Impfstraße in Wien
Reuters/Lisi Niesner
Nach Streit

Impfkampagne soll Fahrt aufnehmen

Nach dem Streit über nicht bestellte Impfdosen soll die Impfkampagne in Österreich wieder Fahrt aufnehmen. Bis zum Sommer könnten 4,6 Mio. Menschen geimpft sein, sagte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) am Dienstagabend. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und drei seiner Amtskollegen forderten indes einen „Korrekturmechanismus“ bei der Vakzinverteilung in der EU.

Österreich gehe in der Impfplanung von der Lieferung von rund zwei Millionen Dosen im ersten und weiteren sechs Millionen im zweiten Quartal aus. Zusätzlich wurden die ersten 687.000 Dosen von Johnson & Johnson (J&J) für das zweite Quartal angekündigt, so Anschober Dienstagabend.

Damit könnten bis Ende des zweiten Quartals bei Einhaltung aller Lieferverpflichtung 63 Prozent aller Erwachsenen (mehr als 4,6 Mio. Menschen) einen Impfschutz erhalten. „Die heute von der EU-Kommission angekündigte vorgezogene Lieferung von zehn Millionen Dosen an Biontech-Pfizer lässt für Österreich rund 200.000 Impfdosen erwarten“, hieß es in einer Aussendung des Ressortchefs am Dienstagabend. Ab Juli würden zudem weitere elf Millionen Dosen an bereits zugelassenem Impfstoff für das dritte Quartal geliefert.

Eine Ampulle Pfizer-Biontech Impfstoff
APA/Barbara Gindl
Die vorgezogene Lieferung von Biontech und Pfizer könnte das Ungleichgewicht in der EU beheben

Die EU-Kommission und Biontech und Pfizer einigten sich laut EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen auf eine vorgezogene Lieferung von zehn Millionen Dosen für das zweite Quartal. Sie würden ausreichen, um die von Kanzler Kurz kritisierte temporäre Abweichung vom Bevölkerungsschlüssel auszugleichen, teilte die Vertretung der EU-Kommission in Österreich mit.

1,5 Mio. Impfdosen von J&J nicht abgerufen

Für Aufregung sorgte am Dienstag ein Bericht des „Standard“, wonach Österreich sich 1,5 Mio. Impfdosen von Johnson & Johnson habe entgehen lassen. Anders als die bisher in der EU zugelassenen Vakzine von Biontech und Pfizer, Moderna sowie AstraZeneca muss von diesem Impfstoff nur eine Dosis verabreicht werden. NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker forderte den Rücktritt Anschobers.

Die Beschaffung der J&J-Impfstoffe sei Teil des ersten Beschaffungspakets aus dem Herbst 2020 gewesen, sagte Anschober dazu. „In diesem wurde mit der Beschaffung von 24 Millionen Impfdosen eine fast dreifache Überbestellung der für Österreich erforderlichen Impfdosen verwirklicht, um eine Risikoabsicherung sicherzustellen. Im Jänner folgten Zusatzbestellungen bei Biontech und Modern.“

Österreich habe sich bei den Bestellungen stark auf jene Impfstoffe konzentriert, von denen eine rasche Marktzulassung zu erwarten gewesen sei, „weil immer unser Ziel die Durchimpfung der gesamten Bevölkerung bis im Sommer 2021 war und ist“, sagte der Minister. Bis heute sei nicht endgültig fixiert, welche Mengen von J&J wann kommen. „Entscheidend sind daher nicht die Gesamtliefermengen, sondern die Liefermengen, die für das erste Halbjahr abgesichert sind.“

Kurz und Amtskollegen fordern „Korrekturmechanismus“

Bundeskanzler Kurz und drei EU-Amtskollegen forderten indes einen „Korrekturmechanismus“ bei der Impfstoffverteilung in der EU. „So wie es ist, so soll es nicht bleiben“, sagte Kurz in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit den Regierungschefs Andrej Babis (Tschechien), Bojko Borissow (Bulgarien) und Janez Jansa (Slowenien) in Wien. Damit sollen die Unterschiede in den Durchimpfungsraten der Mitgliedsstaaten behoben werden.

Kurz fordert Korrekturmechanismus

Gemeinsam mit fünf anderen Regierungschefs drängt ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz auf einen Korrekturmechanismus bei der Impfstoffverteilung in der EU.

Konkreter wurden die vier Regierungschefs allerdings nicht. Sie hatten zuvor auch mit ihren Kollegen aus Kroatien, Andrej Plenkovic, und Lettland, Krisjanis Karins, per Video beraten. „Wenn eine Situation kompliziert ist, dann ist sie auch nicht einfach aufzulösen“, sagte Kurz. Es könne sein, dass man „technisch durch zusätzliche Dosen versucht, all jene besonders zu unterstützen, die wenig bekommen haben“, sagte der Kanzler.

Am Wochenende hatten Kurz und vier Amtskollegen in einem Brief an Ratspräsident Charles Michel einen EU-Gipfel zum Thema gefordert. Das Gesundheitsministerium erklärte am Dienstagabend, „die Initiative im Rahmen des kommenden EU-Ratsgipfels in Richtung mehr Gerechtigkeit beim Liefersystem“ sei auch Anschober wichtig. Ziel müsse es sein, dass die Einzellieferungen anhand des Bevölkerungsschlüssels erfolgen und je nach gesamter Bestellmenge früher oder später auslaufen.

SPÖ und NEOS mit Kritik

Die SPÖ übte in der Debatte über die Impfstoffbeschaffung unterdessen scharfe Kritik an der Bundesregierung. Bei einer Pressekonferenz schoss sich der rote Vizeklubchef Jörg Leichtfried am Dienstag vor allem auf Bundeskanzler Kurz ein. Es sei „unglaubwürdig“, dass dieser nicht voll über die Impfstoffbeschaffung informiert gewesen sei.

Außerdem habe Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) einen „Kostendeckel“ von 200 Mio. Euro für die Impfstoffe einziehen lassen. Man habe also viel zu wenig Budget vorgesehen, damit die Beamten überhaupt genug Impfstoffe hätten bestellen können, so Leichtfried.

NEOS gab die Devise „Impfen statt Schimpfen“ aus. Klubvize Nikolaus Scherak verwies auf gemeinsame Vereinbarungen in der EU, bei denen einer der höchsten Beamten des Landes mit am Tisch gesessen sei.

Blümel: Kein Budgetlimit

Blümel selbst betonte, dass es bei der Beschaffung von CoV-Schutzimpfungen kein Budgetlimit gebe. „Heuer sind 120 Mio. Euro im Budget des Gesundheitsministeriums budgetiert, davon ist ein Bruchteil abgerufen“, sagte er bei einer Pressekonferenz auf Nachfrage. Es sei „immer klar“ gewesen, dass es bei Bedarf mehr Geld für den Kauf von Impfstoff geben werde.

Die Impfstoffbeschaffung der türkis-grünen Regierung steht aktuell unter Kritik. Der zuständige Spitzenbeamte Clemens Martin Auer zog sich am Montag als Impfkoordinator zurück, weil er zu einem bestimmten Zeitpunkt Gesundheitsminister Anschober nicht über die Bestellmöglichkeit von zusätzlichem Biontech-Pfizer-Impfstoff informiert hatte.

Ob sich Auer an ein Budget halten musste, ließ Blümel offen. „Das müssen sie den Gesundheitsminister fragen.“ Das Geld für Impfdosen sei „das bestinvestierteste Geld im Kampf gegen diese Krise“, so der Finanzminister. „Wir geben sehr, sehr viel Geld aus in der Covid-Krise, wirklich viel Geld. Es wäre absurd, wenn wir gerade bei den Impfdosen sparen würden.“