Kind macht einen Gurgeltest
APA/Georg Hochmuth
Gurgelstudie

CoV-Varianten in der Schule auf der Spur

Am Montag geht die PCR-Gurgelstudie in Österreichs Schulen in die nächste Runde. Ein Fokus liegt auf der Verbreitung von CoV-Varianten bei Kindern und Jugendlichen. Die Beobachtung des Infektionsgeschehens bei den Jungen werde auch in Zukunft relevant sein, sagte der Mikrobiologe Michael Wagner: Für unter 16-Jährige ist zurzeit keine Impfung in Sicht – sie könnten Reservoir für neue Virusmutanten werden, die den Impfschutz bei Erwachsenen zu umgehen vermögen.

Über 10.000 Kinder und Jugendliche sowie Lehrkräfte nehmen in den nächsten drei Wochen an der dritten Runde der PCR-Gurgelstudie teil. Durchgeführt wird sie von Fachleuten der Medizinischen Universitäten Graz und Innsbruck, der Universität Linz und der Universität Wien. Am Ablauf ändert sich wenig. Die Fragestellungen seien aber verglichen zu den Durchgängen im Herbst andere, sagte Studienkoordinator Wagner gegenüber ORF.at. Aufschlüsse wird es etwa über die Treffsicherheit der „Nasenbohrertests“ geben. Seit der Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts Anfang Februar führen Kinder und Jugendliche wöchentlich einen Coronavirus-Schnelltest pro Woche durch, an Volksschulen sogar zwei.

„Es wird kein Kind gurgeln, das keinen negativen Antigen-Test hat“, sagte Wagner. Die Gurgeltests werden mittels PCR ausgewertet, einer genaueren Analysemethode, mit deren Hilfe sich auch geringere Viruskonzentrationen im Rachenraum nachweisen lassen. „Alle Infizierten, die wir finden, hatten entweder am selben Tag oder Tag davor einen negativen Antigen-Test. Das gibt uns einen relativ guten Überblick, wie gut diese Tests funktionieren“, so der Mikrobiologe der Universität Wien.

„Unsichtbare“ Virusvarianten

Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf den Virusvarianten. Jede positive Probe wird sequenziert. In diesem Bereich arbeitet man mit dem Genetiker Andreas Bergthaler vom Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) zusammen.

Das Augenmerk liegt einerseits auf den in Österreich zirkulierenden Virusvarianten B.1.1.7 (erstmals in Großbritannien entdeckt) und B.1.351 (Erstnachweis in Südafrika). In Wien und Niederösterreich lag der B.1.1.7-Anteil bei den positiven PCR-Tests in der Vorwoche bei über 50 Prozent, im Burgenland waren es über 70 Prozent. „Es wird spannend zu sehen, ob sich die Virusvarianten bei Kindern und Jugendlichen in dem Ausmaß wie bei den Erwachsenen abbilden“, sagte Wagner.

Andererseits fahnden die Fachleute nach bisher nicht entdeckten Virusvarianten, die Schnelltests austricksen könnten. Hintergrund: Die massenhaft durchgeführten Tests setzen das Virus unter Selektionsdruck – schafft es eine Variante, sich für sie unsichtbar zu machen, wäre ein evolutionärer Vorteil gegeben. Von den positiven Proben in den Schulen wird das gesamte Virusgenom sequenziert. Dadurch lässt sich genau feststellen, welche Varianten wo Mutationen aufweisen.

Studie international viel beachtet

Die internationale Wissenschaftsgemeinschaft blickt ebenfalls gespannt auf die Ergebnisse. Zur Verbreitung von SARS-CoV-2 unter Kindern und Jugendlichen gibt es deutlich weniger Studien als zu Erwachsenen. Die zweite Runde der Schulgurgeltests im November zeigte, dass sich die Verbreitung des Coronavirus unter Schülerinnen und Schülern und Lehrkräften in einer ähnlichen Größenordnung wie in der Gesamtbevölkerung bewegte.

Kinder in einer Volksschule
Reuters/Leonhard Foeger
Auch die internationale Wissenschaftsgemeinschaft blickt gespannt auf die Gurgelstudie in den Schulen

Ob das dieses Mal auch so sein wird, lässt sich laut Wagner nur schwer abschätzen. Auf der einen Seite stehen die in den Schulen getroffenen Schutzmaßnahmen. Für ältere Schülerinnen und Schüler besteht Maskenpflicht, der Unterricht findet gestaffelt statt, die „Nasenbohrertests“ sollten doch etliche der hochinfektiösen Personen herausfiltern. Hinzu kommt die Saisonalität. „Wir kommen in eine Jahreszeit, in der es Coronaviren schwerer haben“, sagte Wagner. Auf der anderen Seite stehen die ansteckenderen Virusvarianten. Hier gebe es erste Hinweise, die nahelegen, dass Kinder sogar überproportional von ihnen betroffen sein könnten.

Neues erhoffen sich die Fachleute auch zur Frage, was die Infektiosität von Kindern und Jugendlichen betrifft. Schwere Verläufe von Covid-19 können bei den Jüngeren und Jüngsten vorkommen, sind aber wesentlich seltener. Eine CoV-Infektion verläuft bei Kindern und Jugendlichen meist sehr mild oder asymptomatisch. Allerdings tragen sie Studien zufolge eine ähnlich hohe Viruslast im Nasen- und Rachenbereich wie Erwachsene. Anhand des im Rahmen der PCR erhobenen Ct-Wertes lasse sich die Viruslast abschätzen, so Wagner, „und der korreliert – nicht perfekt, aber doch sehr gut – mit der Infektiosität“.

Ministerium verschob dritte Runde

Die in den Schulen eingesetzten Antigen-Schnelltests sieht Wagner prinzipiell positiv, „aber ohne begleitende Studie liefern sie sehr wenig Anhaltspunkte, wie das Infektionsgeschehen wirklich ist. Man zieht ein paar Infektiöse raus, was immer gut ist, und man bekommt einen groben Überblick über die Infektionsdynamik, aber alles andere bleibt eigentlich relativ im Dunkeln.“

Die dritte Runde der Gurgelstudie hätte ursprünglich bereits mit der Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts am 8. Februar beginnen sollen. Das Bildungsministerium verschob den Start jedoch auf 8. März. Begründet wurde das mit der Umstellung auf den Schichtbetrieb an den Schulen. Nach Kritik von Fachleuten wird die Studie nun zumindest eine Woche früher als geplant fortgesetzt. Die Vorbereitungen für den vierten Durchgang laufen laut Wagner bereits. Die Studie soll vorläufig bis zu den Sommerferien weitergehen, sofern nicht ein neuer Lockdown dazwischenkommt.

Jüngere als Rückzugsraum für Viren

Auch oder gerade nach dem Sommer werde es wichtig, die CoV-Verbreitung unter Kindern und Jugendlichen im Blick zu behalten, sagte der Mikrobiologe. Während die Impfkampagne für Erwachsene voranschreitet, ist für unter 16-Jährige derzeit kein Vakzin in Sicht. Für die Zukunft würde das bedeuten, dass das Virus die jüngeren Bevölkerungsgruppen als Rückzugsraum nutzen könnte. In Österreich leben rund 1,3 Mio. unter 16-Jährige.

Man müsse sehr genau screenen, welche Varianten in diesem Reservoir zirkulieren. Schlimmstenfalls könnte sich bei Kindern und Jugendlichen eine Virusmutante verbreiten, die den Impfschutz auch bei Erwachsenen umgehen kann. „Da nicht hinzuschauen wäre grob fahrlässig“, sagte Wagner.