Impfpass und E-Card
ORF.at
„Grüner Pass“

Datenschützer mit großen Bedenken

Die Einführung eines europaweit gültigen Impfausweises, um Urlaubsreisen zu ermöglichen, scheint näher zu rücken. In Österreich ist die Regierung dabei, einen digitalen „Grünen Pass“ für Genesene, Geimpfte und Getestete, der als Eintrittskarte für Lokale, Veranstaltungen und Dienstleistungen dienen soll, zu erarbeiten. Pläne des Gesundheitsministeriums stoßen aber auf heftigen Widerstand, Kritik und Bedenken.

Wie „Standard“ und „Krone“ am Freitag berichteten, sollen die Daten aus dem elektronischen Impfpass im Gesundheitsakt ELGA über das Epidemiologische Meldesystem (EMS) des Gesundheitsministeriums ins Bundesrechenzentrum (BRZ), für das wiederum das Wirtschaftsministerium zuständig ist, gespiegelt werden. Dabei sollen die Daten über CoV-Impfungen und überstandene Infektionen aus ELGA täglich ins EMS übermittelt werden, von dort sollen diese Daten und die Daten über erfolgte CoV-Tests gar stündlich ins Bundesrechenzentrum übertragen werden.

Facebook-Kritiker Max Schrems zeigte sich in einer ersten Reaktion abwartend. „Wenn es technisch ordentlich gemacht ist, spricht nichts dagegen, rechtlich jedenfalls zulässig.“ Der Jurist sagte, solche Systeme müssten sicherstellen, dass die Gesundheitsdaten nicht hackbar seien oder nicht als „Überwachungsdatenbank“ für andere Zwecke genutzt würden. Die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sehe die Verwendung von Gesundheitsdaten zur Pandemiebekämpfung vor. Auch gelte es abzuwägen, dass geimpfte Personen ihre Grundrechte wahrnehmen könnten.

Frage der Ausgestaltung

Der Datenschutzexperte der Grundrechtsplattform epicenter.works, Thomas Lohninger, sagte hingegen in einer ORF-III-Diskussion am Donnerstagabend, es sei noch vieles unklar. „Wenn das ein Ausdruck einer ärztlichen Bestätigung ist, haben wir kein Problem damit. Wenn das wirklich eine App ist, die als Zutrittskontrolle für Kino und Restaurants oder dafür, das Land zu verlassen, verwendet wird, dann wäre das ein Datenschutz-Super-GAU.“

„Nordkorea und China würden sich das nicht trauen“, sagte ARGE-Daten-Obmann Hans Zeger. Auf den Einwand, dass Peking im Kampf gegen die CoV-Pandemie strikte digitale Zutrittsbarrieren ohne Datenschutz für seine Bürger einführte, antwortete der ARGE-Daten-Obmann, China würde im Gegensatz zur EU auch nicht behaupten, sich an Grundrechte zu halten.

ARGE Daten mit grundrechtlichen Einwänden

Zeger macht vor allem grundrechtliche Einwände gegen das EU-Projekt geltend. Es gebe kein Grundrecht auf Gesundheit, wohl aber auf Meinungs- und Reisefreiheit und darauf, dass der Staat die Bürger nicht schädige, sagte er der APA. Während der Staat Einschränkungen für Bürger, die andere gefährden, vornehmen dürfe, fände durch den EU-Impfpass eine Umkehrung statt, dass nur noch Gesunde Zutritt hätten. So stelle sich etwa die Frage, ob Kinder, die nicht geimpft werden, in Zukunft noch reisen dürften.

Zeger warnte auch davor, dass nach dem Beispiel CoV weitere Einschränkungen auch bei anderen Krankheiten folgen könnten. „Dann haben wir eine Zweiklassengesellschaft.“ Auch sieht der ARGE-Daten-Obmann im Gegensatz zu Schrems doch die Gefahr, dass die großen Internetkonzerne eigene Tracing-Systeme entwickeln, bei denen „die Nationalstaaten nur noch Trittbrettfahrer“ wären. Dem gelte es jetzt vorzubeugen: durch ein Verbot der Verwendung gesundheitsbezogener Daten durch private, nicht medizinische Einrichtungen.

Kritik von SPÖ und NEOS

Kritik kam nicht nur von Datenschützern, sondern auch aus der Politik. Für Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) sind die derzeit angedachten Pläne „inakzeptabel“. Während bei ELGA für die Bürger nachvollziehbar sei, wer auf ihre Daten zugreife, sei das im Falle des BRZ unklar. Ähnlich NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker: „Die Regierung saugt die Daten aus dem sicheren System ab, kopiert sie und spielt sie in ein weniger sicheres System ein. Von Digitalisierung haben (Bundeskanzler Sebastian, ÖVP, Anm.) Kurz und (Gesundheitsminister Rudolf, Grüne, Anm.) Anschober keine Ahnung.“

Kritik an den Koalitionsplänen kam auch von der ELGA GmbH selbst und den Sozialversicherungen. Hacker forderte deshalb eine Gesprächsrunde aus Bundesregierung, Ländern und Kassen, um das Ganze „neu aufzusetzen“.

Rechtliches zum Impfpass

Der Impfplan der Regierung verzögert sich. Aber schon jetzt wird darüber nachgedacht, ob geimpfte Personen mehr Freiheiten bekommen sollen als ungeimpfte Menschen. Ein „Grüner Pass“ soll dann als Eintrittsausweis für Veranstaltungen, Festival, Restaurants und mehr dienen.

Anschober kündigt Gespräche an

„Wer mich kennt, weiß, dass ich auf Kritik und Fragen eingehe. Wir sehen uns das an und nehmen die Kritik ernst“, sagte Anschober am Rande einer Pressekonferenz am Freitag. Er kündigte Gespräche mit den Kritikern an. Die technische Umsetzung sei aber nur eine Frage, man müsse auch gesellschaftlich darüber diskutieren, wie man mit der Frage von Impfungen umgehe.

Der „Grüne Pass“ sei erst dann ein Thema, „wenn wir bei einer breiten Durchimpfung von 50, 60 oder 70 Prozent sind, derzeit haben wir eine Impfrate von 4,5 Prozent“. „Wenn wir eine breite Impfweite erreicht haben, müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie wir mit Menschen umgehen, die nicht geimpft sind“, so Anschober.

Bei ELGA-Abmeldung kein Gratistest aus Apotheke

Für Aufregung sorgte am Freitag auch die Regelung, dass die Gratisselbsttests, die ab nächster Woche in den Apotheken abgegeben werden, jene rund 300.000 Menschen, die die Option gezogen haben, sich von ELGA abzumelden, ausschließt, wie die „Futurezone“ berichtete. SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher übte scharfe Kritik und sprach von einer „Bestrafung“ jener, die ein ihnen zustehendes Recht – die Abmeldung vom Elektronischen Gesundheitsakt – wahrgenommen hätten.

Auch Lohninger von epicenter.works kritisierte: „Es wurde immer gesagt, dass die ELGA-Daten sicher sind. Dieses Versprechen wurde gebrochen, weil es im EMS keine Einsicht der Betroffenen gibt, wer ihre Daten einschaut. Und es wurde immer gesagt, dass, wer sein Recht auf ELGA-Opt-out in Anspruch annimmt, keine Nachteile hat. Auch dieses Versprechen wurde gebrochen, weil diese 300.000 Menschen nun keine Gratistests in den Apotheken bekommen.“

Im Gesundheitsministerium wird das damit begründet, dass eine andere technische Umsetzung nicht möglich sei. Von Datenschutzfachleuten wird das aber angezweifelt. Man könne die Vergabe von Gratistests ja an die E-Card koppeln.