Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman.
APA/AFP/Bandar Al-Jaloud
Bericht zu Khashoggi-Mord

Keine US-Sanktionen gegen Saudi-Prinzen

Nach der Veröffentlichung des US-Berichts zur Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi hat US-Außenminister Anthony Blinken die Bedeutung der Beziehungen zu Saudi-Arabien betont. Die von den USA unternommenen Schritte zielten nicht auf einen Bruch mit dem Königreich ab, sagte Blinken am Freitag in Washington.

Die Beziehungen sollten vielmehr „neu kalibriert“ werden, „damit sie mehr im Einklang mit unseren Interessen und unseren Werten stehen“. In dem Bericht bringen die US-Geheimdienste Kronprinz Mohammed bin Salman in direkte Verbindung mit Khashoggis Ermordung. Die US-Regierung verzichtet jedoch auf Strafmaßnahmen gegen den Thronfolger. Die saudi-arabische Regierung hat die Vorwürfe zurückgewiesen.

Khashoggi war am 2. Oktober 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul von einem Spezialkommando aus Riad getötet worden. Von seinem Leichnam fehlt bis heute jede Spur. Khashoggi lebte im US-Bundesstaat Virginia und schrieb Kolumnen für die „Washington Post“, die oft Kritik an der saudischen Monarchie enthielten.

Der Journalist Jamal Khashoggi
AP/Hasan Jamali
Von Khashoggis Leiche fehlt bis heute jede Spur

Bericht räumt kaum Zweifel an Beteiligung des Prinzen ein

In dem Bericht heißt es, die US-Geheimdienste stützten ihre Einschätzung unter anderem darauf, dass der Kronprinz seit 2017 „die absolute Kontrolle über die Sicherheits- und Geheimdienstorganisationen des Königreichs“ habe. Es sei daher „hochgradig unwahrscheinlich“, dass Regierungsvertreter eine Operation dieser Art ohne Genehmigung des Kronprinzen ausgeführt hätten.

Für eine solche Genehmigung sprächen auch die direkte Beteiligung eines wichtigen Beraters des Kronprinzen an der Operation sowie dessen Unterstützung für gewaltsame Maßnahmen, um Dissidenten im Ausland zum Schweigen zu bringen.

Riad: Bericht „falsch und inakzeptabel“

Saudi-Arabien wies den US-Bericht als „falsch“ und „inakzeptabel“ zurück. Er enthalte „fehlerhafte Informationen und Schlussfolgerungen“ zur saudischen Führung, teilte das Außenministerium in Riad mit.

Das „schreckliche Verbrechen“ stelle einen eklatanten Verstoß gegen saudisches Recht dar, hieß es. Diejenigen, die es begangen hätten, seien verurteilt worden. Es sei bedauerlich, dass der US-Bericht veröffentlicht worden sei. Das Königreich lehne Maßnahmen ab, die seine Souveränität und die Unabhängigkeit seiner Justiz verletzten.

Sanktionen gegen 76 Saudis

Das US-Außenministerium verhängte nach der Veröffentlichung des Berichts Einreisebeschränkungen gegen 76 Bürger Saudi-Arabiens. Von ihnen werde angenommen, „dass sie an der Bedrohung von Dissidenten im Ausland“ wie Khashoggi beteiligt gewesen seien, so Blinken am Freitag. Das US-Finanzministerium setzte zugleich den früheren saudischen Vizegeheimdienstchef Ahmed al-Asiri und eine Eliteeinheit zum Schutz des Kronprinzen auf die Sanktionsliste.

Der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im US-Repräsentantenhaus, der Demokrat Adam Schiff, forderte auf dem Kurznachrichtendienst Twitter weitergehende Maßnahmen. „Die Biden-Regierung sollte sicherstellen, dass die Konsequenzen für den brutalen Mord an Khashoggi nicht nur diejenigen treffen, die ihn ausgeführt haben, sondern auch denjenigen, der ihn angeordnet hat“, schrieb er. „Der Kronprinz hat Blut an den Händen.“ Der Sender CNN berichtete unter Berufung auf Regierungskreise, Sanktionen gegen den Kronprinzen seien keine Option gewesen, weil sie US-Militärinteressen hätten gefährden können.

Bild einer Überwachungskamera zeigt Jamal Khashoggi
AP/Petros Giannakouris
Die letzte Aufnahme des Getöteten stammt von einer Überwachungskamera. Sie zeigt Khashoggi mit seiner Verlobten Hatice Cengiz am 2. Oktober 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul.

Reporter ohne Grenzen hofft auf weitere Konsequenzen

Die Organisation Reporter ohne Grenzen hofft auf eine konkrete Verfolgung der Verantwortlichen. „Der Bericht unterstreicht, wie wichtig eine unabhängige und rechtsstaatliche Aufklärung dieses unfassbar brutalen Mords ist. Die Verantwortlichen müssen bestraft werden“, sagte Geschäftsführer Christian Mihr am Samstag laut Mitteilung.

„Nun müssen unabhängige Gerichte für Gerechtigkeit sorgen und aufklären, wofür genau der (saudi-arabische, Anm.) Kronprinz Mohammed bin Salman verantwortlich ist“, sagte Mihr. „Wir dürfen zudem nicht vergessen, dass der Kronprinz und weitere hochrangige Vertreter des Königshauses auch für die systematische und weitreichende Verfolgung von Journalistinnen und Journalisten verantwortlich sind. Derzeit sind in Saudi-Arabien mindestens 33 Medienschaffende willkürlich inhaftiert.“

Biden telefonierte mit Salman

Der neue US-Präsident Joe Biden hatte am Donnerstag erstmals mit dem saudischen König Salman telefoniert. Das Weiße Haus teilte danach mit, Biden habe dem König gesagt, dass er daran arbeiten werde, „die bilateralen Beziehungen so stark und transparent wie möglich zu gestalten“. Der US-Präsident habe die Bedeutung bekräftigt, die die USA Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit beimessen. In der Mitteilung wurde Khashoggis Tötung nicht erwähnt.

Die Führung des islamisch-konservativen Königreichs war nach dem Verschwinden Khashoggis scharfer Kritik ausgesetzt. Sie räumte den Mord erst auf internationalen Druck hin ein. Die Spuren führten bis in das engste Umfeld des damaligen Kronprinzen Salman, der aber bestritt, die Tötung selbst angeordnet zu haben.

Eine Menschenrechtsexpertin der UNO war 2019 zu dem Schluss gekommen, dass es glaubwürdige Hinweise auf eine mögliche persönliche Verantwortung des Thronfolgers und anderer ranghoher Vertreter Saudi-Arabiens gebe. Die „Washington Post“ hatte wenige Wochen nach der Tat berichtet, der US-Geheimdienst sei mit hoher Sicherheit zu der Einschätzung gelangt, der Kronprinz habe die Tötung angeordnet.

Biden will Verhältnis zu Riad neu ausrichten

Bidens Vorgänger Donald Trump hatte mit Riad Waffengeschäfte in Milliardenhöhe abgeschlossen. Der Republikaner war mit einer eher laxen Haltung mit Blick auf die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien ein wichtiger Verbündeter des Kronprinzen. Washington verhängte im Zusammenhang mit dem Mord an dem Journalisten zwar Sanktionen gegen mehr als ein Dutzend ehemalige saudische Regierungsangestellte. Trump hielt aber an seiner Unterstützung für das Königshaus in Riad fest.

Die Regierung des Demokraten Biden hat deutlich gemacht, dass sie das Verhältnis zu Saudi-Arabien neu ausrichten werde. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, hatte am Donnerstag betont: „Unsere Regierung konzentriert sich darauf, die Beziehung neu zu kalibrieren.“ Biden hatte bereits im Wahlkampf einen härteren Kurs gegenüber Saudi-Arabien und ein Ende der US-Waffenverkäufe an das Königreich in Aussicht gestellt.

US-Medienberichten zufolge setzte die neue US-Regierung kurz nach ihrem Antritt im vergangenen Monat solche Verkäufe bis zu einer Überprüfung aus. In einer Abkehr von der Strategie Trumps hat Bidens Regierung außerdem erklärt, im Jemen keine Kampfhandlungen des von Saudi-Arabien geführten Bündnisses gegen die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen mehr unterstützen zu wollen.

Biden hatte dem Kronprinzen bereits im Wahlkampf vorgeworfen, die Tötung Khashoggis angeordnet zu haben. Riad werde dafür „einen Preis bezahlen“ und zum „Außenseiter“ werden, hatte Biden im November 2019 gesagt. Der Sprecher des Außenministeriums, Ned Price, verurteilte in den vergangenen Tagen die Tötung Khashoggis mehrfach als „entsetzliches Verbrechen“.

Prozess in der Türkei

Khashoggi pflegte lange enge Beziehungen zum saudischen Königshaus, fiel dann aber in Ungnade. 2017 ging er in die USA. Aus dem Exil äußerte er sich immer wieder kritisch zur saudischen Führung, vor allem in Kolumnen für die Zeitung „Washington Post“.

In der Türkei läuft derzeit ein Prozess um den Mord an Khashoggi. Ein saudisches Gericht hatte im Herbst fünf Angeklagte zu 20 Jahren Haft verurteilt und damit eine Ende vergangenen Jahres verhängte Todesstrafe gegen die fünf Männer aufgehoben. Zuvor hatte Khashoggis Familie erklärt, dass sie den Tätern vergebe.