Ausblick vom Pfänder auf den Bodensee und Lindau
ORF.at/Zita Klimek
Regionale Lockerungen?

Vorarlberg als Testgebiet im Gespräch

Wirtschaft, Kultur und Sport drängen auf Öffnungen, medizinische Fachleute warnen: Die Regierung entscheidet am Montag über mögliche CoV-Lockerungen. Eine heikle Entscheidung, schließlich steigen vielerorts die Infektionszahlen. Trotz des anderslautenden Tenors, wonach Öffnungen wohl zu riskant seien, gibt es entsprechende Überlegungen. Aus Regierungskreisen hieß es, dass eine regional unterschiedliche Vorgangsweise erwogen wird. Die FPÖ bestätigte das nach Gesprächen mit der Regierung.

Es könnte zu Lockerungen in Vorarlberg kommen, das angesichts der vergleichsweise niedrigen Inzidenzen dann zu einer Art Testgebiet werden würde. Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) sah die Voraussetzungen dafür gegeben.

Laut einem Bericht der „Vorarlberger Nachrichten“ („VN“) – der von seinem Büro auf APA-Anfrage grundsätzlich bestätigt wurde – warb Wallner am Wochenende sowohl bei Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) als auch bei Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) für Öffnungsschritte in Vorarlberg.

Regionaler Spielraum gefordert

Es brauche regionalen Spielraum, sagte Wallner, der Öffnungsschritte im Bereich der Gastronomie, der Kultur und des Sports machen möchte. Innerhalb von zwei, drei Wochen wäre das machbar, so der Landeshauptmann. Öffnungen wären aber nur mit Tests denkbar, dazu müssten laut Wallner auch die Selbsttests akzeptiert werden. Die Kapazitäten der Teststraßen würden nicht ausreichen, um die notwendige Anzahl an Tests zu bewältigen.

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) im Rahmen eines Treffens mit Expertinnen und Experten
APA/Helmut Fohringer
Regierung und Expertinnen und Experten bei den Beratungen am Montag

Weniger Freude in Niederösterreich

Nicht unerwartet löst das, was im Westen Gefallen findet, im Osten weniger Freude aus. Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) meinte bei einer Pressekonferenz am Montag: „Wenn man über Lockerungen oder vorsichtige Öffnungen nachdenkt, braucht es eine einheitlich bundesweite Strategie.“

Ähnlich sieht das ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann, in derselben Pressekonferenz auf regionale Öffnungen von Hochschulen angesprochen. Er würde „eher“ einheitliche Regeln bevorzugen, „weil sich das Infektionsgeschehen ja auch verändert, und dann ist einmal Kärnten dran, dann vielleicht das Burgenland“.

FPÖ bestätigt Bonus-Malus-System

FPÖ-Obmann Norbert Hofer berichtete nach der Besprechung der Opposition mit der Koalition, dass diese ein Bonus-Malus-System plane, was er als weitere Spaltung des Landes interpretierte. Lockerungen gibt es laut Hofer nach Regierungsangeben in Regionen mit niedriger Inzidenz, dafür aber Verschärfungen bei hohen Fallzahlen. Nach Meinung des FPÖ-Obmanns wäre es für Betriebe und Gastronomie nicht hinnehmbar, jederzeit wieder dem Risiko einer Schließung ausgesetzt zu sein, nur weil in der Gegend die Zahlen ein wenig stiegen. Ein genaues Datum sei auch nicht genannt worden, nur dass zunächst die Gastgärten öffnen werden.

Als weitere Neuigkeit präsentierte Hofer in seiner Aussendung, dass der „grüne Pass“ für jene, die geimpft sind oder eine Infektion überstanden haben, weiterverfolgt wird. Allerdings soll es künftig diese Freiheiten auch für all jene geben, die sich zweimal pro Woche testen lassen. Für den Obmann der Freiheitlichen ist das nicht mehr als eine Ausweitung der Testpflicht und ebenfalls abzulehnen.

Wirtschaftssprecher von SPÖ und NEOS für Regionalisierung

Für eine Regionalisierung sind hingegen die Wirtschaftssprecher von SPÖ, Christoph Matznetter, und NEOS, Sepp Schellhorn. Wenn man angesichts der Infektionszahlen „jetzt anfängt, auch regional unterschiedlich vorzugehen, ist das mit Sicherheit gescheiter, als immer nur über das ganze Land alles zu verhängen“, so Matznetter, der aber angesichts der Fallzahlen und Mutationen befürchtet „dass so rasch Lockerungen nicht möglich sein werden“.

Schellhorn sagte am Rande einer gemeinsamen Pressekonferenz der beiden Politiker, es wäre ja der Sinn der CoV-Ampel gewesen, eine Regionalisierung zu ermöglichen. „Wenn das jetzt mit Vorarlberg so durchgezogen wird, dann hätten wir uns einiges erspart.“

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner lehnte hingegen allfällige weitere Öffnungen als „hochgradig unverantwortlich“ ab. Sie verwies darauf, dass Neuinfektionen ebenso stiegen wie die Zahl der Intensivpatienten. Diese hochriskante Situation sei das Ergebnis der verfrühten Öffnungen der Bundesregierung: „Es ist jetzt keine Zeit für Experimente.“

Fachleute für regional angepasstes Vorgehen offen

Die Entscheidung, wie man weiter vorgeht, wird jedenfalls Montagabend nach dem bereits üblichen Gesprächsmarathon verkündet. Bereits am Vormittag traf die Regierung alleine eine Expertengruppe, der unter anderen die Virologin Dorothee von Laer, die Epidemiologin Eva Schernhammer und der Labordiagnostiker Oswald Wagner angehören. Danach werden per Video die Oppositionsparteien zugeschaltet. Schließlich wird mit den Landeshauptleuten konferiert, die zumindest zum Teil persönlich anreisen.

Aus der Regierung hieß es, dass sich auch die Expertinnen und Experten für ein regional angepasstes Vorgehen aussprächen. Freilich hatte zuletzt der allergrößte Teil der medizinischen Berater vor weiteren Lockerungen gewarnt. Die Ampelkommission hatte sogar die Rücknahme von Öffnungsschritten nahegelegt, wenn eine 7-Tage-Inzidenz von 200 auf 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner vorliegt.

Dem widersprach Mikl-Leitner am Montag: „Ich glaube, ein Tunnelblick alleine auf die Ansteckungszahlen gibt kein Gesamtbild. Um dieses zu bekommen, braucht es auch einen Blick auf unsere Krankenhäuser, und wir sehen, dass wir gerade in den letzten Monaten eine positive Entwicklung mit einem stabilen und niedrigen Niveau von Schwererkrankten haben.“

Mehr Infektionsgeschehen insbesondere im Osten

Dabei ist gerade Niederösterreich mit zuletzt 196,2 schon nah an der kritischen Grenze. Auch Wien, das in Zeiten des harten Lockdowns beständig unter 100 lag, nähert sich der 200er-Marke mit großen Schritten (aktuell 186,6). Warum gerade im Osten das Infektionsgeschehen so stark wächst, ist Gegenstand unterschiedlicher Überlegungen. Einerseits soll sich hier die infektiösere „britische“ Variante B.1.1.7 früher breitgemacht haben, andererseits haben gerade in Wien und Niederösterreich die Schulen eine Woche früher geöffnet, was ebenfalls einen größeren Effekt haben könnte.

TV-Hinweis

Eine ZIB Spezial mit der Pressekonferenz der Bundesregierung ist ab 17.00 Uhr in ORF2 zu sehen.

Unter 100 liegt die Marke nur in zwei Bundesländern, knapp in Tirol trotz der dort grassierenden, vermutlich eher ansteckenden Variante B.1.351, und deutlicher in Vorarlberg. Die am Sonntag vermerkten 72,8 pro 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner bedeuten freilich auch schon wieder einen Anstieg. Vor einigen Tagen lag der Wert in Vorarlberg noch nahe an der Wunschmarke von 50.

Druck gestiegen

Das Problem für die Regierung bleibt, dass der Druck bezüglich Öffnungen in den vergangenen Tagen gestiegen war. Mehrere Landeshauptleute, neben Mikl-Leitner etwa ihr oberösterreichischer Kollege Thomas Stelzer (ÖVP) und der Burgenländer Hans Peter Doskozil (SPÖ), wollten möglichst schon Mitte des Monats die Gastronomie offen sehen.

Dazu drängen Sportvereine darauf, Jugendliche wieder ins Training zu lassen, da diese ohnehin in der Schule getestet werden – das freilich mit den nicht sonderlich zuverlässigen „Nasenbohrertests“. Öffnen wollen auch die Kultureinrichtungen, und der Tourismus hat noch einen Hauch Hoffnung auf ein kleines Ostergeschäft.

Gastronomie gibt Hoffnung noch nicht auf

Auch die Wirte hoffen auf Lockerungen noch im März, idealerweise zur Monatsmitte. „Wir erwarten, dass ein konkreter Zeitpunkt genannt wird. Wieder ohne Datum zu vertagen wäre nicht akzeptabel“, sagte Gastronomieobmann Mario Pulker am Montag. Wirte, Hotels und weite Teile von Kultur und Sport sind seit 17 Wochen geschlossen.

Er sei „sehr gespannt“ auf die Ergebnisse der Beratungen, aber: „So ein unsicheres Gefühl habe ich noch nie gehabt“, meinte Pulker. „Ich bin ja kein Realitätsverweigerer.“ Er räumte ein, dass die Infektionszahlen steigen, führet das aber auf die vielen CoV-Tests zurück. So seien die Neuinfektionen zwar wieder über 2.000, die Zahl der Spitalsaufnahmen und die Auslastung der Intensivstationen aber weiter niedrig. Das Verhältnis sei also ein anderes als im Herbst, weil man mit den vielen Tests auch milde und asymptomatische Infektionen finde.

„Aufsperren und Zusperren tödlich“

Der Wirtevertreter sagte, der März sei ein guter Zeitpunkt zum Öffnen, da viele Saisonbetriebe ohnehin nicht mehr oder noch nicht aufsperren würden. Ebenso blieben viele Gaststätten, die von Touristinnen und Touristen abhängig sind, zu. Die Lockerung betreffe daher vorerst nur die Ganzjahresbetriebe.

Was keinesfalls gehe, wäre, eine Lockerung in Aussicht zu stellen, diese aber kurzfristig abzusagen. Wenn also eine Öffnung am 15. März erlaubt werde, müsse das Datum halten. „Aufsperren und Zusperren ist tödlich, da sind die Betriebe erst recht hin“, sagte Pulker. Für den Wareneinkauf bei den Großhändlern und für das Zurückholen der Mitarbeiter aus der Kurzarbeit oder vom AMS brauche man rund zehn Tage, so Pulker.