Maus-Spot 471: Sonnenblume. Die Maus bereitet ihren Liegestuhl vor.
WDR/Trickstudio Lutterbeck
Seit 50 Jahren

Eine Maus erklärt die Welt

Generationen sind mit ihr groß geworden: Am 7. März 1971 wurde die erste Folge der „Sendung mit der Maus“ ausgestrahlt. Zwischen Kindersendungen, die zigfach lauter und schneller geworden sind, begeistert sie noch genauso wie vor 50 Jahren. Wissenssendungen im Kinderprogramm boomen heute mehr denn je – die Maus legte als Wissensvermittlerin der ersten Stunde mit einer einfachen aber effektiven Formel den Grundstein dafür.

Wie kommen die Streifen in die Zahnpasta und die Löcher in den Käse? Wie werden Legosteine hergestellt und wie Kaugummi? Mit den „Sachgeschichten“ war die „Sendung mit der Maus“ die erste Kindersendung im deutschsprachigen Raum, die Wissenschaft vermittelte. Und in den „Lachgeschichten“ hatten zahlreiche Figuren, die später eigene Sendungen und sogar Kinofilme bekamen, ihre ersten Auftritte – „der kleine Eisbär“ und „Shaun das Schaf“ etwa.

In kurzen Spots zwischen „Sachgeschichten“ und „Lachgeschichten“ trippelt – „Tack, tack!“ – heute wie damals die orangefarbene Maus ins Bild und klimpert – „Klack, klack!“ – mit ihren großen Augen. Entworfen wurde die Figur 1970 von der Illustratorin Isolde Schmitt-Menzel. Seit 1975 gehört der blaue Elefant zur Maus, die gelbe Ente machte das Trio 1987 komplett.

„Die ‚Maus‘ biedert sich nicht an“

Der Name „Lach- und Sachgeschichten“, wie die Sendung ganz zu Beginn inhaltlich treffend hieß, sage schon das Wesentliche über das Erfolgsrezept der „Sendung mit der Maus“, so Petra Herczeg, Kommunikationswissenschaftlerin am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Uni Wien: „Elemente der Unterhaltung und Elemente der Information werden gut miteinander verknüpft“.

Die Maus zaubert den Elefanten aus dem Hut.
WDR/Trickstudio Lutterbeck
Im ORF lief „Die Sendung mit der Maus“ von 1973 bis 1993

Die Zuschauer und Zuschauerinnen bekämen das Gefühl, dass sie informiert und unterhalten werden, ohne dass es infantil wird – „denn das mögen Kinder nicht“, so Herczeg im Gespräch mit ORF.at. Die Maus biedere sich den Kindern nicht an, sondern mache ihnen ein Angebot: bunte, qualitative Vielfalt – „ein Angebot, das nicht marktschreierisch ist, sondern ehrlich und authentisch. Kinder haben das Gefühl, sie werden ernst genommen“.

Wesentlich für den Erfolg der Maus sei zudem, dass sie eine sehr etablierte Figur sei, der Vertrauen entgegengebracht werde. „Sie ist die Tradierung von etwas, das Generationen von Eltern und Kindern bereits kennen“, so Herczeg. „Dabei ist sie aber auch mit der Zeit gegangen und hat sich verändert.“

Die Maus bläst einen Ballon auf aus „Die Sendung mit der Maus“, 1972
WDR
Ein Archivbild aus einer Sendung von 1972: Die meisten Kinder sahen dieses Bild damals im Fernsehen in Schwarz-Weiß

Akribische Recherche

Dass sich die „Sendung mit der Maus“ verändert hat, wird an den „Sachgeschichten“ besonders deutlich. Deren Themen sind heute völlig andere als vor 50 Jahren, genauso wie die Welt eine völlig andere ist. Während in der ersten Folge gezeigt wurde, wie Löffel und Gabeln hergestellt werden, wird heute etwa erklärt wie in der Cloud Daten gespeichert werden. Die Herstellung unzähliger Produkte wurde über die Jahrzehnte in den „Sachgeschichten“ beschrieben – von der Semmel bis zum Passivhaus. Zudem gab es Schwerpunkte zu Themen wie Atomkraft, Kinderarmut und „Tut alt werden weh?“.

Armin Maiwald – Erfinder der „Sendung mit der Maus“
WDR/Hajo Hohl
Armin Maiwald und die Maus 1997

Improvisiert kommentiert werden die „Sachgeschichten“ von der markanten, freundlichen Stimme Armin Maiwalds, einem der Erfinder der „Sendung mit der Maus“ und Produzent zahlreicher „Sachgeschichten“. Auch vor der Kamera machte der heute 81-Jährige den Anfang als „Maus“-Moderator. Der Unterschied zwischen Sendungen von früher und heute liege vor allem „in der Geschwindigkeit und bei den Themen“, sagte Maiwald einmal in einem Interview mit der „Neuen Westfälischen Zeitung“.

„Die Sehgewohnheiten haben sich verändert, darauf mussten wir uns einstellen. Eines aber ist gleich geblieben: Wir recherchieren nach wie vor journalistisch sehr gewissenhaft.“ An der „Sachgeschichte“, was Vitamin C im Körper bewirkt, habe das Team etwa drei Jahre gebastelt. „Der Wissensdurst der Kinder ist nach wie vor groß. Wir bekommen immer noch viel Post.“ Gutes Kinderfernsehen müsse „genauso gut gemacht werden wie das für die erwachsenen Zuschauer“, ist Maiwald überzeugt: „Es muss die Kinder mitnehmen und sie faszinieren.“

Spaß und Spannung

Das ist auch der Anspruch der vielen Wissenssendungen, die es heute weltweit im Kinderprogramm gibt, und der nicht immer gelingt. „Wissenssendungen sind für Kinder wichtig, weil ihre natürliche Neugier befriedigt wird – durch Themen, die anders aufbereitet werden als in der Schule oder von den Eltern“, so Kommunikationswissenschaftlerin Herczeg.

„Man hat eine Art Lernraum mit Moderatoren und Moderatorinnen, die stellvertretend für die Kinder zum Beispiel Experimente machen. Sie sind Sympathiefiguren, mit denen sich die Kinder identifizieren können.“ Der Zusatzwert sei, dass man dabei etwas lernen kann. Im Grunde gehe es aber immer um Spaß – „Kinder wollen sich amüsieren“ – und Spannung – „Kinder lieben gute Geschichten“.

Maus-Spot: Schal. Die Maus versorgt Elefant und Ente mit ihrem großen Schal.
WDR/Trickstudio Lutterbeck
Soundeffekte und Musik bilden den Hintergrund für die kurzen Zeichentrickfilme um Maus, Elefant und Ente

„Klack, klack!“

Dass Spaß und Lernen keine Gegensätze sind, meinte auch Gert K. Müntefering, vor über 50 Jahren einer der Miterfinder der „Sendung mit der Maus“, mit dem vielzitierten Satz: „Kinderfernsehen ist, wenn Kinder fernsehen.“ Dass er betonen musste, dass Kinder – genauso wie Erwachsene – vom Fernsehen unterhalten werden wollen, ist freilich einer Zeit geschuldet, in der Fernsehen für Kinder, wenn überhaupt, als Verlängerung des Schulunterrichts gesehen wurde.

An Kritik musste die „Sendung mit der Maus“ in ihrer Anfangszeit so einiges einstecken: Pädagoginnen und Pädagogen war sie zu schnell geschnitten. Und die Kirche fand den Sendeplatz am Sonntagvormittag naturgemäß nicht förderlich. Doch die Maus blieb – und sie blieb sich treu. Mit dem „Tack, tack!" ihrer Schritte, das übrigens durch Klopfen auf eine Kokosnuss im Tonstudio erzeugt wird, und dem „Klack, klack!“ ihres Augenaufschlags, das von Kastagnetten stammt. Klingt komisch, ist aber so.