Person in einer Wahlkabine.
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Deutschland

Landtagswahlen im Schatten der Maskenaffäre

Am Sonntag wird in den deutschen Bundesländern Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg gewählt, und ganz Deutschland blickt auf den Ausgang: Nicht nur ist es der Auftakt zum Superwahljahr 2021 und damit ein wichtiger Stimmungstest. Diverse Affären, darunter ein Maskenskandal in CDU und CSU, machen die Wahlen auch schwer berechenbar.

In den beiden Bundesländern haben die Spitzen der Landesregierungen zumindest gute Chancen auf eine Wiederwahl. Der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann will sein Amt in Stuttgart gegen Susanne Eisenmann von der CDU verteidigen. In Mainz stellt sich Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) dem CDU-Herausforderer Christian Baldauf entgegen. In Hessen finden zudem Kommunalwahlen statt.

In Berlin wird am Sonntag stärker als üblich auf den Wahlausgang geschaut. Die beiden Landtagswahlen sind die erste große Bewährungsprobe für den neuen CDU-Bundeschef Armin Laschet. Die Union aus CDU und CSU will sich noch nicht festlegen, wer bei den Bundestagswahlen im Herbst als Kanzlerkandidat antreten soll: Laschet und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sind beide theoretisch im Rennen. Die Spekulationen darüber, wen die Union als Nachfolger für Angela Merkel auswählen wird, werden nach den Wahlen in den Bundesländern wieder einen neuen Schub erhalten.

Rücktritte und „Ehrenerklärung“

Die Union hat hier einen Startnachteil: Ausgerechnet in der Schlussphase des Wahlkampfs in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg mussten drei Bundestagsabgeordnete ihren Hut nehmen, weil sie in missliche Skandale verwickelt sind.

Georg Nüßlein (vormals CSU) und Nikolas Löbel (vormals CDU) sollen für Vermittlungstätigkeiten bei Schutzmaskengeschäften jeweils sechsstellige Provisionen eingestrichen haben. Gegen Nüßlein ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit. Bei Löbel wird noch geprüft, ob ein hinreichender Anfangsverdacht gegeben ist. Beide Politiker haben inzwischen ihre jeweilige Partei verlassen. Die Spitzen der Union hatten sich darin überboten, rasche Konsequenzen zu fordern, und sparten nicht mit Kritik an den beiden Abgeordneten.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der bayrische Ministerpräsident  Markus Soeder.
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Merkel tritt heuer nach 16 Jahren Kanzlerinnenschaft ab. Söder könnte als Nachfolgekandidat antreten.

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt setzten gar eine „Ehrenerklärung“ auf, die die 245 Abgeordneten der Union unterzeichnen mussten. Darin erklärten sie, keine finanziellen Vorteile im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Pandemie erzielt zu haben, weder direkt noch über Gesellschaften. Alle Abgeordneten von CDU und CSU unterzeichneten die Erklärung. Andernfalls hätte der Fraktionsausschluss gedroht.

Dritter Rücktritt in Folge

Darüber hinaus beschäftigt ein weiterer Skandal die Union. Gegen den Thüringer CDU-Politiker Mark Hauptmann wurden schwere Lobbyismusvorwürfe laut. Der „Spiegel“ hatte von Werbeanzeigen für Tourismusaufenthalte in der autoritär regierten einstigen Sowjetrepublik Aserbaidschan berichtet, die im „Südthüringen Kurier“ erschienen waren, den Hauptmann herausgibt. Hauptmann bestritt alle Vorwürfe, trat aber zurück.

Karte, Landesdaten, Umfragewerte vor der Wahl in Rheinland-Pfalz
Grafik: APA/ORF.at, Quelle: ZDF, Foto: APA/dpa

Was bleibt, ist kurz vor den beiden Landtagswahlen ein großer Imageverlust. Auch Vergleiche mit der CDU-Schwarzgeldaffäre aus der Ära Helmut Kohls kamen auf. „Diese Einzelfälle treffen uns alle, machen uns wütend und beschämen uns“, sagte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak. Der Schaden sei „groß in diesen Tagen“. Auch der mögliche Kanzlerkandidat Söder sagte: „Dass da ein Schaden entstanden ist, ein großer, ist unbestritten.“ Die Union müsse jetzt „sehr hart“ daran arbeiten, das Vertrauen in die Demokratie wieder zu stärken. Es dürfe aber „nicht passieren, dass da der Versuch gemacht wird, daraus Wahlkampf zu machen von anderen Stellen“, so Söder am Freitag.

Grüne in komfortabler Lage

Wie sich die Affären auf die Ergebnisse am Sonntag tatsächlich auswirken, ist freilich offen – genauso wie die Frage, inwieweit die Union mit ihren Maßnahmen gegen diese „Einzelfälle“ noch Schaden reparieren konnte.

Zumindest in Rheinland-Pfalz war noch ein engeres Rennen prognostiziert. Dreyers regierende SPD lag bei Werten zwischen 30 und 33 Prozent, 2016 war sie noch auf rund 36 Prozent gekommen. Baldaufs CDU kam in den Umfragen auf zwischen 28 und 30 Prozent. Die derzeit regierende Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen könnte rechnerisch aber die nächsten fünf Jahre lang weiterregieren, es könnte sogar knapp für Rot-Grün reichen. Die Grünen könnten nämlich ihr Ergebnis von 2016 laut Umfragen auf zehn bis zwölf Prozent mehr als verdoppeln. Die Linke würde mit drei Prozent erneut an der Fünfprozenthürde scheitern.

Wahlen in Deutschland

In Deutschland stehen am Sonntag Wahlen in zwei Bundesländern an. Eine Sonderstellung hat Baden-Württemberg inne. Das große Bundesland, das mehr Einwohner zählt als Österreich, ist das einzige, das mit Winfried Kretschmann von einem grünen Ministerpräsidenten gelenkt wird.

In Baden-Württemberg liegen Kretschmanns seit neun Jahren regierende Grüne in den Umfragen hingegen weit vor dem derzeitigen Koalitionspartner CDU, für den Eisenmann ins Rennen geht. Die AfD erreicht in aktuellen Umfragen elf bis zwölf Prozent, die FDP zehn bis elf Prozent, die SPD kommt auf zehn Prozent.

AfD in Umfragen schwächer

Während die CDU bei diesen Wahlen hauptsächlich den Schaden begrenzen will, hofft die SPD vor allem auf ein gutes Ergebnis für Dreyer. Ein Erfolg wäre auch für den SPD-Kanzlerkandidaten Olaf Scholz sehr wichtig. Für die Grünen ist die Ausgangslage in beiden Bundesländern komfortabel. Kretschmann geht als Favorit ins Rennen, für ihn wäre es die dritte Amtszeit und laut eigenen Angaben auch die letzte. Auch in Rheinland-Pfalz winkt zumindest eine Regierungsbeteiligung.

Karte, Landesdaten, Umfragewerte vor der Wahl in Baden-Württemberg
Grafik: APA/ORF.at, Quelle: ZDF, Foto: APA/dpa

Für die AfD sind es die ersten Wahlen, nachdem der deutsche Verfassungsschutz die Gesamtpartei zum Rechtsextremismus-Verdachtsfall erklärt hatte. Allerdings entschied das Verwaltungsgericht Köln, dass der Verfassungsschutz die AfD vorerst nicht so einstufen darf. Die Folgen für die Landtagswahlen sind schwer vorherzusehen. Die Umfragen sahen die AfD in beiden Bundesländern schwächer als 2016.

Für Spannung sorgen nicht nur die Auswirkungen der Urnengänge in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg auf den Bund, sondern auch die Pandemie. Eine große Unbekannte ist die Briefwahl, die dieses Mal weit überdurchschnittlich in Anspruch genommen wird. In Rheinland-Pfalz beantragten bereits 44 Prozent aller Wahlberechtigten eine Briefwahl, in Baden-Württemberg wird mit der Hälfte gerechnet. Wem das eher nützt oder schadet, ist ebenso schwer berechenbar wie die Folgen der Skandale.