Imfpdosen
AP/Francisco Seco
Impfstoffverteilung

Kurz kritisiert, EU erklärt

Impfstoffdosen in der EU werden unterschiedlich verteilt. Das teilte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Freitag bei einer überraschend einberufenen Pressekonferenz mit. Er vermutete Nebenabsprachen zwischen Pharmafirmen und einzelnen Mitgliedsstaaten. Die EU-Kommission reagierte prompt: Die Verteilung läuft über ein „Steering Committee“, in dem alle EU-Staaten vertreten sind. Dieses fixiert Lieferungen bei Impfstoffherstellern.

Der Steuerungsausschuss mit Gesundheitsbeamtinnen und -beamten – also das „Steering Committee“ – der Mitgliedsstaaten sei wichtig bei der Umsetzung der Verträge, so die EU-Kommission. Entscheidungen in dem Board würden aber zwischen den EU-Staaten und der EU-Kommission gemeinsam vereinbart.

Kurz sagte, im „Steering Committee“ habe eine Art „Basar“ geherrscht, wo zusätzliche Abmachungen zwischen Mitgliedsstaaten und Pharmaunternehmen getroffen worden sein sollen. Österreich ist in diesem Gremium mit Clemens Martin Auer, dem Sonderbeauftragten des Gesundheitsministeriums, hochrangig vertreten. Auer ist der stellvertretende Vorsitzende der EU-Steuerungsgruppe.

Aufklären, „wie Verträge mit ‚Steering Board‘ aussehen“

Er selbst habe mit Auer nicht gesprochen, sagte Kurz auf Nachfrage bei der Pressekonferenz, allerdings Vizekanzler Werner Kogler (Grüne). „Ich weiß nicht, wer die Verträge unterschrieben hat“ und warum in dem Board „anscheinend andere Vereinbarungen getroffen worden sind“, sagte Kurz.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP)
APA/Roland Schlager
Kurz vermutete bei der Pressekonferenz geheime Absprachen

„Es muss aufgeklärt werden, wie die Verträge im ‚Steering Board‘ aussehen.“ Er ergänzte, dass es schwierig sei, an Informationen heranzukommen, „da alle Mitglieder Geheimhaltungsvereinbarungen unterschrieben haben“. Kurz forderte weiters „volle Transparenz“. Im Juni 2020 wurde von der EU beschlossen, den Impfstoff für alle Mitgliedsstaaten gemeinsam zu beschaffen. Dieser sollte pro Kopf fair auf die Mitgliedsstaaten verteilt werden.

Berlin: Aufkauf wurde ermöglicht

Unterstützung für den Kanzler äußerten Bulgarien und Slowenien. „Gemeinsam mit Sebastian Kurz rufen wir die EU-Mitgliedsstaaten und die EU-Kommission zu anhaltender Solidarität auf, um einen gleichberechtigten Zugang zu den knappen Ressourcen zu gewährleisten, die der Covid-19-Impfstoff derzeit darstellt“, betonte der bulgarische Regierungschef Boiko Borissow auf Twitter. Der slowenische Ministerpräsident Janez Jansa ergänzte: „Alle 450 Millionen Europäer müssen die Chance erhalten, bis zum Sommer zur Normalität zurückzukehren. Ungleichbehandlung ist völlig inakzeptabel.“

Deutschland trat der Kritik von Kurz entgegen. „Es ist vereinbart, dass die Verteilung der Impfstoffkontingente zwischen den Mitgliedsstaaten grundsätzlich nach dem Bevölkerungsanteil erfolgt“, sagte ein Regierungssprecher am Freitag in Berlin. „Für den Fall, dass Mitgliedsstaaten die ihn zustehenden Mengen nicht vollumfänglich abnehmen, wurde ein Verfahren etabliert, das anderen Mitgliedstaaten den ‚Aufkauf‘ dieser nicht abgenommenen Dosen ermöglicht“, fügte er hinzu.

Welches Land bestellt wie viel wovon?

Wer besonders viele Dosen von Biontech/Pfizer im Rahmen des „Steering Committee“ für sich beantragt habe, der liege nun bei den Lieferungen voran – wer aber mehr AstraZeneca bestellt habe, der gerate ins Hintertreffen, hieß es in der ZIB um 13.00 Uhr unter Berufung auf die EU-Kommission. AstraZeneca hatte ja vor ein paar Wochen Lieferschwierigkeiten angekündigt.

ZIB-Korrespondent Peter Fritz aus Brüssel

Peter Fritz analysiert die Gründe, warum es zu unterschiedlichen Verteilungen kommt.

Es hänge davon ab, welches Land welche Mengen welchen Impfstoffes bestellt habe. So habe Österreich die Möglichkeit gehabt, mehr Biontech/Pfizer zu bestellen, sich damals aber für AstraZeneca entschieden, mit dem es aktuell Lieferprobleme gibt, berichtete ORF-Korrespondent Peter Fritz unter Berufung auf informelle Informationen aus der Kommission.

Kurz vermutet Absprachen

Kurz hatte zuvor die Verteilungspolitik in der EU scharf kritisiert. Die Coronavirus-Impfdosen würden nicht wie vereinbart nach Bevölkerungsschlüssel an die Mitgliedsstaaten verteilt. Während Österreich bei der Verteilung der Dosen im Mittelfeld liege und bisher keinen Schaden zu beklagen habe, würden Staaten wie Bulgarien stark benachteiligt.

Kurz vermutet ungleiche Impfstoffverteilung

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat am Freitag die Verteilungspolitik in der EU scharf kritisiert. Die Coronavirus-Impfdosen würden nicht wie vereinbart nach Bevölkerungsschlüssel an die Mitgliedsstaaten verteilt. Es gebe „Hinweise“ darauf, dass es zusätzliche Absprachen auf einem „Basar“ zwischen einzelnen Mitgliedsländern und der Pharmaindustrie gegeben habe.

Laut Kurz würden diese, wenn sich der Trend fortsetze, erst im späten Sommer oder Herbst mit der Durchimpfung fertig sein. Andere könnten dagegen schon im Mai fertig sein. Als Beispiel nannte Kurz, dass Malta bezogen auf die Bevölkerungszahl bis Ende Juni dreimal so viele Dosen erhalten werde wie Bulgarien. Die Niederlande bekämen bis dahin das Doppelte von Kroatien.

Malta wies die Vorwürfe von Kurz umgehend zurück. Gesundheitsminister Chris Fearne erklärte am Freitag in der Hauptstadt Valletta, die Impfstoffe seien über den Mechanismus beschafft worden, dem alle EU-Mitgliedsstaaten und auch die EU-Kommission zugestimmt hätten. Malta kommt in der Impfkampagne schneller als andere EU-Länder voran. Von den etwa 500.000 Bewohnern bzw. Bewohnerinnen der Mittelmeer-Insel erhielten fast 20 Prozent bis Freitag mindestens eine Impfung.

Kommission: Bis Ende des Sommers Durchimpfung in EU

Das Gesundheitsministerium unterstrich indes, dass das „Ziel in dieser entscheidenden Phase eine gerechte, gleichberechtigte Aufteilung der Impfstoffe innerhalb der EU für die Sicherstellung einer gleichzeitigen Impftätigkeit sein muss“. Das sei das gemeinsame Bemühen des Gesundheitsministeriums und des Bundeskanzleramtes.

Die EU-Kommission halte an ihrem Ziel fest, dass bis Ende des Sommers alle Erwachsenen in der EU geimpft seien, sagte ein Sprecher der EU-Behörde im täglich Mittags-Briefing am Freitag. Die Impfstofflieferungen seien eine wichtige Komponente, aber nicht die einzige.

Pharmig und ÖVIH: Keine Nebenabsprachen

Die EU-weite Impfstoffverteilung ist Sache der EU, betonten auch der Verband der pharmazeutischen Industrie Österreichs (Pharmig) und der Österreichische Verband der Impfstoffhersteller (ÖVIH) in einer Aussendung. Es gebe keine Nebenabsprachen zwischen Herstellern und einzelnen Regierungen von EU-Mitgliedsstaaten. Sie betonten, dass die Hersteller alles daran setzten, die enormen Mengen an Impfstoffen, die in einer Pandemie naturgemäß gebraucht würden, in kürzester Zeit herzustellen und auszuliefern.

Die EU habe mit den Herstellern von Covid-19-Impfstoffen Verträge abgeschlossen, Advanced Purchase Agreements, kurz APAs. „In diesen Verträgen sind die Gesamtmengen definiert, die die einzelnen Hersteller in die Europäische Union liefern. Wie diese Mengen dann innerhalb der EU verteilt werden, ist weder in diesen Verträgen geregelt noch liegt es in der Verantwortung der pharmazeutischen Unternehmen“, erläuterte Renee Gallo-Daniel, Präsidentin des ÖVIH.

Auch Pharmig-Generalsekretär Alexander Herzog erklärte: „Die Hersteller liefern das, was in den Verträgen vereinbart wurde. Sie sind nicht in die Entscheidungsprozesse seitens der EU eingebunden, wann welches Land mit welcher Menge beliefert werden soll. Ebenso wenig sind sie dafür verantwortlich, ob die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten auch die Mengen abrufen, die ihnen auf Basis des Bevölkerungsschlüssels zustehen.“

Heftige Kritik von Oppositionsparteien

Die Oppositionsparteien kritisierten Kurz scharf. Der Kanzler versuche „auf unwürdige Art und Weise, Sündenböcke für sein Versagen zu finden“, meinte SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher. NEOS-Parteichefin Beate Meinl-Reisinger kritisierte, dass Österreich „womöglich“ selbst Impfstoff ausgeschlagen habe. Meinl-Reisinger konstatierte auf Twitter: „Leadership eine Katastrophe. Und jetzt? Ablenkung“.

NEOS-Klubobmann und -Gesundheitssprecher Gerald Loacker fragte, warum der Sonderbeauftragte des Gesundheitsministeriums, Auer, in seiner Funktion als stellvertretender Vorsitzender der EU-Steuerungsgruppe der ungleichen Verteilung überhaupt zustimmte. Loacker kritisierte außerdem, dass Kurz davon nichts wusste, wie dieser zuvor selbst vor Journalistinnen und Journalisten gesagt hatte.

Auch die SPÖ kritisierte, dass in der Regierung „völliges Chaos“ herrsche. Kurz wisse „nicht einmal, was seine Spitzenbeamten in der EU ausverhandeln“, so Kucher in einer Aussendung. Sowohl Kucher als auch Loacker forderten Aufklärung. Gleichzeitig äußerten die beiden Nationalratsabgeordneten aber auch die Vermutung, dass Kurz mit den Vorwürfen von „diversen Korruptionsvorwürfen“ bzw. seinem eigenen „Versagen“ ablenken wolle.

Der FPÖ-EU-Parlamentarier Harald Vilimsky fragte auf Twitter: „Wann schmeißen Kurz/Anschober nach der ‚Impfstoff Benachteiligung Österreichs‘ Ihren in der EU dafür zuständigen stellvertretenden Vorsitzenden des ‚Gemeinsamen EU Impfstoffausschusses‘ hinaus?“

Österreich schöpfte Bestellungen nicht voll aus

Erst am Dienstag war bekanntgeworden, dass Österreich und mehrere weitere EU-Länder etwa nicht so viele Dosen des Impfstoffs von Moderna bestellt hatten, wie sie hätten können. Österreich schöpfte zwar sein volles Kontingent des ersten und zweiten Vertrags der EU mit Moderna aus, bei einer Zusatzoption wurde aber weniger abgerufen, wie das Gesundheitsministerium in Wien einen Bericht von „Politico“ (Onlineausgabe) bestätigte.

Der Zeitplan zeigte dem Bericht zufolge auch, dass Österreich, Portugal und Kroatien kleinere Bestellungen für die zweite Charge von Moderna-Dosen aufgaben. Der Grund: der späte Liefertermin. Wie die EU-Kommission dem ORF in Brüssel am Freitag mitteilte, seien auch die Möglichkeiten Österreichs bei Biontech/Pfizer nicht voll ausgeschöpft worden.