Mehrere Personen mit Masken überqueeren die Karlsbrücke in Prag.
AP/Petr David Josek
CoV-Zahlen

Dritte Welle erfasst Osteuropa

In den östlichen Nachbarländern ist die CoV-Lage teils noch deutlich schlechter als in Österreich. In Ungarn spricht man bereits von einer dritten Welle, in Tschechien und der Slowakei gibt es politische Verwerfungen. Die Spitäler drohen an die Grenzen ihrer Belastbarkeit zu geraten. Einmal mehr ruhen die Hoffnungen auf israelischem Know-how.

Am Donnerstag meldete Tschechien mehr als 768 neue Coronavirus-Infektionen je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner in den letzten sieben Tagen – das ist derzeit die weltweit höchste 7-Tage-Inzidenz. Die Inzidenz der letzten 14 Tage liegt bei 1.574. Die Zahl schwerer Fälle in den Krankenhäusern nimmt entsprechend zu: 1.916 Patienten und Patientinnen befanden sich am Donnerstag in einem ernsten Zustand oder wurden künstlich beamtet, wie das Gesundheitsministerium bekanntgab. Landesweit sind derzeit nur noch zwölf Prozent aller Intensivbetten frei.

Angesichts der prekären Lage verschärfte Staatspräsident Milos Zeman den Druck auf die Regierung, den russischen Impfstoff „Sputnik V“ zuzulassen. Zeman forderte Ministerpräsident Andrej Babis auf, Gesundheitsminister Jan Blatny und die Chefin der nationalen Medikamentenbehörde (SUKL), Irena Storova, abzuberufen, weil sie sich gegen eine Notzulassung von „Sputnik V“ für den tschechischen Markt ausgesprochen hatten.

Eine Frau mit Mund-Nasenschutz geht am Altstädter Ring in Prague.
Reuters/David W Cerny
Tschechien muss derzeit die in Relation gesehen höchste Neuansteckungsrate weltweit verzeichnen

Tschechiens Präsident drängt auf „Sputnik V“

Der Staatschef verwies auf Ungarn und die Slowakei, wo bereits mit „Sputnik V“ geimpft werde. Wenn bereits „Millionen Menschen“ mit dem Impfstoff behandelt würden, während in Tschechien weiterhin „umsonst Menschen sterben“, seien Blatny und Storova dafür verantwortlich, so Zeman. Sowohl Blatny als auch Storova beharren darauf, die Verwendung von „Sputnik V“ in Tschechien erst dann zu erlauben, wenn der Impfstoff auch von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) zugelassen wird.

Babis sagte, er plane keine personellen Änderungen in seinem Kabinett. Die Auffassungen Zemans seien „nicht neu“, hielt der Regierungschef fest. Stattdessen streben Tschechien und Ungarn eine engere Kooperation mit Israel im Kampf gegen das Coronavirus sowie bei der Entwicklung von Impfstoffen an. Babis und sein ungarischer Amtskollege Viktor Orban statteten am Donnerstag Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu einen Besuch ab.

Lernen von Israel

Orban und Babis beschrieben Israel angesichts seiner rasanten Impfkampagne als Modellland, von dem man lernen wolle. Babis sagte, Tschechien sei in den letzten zwei Monaten besonders hart von der Pandemie betroffen gewesen: „Israel ist für uns ein Beispiel dafür, wie man Covid bekämpfen kann“, sagte er. „Es ist auf dem Weg, das erste Land zu werden, in dem Menschen wieder das Leben leben können, an das sie gewöhnt waren.“ Netanjahu sagte, beide Länder seien an einer Beteiligung an einem Impfstoffwerk interessiert, das in Israel entstehen solle.

Personen in Budapest warten auf ihre erste Dosis des Sinopharm Covid-19 Impfstoffes.
Reuters/Attila Kisbenedek
Die vergleichsweise hohe Durchimpfungsrate in Ungarn gibt Hoffnung

Dritte Welle in Ungarn

Auch in Ungarn ist die Lage extrem angespannt: Angaben von Donnerstag zufolge wurden in dem Land mit seinen rund zehn Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern in den vergangenen 24 Stunden 8.312 Neuinfektionen registriert. 172 Menschen starben im Zusammenhang mit dem Virus. In Spitälern befanden sich am Donnerstag 8.329 Patienten, 911 müssen künstlich beatmet werden. Die Zahl der im Spital zu behandelten Patienten könnte sich laut Prognosen auf weit über 10.000 erhöhen, warnte Kanzleiminister Gergely Gulyas – die dritte Coronavirus-Welle könnte die Spitäler an die Grenzen ihrer Belastbarkeit bringen.

Positive Nachrichten gibt es dagegen von der Impffront: Bis Ostern sollen alle Bürgerinnen und Bürger über 60 Jahren geimpft werden, gab Gulyas bekannt. Dem Minister zufolge hätten 1,15 Millionen, 11,3 Prozent der Bevölkerung, bereits die erste Impfung erhalten – verglichen zu unter sieben Prozent im EU-Durchschnitt. Am Donnerstag trafen 450.000 Dosen des chinesischen Impfstoffs Sinopharm in Ungarn ein, womit sich die gelieferte Gesamtmenge auf eine Million erhöhte. Ungarn hat insgesamt fünf Millionen Dosen der in der EU nicht zugelassenen Vakzine bestellt.

Politische Verwerfungen in Bratislava

Auch aus der Slowakei werden derzeit sehr hohe Fallzahlen gemeldet – was inzwischen zu politischen Verwerfungen führte. Gesundheitsminister Marek Krajci erklärte am Donnerstag seinen Rücktritt. Er wolle mitten in der seit Tagen schwelenden Regierungskrise im Land „keine Obstruktionen“ bilden, sagte Krajci.

Zwei liberale Juniorpartner der Vierparteienkoalition hatten im Vorfeld ihren Verbleib in der Regierung als Bedingung mit dem Abgang Krajcis verknüpft. Der Wirtschaftsminister und Vorsitzende der neoliberalen Partei Freiheit und Solidarität (SaS), Richard Sulik, plädiert seit Tagen sogar für einen Wechsel im Amt des Ministerpräsidenten. Der konservativ-populistische Premier Igor Matovic hat seiner Meinung nach wegen seines chaotischen Regierungsstils eine wirkungslose Strategie im Kampf gegen die Pandemie zu verantworten.

Auslöser der Regierungskrise knapp ein Jahr nach dem Amtsantritt der Regierung war Matovics Alleingang bei der Einfuhr des russischen Impfstoffes „Sputnik V“. Die ersten 200.000 Dosen des Vakzins, das von der EMA nicht genehmigt ist, hatte der Premier Anfang März feierlich vor laufenden Kameras auf dem Flughafen im ostslowakischen Kosice in Empfang genommen. Matovic hatte die Lieferung von insgesamt zwei Millionen Dosen „Sputnik V“ hinter dem Rücken seiner eigenen Koalitionspartner mit der russischen Seite ausgehandelt.

Slowakischer Impfplan kollabiert

Durch die erste Viruswelle im Vorjahr kam die Slowakei noch relativ glimpflich. Aktuell ist die Situation aber dramatisch, täglich werden in dem 5,5 Millionen Einwohner zählenden Land über 4.000 Neuinfektionen bestätigt, und die Opferzahlen erreichen umgerechnet auf die Einwohnerzahl mit rund 100 Toten pro Tag weltweite Rekordwerte. Anfang der Woche ist auch der staatliche Impfplan nahezu zusammengebrochen – es gibt zu wenig Impfstoff, und das elektronische Anmeldesystem ist wegen technischer Schwierigkeiten wiederholt kollabiert.

Polnisches Gesundheitspersonal hilft bei Massentestungen in der Slovakei.
Reuters/Radovan Stoklasa
Polen hatte zuletzt einzelne Schutzmaßnahmen gelockert – manche Regionen nahmen das inzwischen wieder zurück

Prekär ist die Lage auch in Polen: Am Mittwoch wurde mit 21.045 Neuinfektionen der höchste Wert seit November erreicht. Das Gesundheitsministerium teilte mit, das sei vor allem auf die rasche Ausbreitung der zuerst in Großbritannien entdeckten hochansteckenden Mutante B.1.1.7 zurückzuführen. Die Pandemie stelle eine immense Gefahr für das Gesundheitssystem dar, sagte Gesundheitsminister Adam Niedzielski. Die B.1.1.7-Variante mache gegenwärtig 38,5 Prozent der positiv getesteten Fälle aus.