Heinz Christian Strache und Sebastian Kurz
APA/Robert Jaeger
„Eingeschränkt“ statt „geheim“

„Ibiza“-Ausschuss hat jetzt Kurz-Strache-SMS

Die lange erwarteten Chatverläufe zwischen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und dem damaligen FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache in der Zeit von ÖVP-FPÖ sind im „Ibiza“-U-Ausschuss angekommen. Weil die Nachrichten vom Justizministerium nun doch in Geheimhaltungsstufe eins („Eingeschränkt“) statt drei („geheim“, mit Schwärzungen) geliefert wurden, fanden Teile davon jetzt medial Niederschlag.

Auf 52 Seiten lassen sich Dispute über Gesetzesvorhaben, persönliche Ratschläge und generell Dissonanzen hinsichtlich der Stimmungslage nachlesen. Aber auch Szenen einer – wohl nicht immer einfachen – „politischen Ehe“ finden sich darunter, wie eine erste Durchsicht zeigt. Neben der Karfreitagsregelung und der Anhebung der Mindestpension geht es etwa um die Abschaffung der Rundfunkgebühren, Steuerpakt und Budget.

Aber auch Atmosphärisches kommt nicht zu kurz, etwa Nachbesprechungen von Interviews und Fragen, wo Treffen der Sechserrunde, der damaligen Regierungskoordination, stattfinden sollen. Die Kommunikation der Sechserrunde ist auch durch eine gemeinsame Chatgruppe dokumentiert – dabei sind Norbert Hofer, Herbert Kickl (beide FPÖ), Gernot Blümel (ÖVP) und ÖVP-Berater Stefan Steiner.

Kurz-Strache-SMS im „Ibiza“-Ausschuss

Auf 52 Seiten lassen sich Dispute über Gesetzesvorhaben, persönliche Ratschläge und generell Dissonanzen hinsichtlich der Stimmungslage nachlesen. Aber auch Szenen einer – wohl nicht immer einfachen – „politischen Ehe“ finden sich darunter, wie eine erste Durchsicht zeigt.

Strache zu „Ibiza-Video“ vorab: „Halb so wild“

Neue Aufschlüsse zum Untersuchungsgegenstand des „Ibiza“-Ausschusses gewähren die Korrespondenzen zumindest auf den ersten Blick nicht. Lediglich lässt sich ablesen, wie ÖVP- und FPÖ-Spitze miteinander kommunizierten: So warnte Strache Kurz vor Veröffentlichung des „Ibiza-Videos“ vor: „Ich muss mit dir heute noch vertraulich reden.“ Kurz: „Ok. Worum geht es?“ Strache antwortete: „Halb so wild. Viele falsche Vorwürfe, welche so nicht stattgefunden haben. Aber die Frage ist der Auftraggeber … da haben wir zur Zeit ein paar Informanten.“ Kurz fragte daraufhin: „Wer steckt dahinter? Silberstein?“ Strache antwortete: „Wenn das so einfach wäre, dann wäre es schön!“

„Es ist ein Horror!“

Nach der Veröffentlichung des „Ibiza-Videos“ und dem Misstrauensvotum gegen das Kurz-Kabinett schrieb Strache an Kurz am 12. Juni, nachdem dieser offenbar versucht hatte, Strache zu dessen Geburtstag anzurufen: „Wir haben fast alle Täter und Hintermänner. Es ist ein Horror!“ Und danach noch einmal: „Die gleiche Gruppe hat mehrere Videos gemacht. Nicht nur bei mir.“ Kurz antwortete mit einem Tag Verzögerung: „Lieber HC! Wollte dir nur zu deinem Geburtstag gratulieren und mal wieder mit dir telefonieren. Das klingt jedenfalls spannend. Freue mich auf deinen Rückruf. lg Sebastian.“

Keine Inhalte zu Causa Sidlo oder PRIKRAF-Komplex

Weder zur im Ausschuss regelmäßig thematisierten Glücksspielnovelle, die nach wenigen Tagen Begutachtung zurückgezogen worden war, noch zur Bestellung des FPÖ-Bezirksrats Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria lässt sich nach einer ersten Durchsicht etwas Belastbares finden. Ähnlich scheint es sich bei der Causa um den Privatanstalten-Finanzierungsfonds (PRIKRAF) zu verhalten, bei dem der Verdacht im Raum steht, dass Spender an ÖVP und FPÖ von Gesetzesänderungen unter der ÖVP-FPÖ-Regierung profitiert hätten.

Gegenseitig geäußerte Erwartungen

Hin und her ging es zwischen Kurz und Strache jedoch oftmals bei Atmosphärischem, etwa nach dem Bekanntwerden des „Rattengedichts“ des damaligen Braunauer Vizebürgermeisters Christian Schilcher (FPÖ). Strache fand, nachdem Kurz über die Medien der FPÖ Kritik ausgerichtet hatte, diverse „Berichte gar nicht fair und gut“. Kurz hingegen meinte, dass er sich „in Summe sehr fair verhalten“ habe.

Streit über Wordings

„Aber bitte schau dir auch alle anderen Berichte an. Von hier bis New York“, schrieb der Kanzler in diesem Zusammenhang. Strache erhoffte sich auch, dass Kurz einmal öffentlich sagen könnte: „Ich arbeite mit den freiheitlichen Regierungsmitgliedern seit einem Jahr und vier Monaten zusammen und ich weiß, das sind keine Rechtsextremisten.“

In der Folge beschwerte sich Kurz über Aussagen des Vizekanzlers im Foyer des Ministerrats. Unter anderem ging es darum, dass die FPÖ die rechtsextreme Kampfformel „Bevölkerungsaustausch“ verwende. Strache verteidigte sich, dass er das Wort „Replacement“ schon seit 1993 verwende und übersetzte es in seiner Antwort an Kurz mit „Wechsel bis ersetzen, verdrängen, auswechseln oder austauschen, etc.! Das ist die Realität!“

„Aber bitte verkauf mich nicht für total deppert!“

Kurz schrieb Strache, er hoffe, „nach Ostern wieder einen ordentlichen Modus zu finden“. Die Koalitionspartner warfen einander vor, ein Papier an die Medien hinausgespielt zu haben – zum mutmaßlichen Leak richtete Kurz Strache aus: „Aber bitte verkauf mich nicht für total deppert!“

Als Behauptungen über einen angeblichen Kontakt des Christchurch-Attentäters mit dem Rechtsextremen Martin Sellner medial die Runde machten, meinte Kurz Anfang April 2019, dass das „Thema für uns eine Belastung ist“. Man habe Anfragen aus aller Welt, und er, Kurz, hoffe auf „eine klare Position von eurer Seite“.

„Kein fairer und ehrlicher partnerschaftlicher Umgang“

Schlechte Stimmung illustriert sich etwa auch in Chats von Mai 2019, als die FPÖ ihren Wunsch nach einer Mindestpension von 1.200 Euro nicht erfüllt sah: „Es ist traurig, dass ich mich leider nicht auf dein gegebenes Wort verlassen kann (…) wenn das euer neuer Stil ist, weiß ich nicht, wohin das führen soll. Ist kein fairer und ehrlicher partnerschaftlicher Umgang mit mir und uns! Denn damit blockiert ihr alles! LG“, schrieb Strache am 8. Mai an den Kanzler.

In Kurz’ Replik schwang Unverständnis ob der von Strache geäußerten Vorwürfe mit: „Was soll das? Du hast mir gesagt, wir können eine Pensionsreform machen, die 1,5 Milliarden bringt, wenn wir die Mindestpension so machen wie du willst. Jetzt bin ich dazu bereit und du regst dich auf über Vorschläge, die einen Bruchteil davon bringen. Du vergisst leider immer deine Teile der Vereinbarungen. LG Sebastian“.

Chats zu Rundfunkgebühren

Im März 2019 sorgte ein Bericht eines mit Strache befreundeten „Kronen Zeitung“-Journalisten für Aufregung innerhalb des Regierungsspitze, wie das Ö1-Mittagsjournal berichtet. Es ergibt sich der Eindruck, als wäre der Zeitung eine angebliche Vereinbarung von ÖVP und FPÖ über das ORF-Gesetz und die Abschaffung der GIS-Gebühr zugespielt worden. Allgemein zeigt sich Ratlosigkeit, wer der „Krone“ die Informationen zukommen ließ, befürchtet wurden aber (von Kurz) öffentliche „Spekulationen, ob es geheime Absprachen“ gibt.

Eine Kontaktaufnahme mit dem betreffenden Journalisten wurde von Kurz eingefordert („Norbert oder Herbert ihr müsst den bitte anrufen, dass das rauskommt“). Kurz schrieb zu diesem „Sideletter zum ORF“ außerdem: „Ich halte das wirklich für eine Grenzüberschreitung. Wer so etwas tut bringt nicht nur die Koalition sondern jeden einzelnen von uns in Gefahr!“ Der Kanzler schrieb laut Ö1 dann weiters, dass er mit dem Journalisten telefoniert habe, und er glaube, dass er den „Sideletter“ jetzt rausnehme.

ÖVP sieht Beleg für „Theater“

Die stellvertretende ÖVP-Generalsekretärin Gabriela Schwarz sah darin einen Beleg, dass SPÖ und NEOS im Untersuchungsausschuss ein „Theater“ veranstalteten. „Die absurden Mutmaßungen, Vorwürfe sowie irreführenden Anspielungen, die seitens der Abgeordneten Krisper und Krainer (NEOS-Fraktionsführerin Stephanie und SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan, Anm.) immer wieder propagiert werden, haben sich in Luft aufgelöst“, so Schwarz.

Krisper sah das freilich anders: Die ÖVP solle lieber zu dem „geheimnisvollen Sideletter“ Stellung nehmen. Auf dieses Thema stürzte sich auch Krainer: Kurz habe „wesentliche Akten und Unterlagen vor dem Parlament verheimlicht“, wie Krainer per Aussendung in Bezug auf „ein geheimes Regierungsprogramm“ mitteilte. "Diese geheimen Vereinbarungen muss Kurz dem Untersuchungsausschuss vorlegen“, forderte Krainer.