginnen.“ Einen Zeitpunkt für die Umsetzung nannte der Vizekanzler auf Nachfrage nicht.

Ähnlich äußerste sich Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) nach dem Ministerrat: „Es ist wesentlich, das Vertrauen in die unabhängige Justiz zu stärken.“ Es gehe auch darum, die Beschuldigtenrechte des Einzelnen zu wahren und zu stärken sowie negative wirtschaftliche Folgen eines Ermittlungsverfahrens hintanzuhalten. Eingebunden werden sollen bei der Erarbeitung der Gesetzesnovelle die Standesvertretungen der Staatsanwälte, der Richter und der Rechtsanwälte sowie Experten. Auch alle Parlamentsparteien will die Regierung an Bord holen.

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) nach dem Ministerrat

Edtstadler erwartete einen „Paradigmenwechsel“ durch das Gesetzespaket.

„Kurier“: ÖVP will Aktenleaks unter Strafe stellen

Der „Kurier“ (Mittwoch-Ausgabe) hatte zuvor berichtet, dass die ÖVP im Rahmen der Justizreform auch Zitate aus Aktenleaks unter Strafe stellen möchte. Bei den Ermittlungen zur „Ibiza“- und Glücksspielaffäre hat die WKStA auch frühere und aktive ÖVP-Politiker ins Visier genommen. Die Ermittlungen stützen sich unter anderem auf die Auswertung von Handynachrichten – etwa beim ÖVP-nahen Chef der Staatsholding ÖBAG, Thomas Schmid, und bei Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache – die teils auch in Medien veröffentlicht wurden.

Dem Bericht zufolge will die ÖVP nun ein Verbot der „überschießenden Auswertung von privater und geschäftlicher Kommunikation“ durch die Staatsanwaltschaft erreichen. Als Beispiel genannt wird, dass bei Ex-Novomatic-Chef Harald Neumann Gehaltspläne gefunden und in weiterer Folge an den Untersuchungsausschuss übermittelt worden seien. Außerdem soll es ein Verbot der Veröffentlichung von Ermittlungsakten nach deutschem Vorbild geben. Damit könnten Medien bestraft werden, wenn sie direkt aus Ermittlungsakten zitieren.

Es müsse im Sinn eines fairen Verfahrens Ziel einer unabhängigen Justiz sein, dass bei einem nicht öffentlichen Ermittlungsverfahren alles getan werden müsse, Leaks in den Medien zu vermeiden, sagte Edtstadler. Kogler äußerte sich auf Nachfrage zu diesem Punkt zurückhaltend: Es gehe um die Abwägung der Beschuldigtenrechte und der Aufrechterhaltung der Pressefreiheit.

Kogler über Kurz-Brief: „Sein Recht“

Nicht wirklich beantwortet wurde von Kogler die Frage, was er vom Brief von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) an die WKStA hält. Kurz hatte im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen Blümel seine Zeugenaussage angeboten und dabei auch von „fehlerhaften Fakten“ geschrieben. „Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt genau so, wie sie es für richtig hält“, sagte Kogler. Kurz habe sich als Zeuge angeboten, das sei „sein Recht“.

Zweitens habe Kurz „Begründungen mitgeliefert“, bei denen „zumindest in einem Punkt“ ein „offenkundiger Disput“ mit der Staatsanwaltschaft und auch der zuständigen Sektion im Justizministerium vorliege, erinnerte Kogler an die Klarstellung des Ressorts, dass der vieldiskutierte Kalendereintrag „Kurz“ nicht ausschlaggebend für die Hausdurchsuchung beim Finanzminister war. Die Staatsanwälte würden den Vorwurf der „fehlerhaften Fakten“ wohl „entschieden zurückweisen“, so Kogler. Das Ermittlungsverfahren solle so schnell wie möglich fertig sein, und er sei sehr zuversichtlich, dass dies gelinge.

Deutlicher wurde am Nachmittag die grüne Klubobfrau: „Bereits jetzt gibt es ein Verbot der Veröffentlichung besonders grundrechtssensibler Überwachungsergebnisse“, so Maurer in einer schriftlichen Stellungnahme. Die gesetzliche Regelung dazu „ist aus Sicht der Grünen ausreichend“ und stelle sicher, dass Pressefreiheit und die Einhaltung der Beschuldigtenrechte gewahrt seien. „Einschränkungen der Pressefreiheit waren und sind nicht Gegenstand der Verhandlungen.“

Rechtsanwälte und Journalisten empört

Kritik gab es am Mittwoch von Rechtsanwältinnen, Rechtsanwälten und der Journalistengewerkschaft. Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) sprach sich entschieden gegen eine Einschränkung der Medienfreiheit und der Verteidigungsrechte in Österreich aus, wie es am Mittwoch in einer Aussendung hieß. „Die Freiheit der medialen Berichterstattung und die Verteidigungsrechte der Bürger sind ganz wesentliche Elemente unseres demokratischen Rechtsstaates“, unterstrich Rechtsanwälte-Präsident Rupert Wolff: „Eine Einschränkung dieser Rechte durch Einführung eines Veröffentlichungsverbotes halte ich nicht nur für unnötig, sondern auch für einen bedenklichen Rückschritt in unserer rechtsstaatlichen Entwicklung.“ Die bestehende Regelung habe sich in der Praxis bewährt.

„Journalisten bestrafen zu wollen, wenn sie aus Akten in Ermittlungsverfahren zitieren, stellt einen inakzeptablen Angriff auf die Pressefreiheit und damit unsere Demokratie dar“, kritisiert der Bundesvorsitzende der Journalistengewerkschaft in der GPA, Eike-Clemens Kullmann, in einer Aussendung. Auch sei das Timing derartiger Gesetzespläne brisant. „Will die Regierungspartei ÖVP ausgerechnet dann die Veröffentlichung von Zitaten aus Ermittlungsakten verbieten, wenn gegen den Finanzminister aus ihren Reihen ermittelt wird? Das wäre eine ungeheuerliche Anlassgesetzgebung“, so Kullmann.

SPÖ und NEOS: Angriff auf Pressefreiheit

Scharfe Kritik an den Plänen kam von SPÖ und NEOS: Das sei keine Justizreform, sondern ein „Blümel-Schutzprogramm“, kritisierte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch. Er hält das ÖVP-Vorgehen für „brandgefährlich und demokratiegefährdend“ sowie für einen Angriff auf die Pressefreiheit. Auch NEOS lehnt einen „Medienmaulkorb“ ab: „Medien sind die Vierte Gewalt im Land. Ihre Arbeit darf keinesfalls behindert, eingeschränkt oder unter Strafe gestellt werden – schon gar nicht durch die Politik“, so Justizsprecher Johannes Margreiter und Mediensprecherin Henrike Brandstötter.

Edtstadler: „Paradigmenwechsel“ bei Amtsgeheimnis

Edtstadler wies darauf hin, am Montag das Gesetzespaket zur Abschaffung des Amtsgeheimnisses in Begutachtung geschickt zu haben. Dabei handle es sich um einen „echten Paradigmenwechsel“. Auch das habe mit der Stärkung des Vertrauens in die Justiz zu tun. „Der Staat hat nichts zu verbergen“, sagte Edtstadler. Vorgesehen sei jedenfalls eine Übergangsfrist von 18 Monaten. Edtstadler plädierte für eine breite Mehrheit für das Gesetzespaket, denn dabei gehe es ja um eine Verfassungsänderung.

Angesprochen wurde im Ministerrat laut Edtstadler auch der Aufbau- und Resilienzplan, wo es jetzt darum gehe, wie die für Österreich bestimmten rund drei Milliarden Euro aus dem 750 Mrd. Euro schweren Aufbaufonds der EU verwendet werden sollen. Es gebe dazu eine Broschüre und laufend Gespräche. Inhaltlich steht noch nicht viel fest. Nur so viel: ​Bis zum 30. April sollen die Pläne der EU vorgelegt werden.