Kurz-Strache-Chats: „Sittenbild“ und offene Fragen

Am Tag nach Bekanntwerden der Inhalte der Kurz-Strache-Chats haben die Fraktionsvorsitzenden im Vorfeld der heutigen Befragungen im „Ibiza“-Untersuchungsausschuss dazu Stellung genommen. Die Opposition kritisierte den Umgang der ÖVP mit der Lieferung, die ÖVP sah eine „neue Facette erreicht“. NEOS-Fraktionsführerin Stephanie Krisper kritisierte eingangs, dass die ÖVP sich selbst und Kurz als „Unschuldslamm“ positioniert habe. Die Chats seien an Boulevardmedien weitergegeben worden und damit auch ein „Spin der ÖVP“.

„Schmierig“

Man habe im Ausschuss die Chats einfach erhalten wollen – dabei seien die Erwartungen hinsichtlich der inhaltlichen Brisanz im Ausschuss ohnehin nicht so groß gewesen: So habe man bereits gewusst, dass sich die ÖVP nicht schriftlich über mögliche Deals austausche. Die Chats seien bestenfalls „schmierig“ und ein „Sittenbild“, so Krisper. Doch seien sie von „abstrakter Relevanz“, wohl sei aber relevant, was im „Sideletter“ zum ORF stehe, so Krisper.

SPÖ und FPÖ zweifeln an Vollständigkeit

SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer beklagte, dass man nicht von allen Chatgruppen Nachrichten erhalten habe – er vermisse Nachrichten aus sieben der insgesamt 17 Chatgruppen, in denen Kurz und Strache dabei waren. Man erwarte sich Aufklärung, so Krainer.

Das Spannendste sei wohl der „Sideletter zur ORF-Reform“. Wenn Kurz sage, es sei gefährlich für ihn, interessiere man sich nun für den Inhalt. Kurz habe dem Ausschuss nichts übermittelt („Alles, was wir wollen, müsste man über den Verfassungsgerichtshof erstreiten“).

Wie die SPÖ zog auch die FPÖ in Zweifel, dass es sich um alle SMS gehandelt habe. „Ich glaube nicht, dass wir alle bekommen haben. Jeder, der weiß, wie intensiv Strache SMS geschrieben hat, weiß, dass 274 nicht alle sein können“, sagte Fraktionsführer Christian Hafenecker. Inhaltlich hätten die an den U-Ausschuss gelieferten SMS „nicht viele erhellende Informationen“ gebracht.

„Bitte weitergehen, es gibt nichts zu sehen“

Von der grünen Fraktionsvorsitzenden Nina Tomaselli hieß es, das Vorgehen erinnere an die Hygiene Austria („Bitte weitergehen, es gibt nichts zu sehen“). „Aber wenn man genau hinschaut, dann watet man in Fake-Masken“, verglich Tomaselli. Zwei Stellen seien bemerkenswert: Es gehe um den Umgang mit den Medien („Wie soll Meinungsbildung gesteuert werden?“) und um Postenschacher, die in höchsten Kreisen besprochen worden seien.

ÖVP: „Schmähführen im Ausschuss versteht niemand“

Der ÖVP-Fraktionsführer im „Ibiza“-U-Ausschuss, Wolfgang Gerstl, sagte, mit Veröffentlichung der Chats sei eine „neue Facette“ erreicht worden, es habe einen „neuen Zugang“ im Recht gegeben. Früher sei im Zweifel nicht veröffentlicht worden („Im Zweifel für den Angeklagten“), nun sei das Gegenteil der Fall. Dabei gehe es um nichts anderes als um eine „Beziehungskiste“. Dass „Schmähführen“ ein Teil des Ausschusses sein könne, „versteht niemand mehr in Österreich“.