Illustration zum Thema Gastronomie im Lockdown
APA/Herbert Neubauer
Steigende Zahlen vs. Lockerungen

Schlüsselwochen bis Ostern

Der von der Regierung vorgestellte Plan für leichte Öffnungen etwa des Vereinssports für Kinder und Jugendliche im Freien und offener Schanigärten ab Ende März ist eine Gratwanderung. Die steigenden Infektionszahlen geben eigentlich keinen Grund zu lockern. Für Experten sind in der derzeitigen Situation Öffnungsszenarien „hochriskant“.

Doch die Disziplin bei der Einhaltung der strikten Lockdown-Regeln hat nach einem Jahr Pandemie merklich nachgelassen. Trotz Warnungen von Experten entschied sich die Regierung am Montag zu kleinen Öffnungsschritten. Ins Auge gefasst wird etwa, die Gastgärten – mit Test und Gästeregistrierung – am 27. März zu öffnen. Gastronomie in Innenräumen, Kultur und Hotellerie müssen sich noch bis April gedulden. Sie hatten wie viele Landeshauptleute auf eine Öffnung gedrängt.

„Ich konnte durchsetzen, dass es bis Ostern keine großen Öffnungen gibt“, sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) Montagabend in der ZIB2. In zwei Wochen solle evaluiert werden, ob die geplanten Lockerungen machbar sind. Geht es etwa nach Komplexitätsforscher Peter Klimek, sollte es vorerst keine Öffnungen geben. Der Anstieg der Zahlen sei nicht den vielen zuletzt durchgeführten Tests geschuldet. Man sehe Anzeichen einer noch versteckten dritten Welle durch die erstmals in Großbritannien nachgewiesene CoV-Mutation B.1.1.7.

Gesundheitsminister Anschober über neue Öffnungspläne

Die Regierung hat am Montag – keineswegs unumstritten – erste Lockerungen in Aussicht gestellt. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) war dazu Gast im ZIB2-Studio.

Infektionszahlen als Momentaufnahmen

Die Wochen bis Ostern sind angesichts der steigenden Zahlen und der geringen Durchimpfungsrate in der Bevölkerung heikel. Auch Anschober erwartet durch steigende Temperaturen und eine höhere Impfrate vor allem bei Älteren und Risikogruppen mehr Entspannung ab Ostern. Dann könne man auch mehr öffnen. Kanzler Sebstian Kurz (ÖVP) pochte erneut darauf, dass zunächst die Älteren und Risikogruppen geimpft werden sollten. Jede Impfung bringe Österreich „einen Schritt mehr in Richtung Normalität“. Im März sollen laut Kurz 30.000 Menschen pro Tag geimpft werden, im April über 45.000 pro Tag.

Für Klimek sind die Kriterien für aktuelle Öffnungsschritte schwer nachzuvollziehen. Noch vor wenigen Wochen sei eine 7-Tage-Inzidenz von um die 50 als Voraussetzung für Öffnungen angeführt worden, nun werde bei Inzidenzen von fast 200 über Lockerungen nachgedacht: „Anscheinend ist die Strategie, das Virus mit unvorhersehbaren Öffnungsschritten zu verwirren.“ Der Zuwachs der Zahlen werde sich fortsetzen. „Die Frage ist, wie schnell das geht“, so Klimek. Derzeit sei bei Öffnungsschritten eher „der Wunsch Vater des Gedankens und nicht die epidemiologische Entwicklung“.

Details für Testregion Vorarlberg offen

Klimek sieht den Plan der Regierung, in Vorarlberg als Pilotversuch bereits am 15. März etwa bei Gastronomie, Kultur und Sport vorzeitig zu öffnen, ambivalent. Zudem sind die Infektionszahlen Momentaufnahmen, die sich schnell ändern können, wie der rasche Anstieg der 7-Tage-Inzidenz etwa in Wien zeigt.

Der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) will in den nächsten Tagen die Details zu den für Mitte März geplanten Lockerungen vorlegen. In dem Bundesland soll in den Bereichen Sport, Kultur und Gastronomie auch im Inneren geöffnet werden. Es brauche daher ein System an Zutrittstests, so Wallner – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

Experte: Keine virologischen Argumente für Öffnung

Auch der Virologe Andreas Bergthaler steht Öffnungen skeptisch gegenüber. Aus seiner Sicht werde das Bild der Mutationen wöchentlich komplexer, schrieb er auf Twitter. Zudem sei die Impfrate für eine Entspannung der Lage noch zu gering. Es gebe daher keine virologischen Argumente für Öffnungen. Wenn diese durchgeführt werden, empfiehlt der Experte Begleitmaßnahmen wie eine noch bessere Test- und Isolationsstrategie und regional spezifische Maßnahmen auf Basis mehrerer Kriterien wie Inzidenz, Anstieg der Infektionen, Mutationen und Durchimpfungsrate.

Die Regierung plant, nach einem Bonus-Malus-System vorzugehen. Vorarlberg, das derzeit stabile Infektionszahlen aufweist, darf früher öffnen, wenn es in Sachen Zahlen so bleibt. In Bezirken mit besonders hoher Inzidenz soll es zusätzliche Schwerpunktkontrollen der Exekutive geben. Zudem werde derzeit an der Regelung für Ausreisetests wie in Tirol gearbeitet, sagte Anschober. Am Arbeitsplatz soll außerdem die FFP2-Pflicht ausgeweitet werden.

Der Gesundheitsminister verteidigte in der ZIB2 die regional unterschiedlichen Maßnahmen. Die Reproduktionszahl in Vorarlberg liege derzeit deutlich unter eins. Es sei nicht verantwortbar, dass Vorarlberg dasselbe defensive Programm fahre wie der Rest Österreichs.

Wagner: Lockern mit Ausbau von Tests

Während die Landeshauptmänner der SPÖ-geführten Länder für eine Öffnung eingetreten waren, wollte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner eher auf die Bremse steigen. Für sie sind die gestiegenen Neuinfektionen und die höhere Zahl der Intensivpatienten Ergebnis der verfrühten Öffnungen der Regierung.

Auch Experten und Expertinnen hatten sich zuvor gegen weitere Lockerungen ausgesprochen. Da die Bevölkerung aber weitere Lockdown-Maßnahmen nicht mehr mittrage, sei es sinnvoller, unter kontrollierten Bedingungen zu lockern – begleitet von einem starken Ausbau der Tests, argumentierte Oswald Wagner, Vizerektor der MedUni Wien bei der Pressekonferenz. Für Klaus Markstaller, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin (ÖGARI), sind die vorsichtigen Öffnungsschritte „sehr gut nachvollziehbar“. Ein Lockdown sei das letzte Mittel, das man anwende, und das sehr ungern – mehr dazu in wien.ORF.at.

Gastronomie und Hotellerie enttäuscht

In den vergangenen Tagen war aber der Druck auf die Regierung, weitere Öffnungsschritte zu setzen, gestiegen – von Landeshauptleuten wie von Branchenvertretern. Dass nun in allen Bundesländern außer in Vorarlberg erst Ende März die Schanigärten sowie die Hotellerie und Gastronomie in Innenräumen frühestens im April öffnen dürfen, sorgt nun für Unmut.

Es wäre mehr möglich gewesen, sagte etwa Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer und forderte einen Stufenplan für die Öffnung aller Branchen. Trotz der Lockerung in der Gastronomie in Vorarlberg und der Öffnung von Schanigärten ab Ende März in ganz Österreich gebe es für einen „Großteil unserer Betriebe dennoch Frustration und Enttäuschung, denn für sie bedeutet das eine Verlängerung des Lockdowns“, so die Obleute der Fachverbände Hotellerie und Gastronomie in der WKÖ, Susanne Kraus-Winkler und Mario Pulker.

Öffentliche Schanigärten in Wien

Viele Betriebe hätten keinen Außenbereich oder dieser sei zu klein, um die Öffnung wirtschaftlich darstellen zu können, kritisierte Pulker. Die Öffnung der Schanigärten Ende März sei „ein Tropfen auf den heißen Stein“. Es gehe ein Aufschrei durch die Branche. Für Wien kündigte Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) öffentliche Schanigärten für Gastronomen an, die über keinen eigenen verfügen – mehr dazu in wien.ORF.at. Bei den Wiener Hotels müsse man sich darauf einstellen, dass ein Drittel nicht mehr aufsperren werde können, glaubt Dominic Schmid, Fachgruppenobmann der Hotellerie in der Wirtschaftskammer Wien.

Die angepeilten Öffnungsschritte der Bundesregierung bezeichnete der burgenländische Landesrat Leonhard Schneemann (SPÖ) als „Scheinlösung“. Es brauche ein klares Konzept statt ein Vorpreschen mit „Einzellösungen wie den Schanigarten (…), um die Bevölkerung scheinbar zufriedenzustellen“ – mehr dazu in burgenland.ORF.at.

Sport im Freien, zwei Meter Abstand

Was das Sporttraining in Vereinen für Kinder und jugendliche Minderjährige ab Mitte März angeht, sind noch einige Fragen. Die Details werden derzeit ausgehandelt. Nach Angaben aus dem Sportministerium wird nur Training im Freien erlaubt sein. Das gelte für alle Sportarten, bei denen ein Zwei-Meter-Abstand eingehalten werden kann – also beispielsweise kontaktfreies Training beim Fußball. Noch offen ist aber die erlaubte Gruppengröße und ob es tatsächlich Testpflichten geben wird. Matches und Wettbewerbe dürfen weiterhin nicht stattfinden.

Beim Schulsport wird sich zu den derzeit geltenden Regeln nichts ändern. Turnunterricht findet statt – ohne Kontaktsportarten. Unverbindliche Übungen und Freigegenstände im Sportbereich wird es vorerst weiterhin nicht geben.