Personen mit Schutzmaske applaudieren in einem Theater
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„Grüner Pass“

Schrittweise zu mehr Freiheiten

Das Ziel ist ehrgeizig. Bis Anfang Juni will die EU-Kommission die Mitgliedsstaaten zwingen, digitale Zertifikate mit Informationen über Impfungen, Tests und Genesungen umzusetzen. Damit soll das Reisen erleichtert werden. Österreich will mit dem „Grünen Pass“ bereits Mitte April einen ersten Schritt machen.

Dann sollen die bisher auf Papier ausgestellten Testergebnisse auf elektronische Nachweise per QR-Code umgestellt werden. Damit werde die Kontrolle bei Eintrittstests etwa für körpernahe Dienstleistungen und für andere Branchen wie Kultur und Gastronomie nach weiteren Öffnungen erleichtert. Erst danach sollen – wie auf EU-Ebene geplant – „schrittweise auch Genesene und im Idealfall Geimpfte ergänzt werden“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Mittwoch.

Für ihn ist der Start in Österreich auch eine „Vorarbeit für die europäische Gesamtumsetzung“. Schon am Donnerstag will Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) einen Vorschlag im parlamentarischen Gesundheitsausschuss vorlegen. Es gehe sowohl um die technische Umsetzung als auch um rechtliche Fragen.

Länder können auf Quarantäne verzichten

Österreich tritt wie ebenfalls stark auf Tourismus ausgerichtete Länder wie Griechenland und Spanien für einen EU-weiten Pass ein, um die Reisen vor allem im Sommer zu erleichtern. Skeptischer zeigten sich hingegen Deutschland und Frankreich, die sich gegen Erleichterungen für Geimpfte wehrten, solange noch wenige Menschen Chancen auf eine Impfung haben. Bisher sind laut Zahlen des European Centre for Disease Prevention and Control weniger als fünf Prozent der EU-Bürger und -Bürgerinnen vollimmunisiert. Die EU hofft, diese Zahl bis Ende des Sommers auf 70 Prozent zu erhöhen.

„Grüner Impfpass“ in Österreich ab April

De EU-Kommission stellt ihr Konzept für einen „Grünen Impfpass“ ab dem Sommer vor, in dem neben Impfungen auch überstandene Infektionen und Tests vermerkt werden sollen. In Österreich soll der „Grüne Pass“ ab April starten.

Diskriminierung möchte die EU bei ihrem „Digitalen Grünen Nachweis“ vorbeugen indem nicht nur Informationen über Impfungen, sondern auch Tests und Genesungen in das Zertifikat aufgenommen werden sollen. Zudem solle der Pass keine Voraussetzung für die Ausübung der Freizügigkeit sein, so die EU-Kommission. Die Idee hinter dem „Grünen Pass“ ist, dass damit Tests und Quarantänepflichten bei der Einreise in ein anderes Land entfallen könnten.

EU will Mitgliedsstaaten verpflichten

Sollten ein EU-Staat aber trotz Vorliegens eines Zertifikats bei der Einreise einen Test oder eine Quarantäne verlangen, müsse das der EU und den Mitgliedsstaaten erklärt werden. Eine größere Vereinheitlichung wäre nicht möglich gewesen, sagte Justizkommissar Didier Reynders. Sonst hätte eine Blockade durch die Mitgliedsstaaten gedroht. Die mangelnde Umsetzungsbereitschaft von EU-Empfehlungen sei auch der Grund gewesen, warum sich die EU entschieden habe, den – langwierigeren – Weg der bindenden Verordnung statt einer Empfehlung zu gehen.

Mit der EU-Verordnung sind die nationalen Behörden verpflichtet, einen „Grünen Pass“ auszustellen. Dieses Verfahren kann aber Monate, auch Jahre in Anspruch nehmen. Denn die Mitgliedsstaaten und das EU-Parlament müssen jeweils ihre Position festlegen und dann untereinander den letztgültigen Gesetzestext aushandeln. Die Kommission zeigte sich dennoch optimistisch, das Gesetz bis zum Sommer zu verabschieden. Bereits nächste Woche soll der „Grüne Pass“ beim EU-Gipfel thematisiert werden.

Keine persönlichen Daten auf Plattform

„Mit diesem digitalen Zertifikat wollen wir unseren Mitgliedsstaaten helfen, verantwortungsvoll und sicher die Freizügigkeit wiederherzustellen“, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch bei der Vorstellung des Plans in Brüssel.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Justizkommissar Didier Reynders
APA/AFP/John Thys
Von der Leyen (li.) und Reynders stellten am Mittwoch den Plan für einen „Grünen Pass“ vor

Die EU-Kommission will eine technische Plattform entwickeln, damit die Zertifikate in allen EU-Staaten überprüft und anerkannt werden können. Auf dieser Plattform sollen aber keine persönlichen Daten hinterlegt oder ausgetauscht werden, wie die Behörde weiter mitteilte. Auch Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) betonte, dass die Daten aus nationalen Datenbanken gelesen und sonst nirgends gespeichert würden.

QR-Code soll Echtheit garantieren

Der Ausweis soll laut EU-Kommission in Papierform und digital ausgestellt werden und auf Mobilgeräten vorgezeigt werden können. Ein QR-Code und eine digitale Signatur sollen die Echtheit der Dokumente garantieren. Diese sollen in der jeweiligen Landessprache und auf Englisch ausgestellt werden.

Ein heikler Aspekt sind auch Impfstoffe aus China und Russland, die bisher nicht von der Europäischen Arzneimittelbehörde(EMA) zugelassen wurden, aber etwa in Ungarn eingesetzt werden. Die Kommission schlägt hier vor, dass Vakzine ohne EMA-Zulassung akzeptiert werden können, aber nicht müssen.

Schieder: Zeitplan „fast absurd“

SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder erwartet etwa beim Schutz der sensiblen Gesundheitsdaten schwierige Verhandlungen. Zudem sei der Zeitplan angesichts der Lieferverzögerungen und Unsicherheiten mit AstraZeneca „fast absurd“: „Bevor nicht alle Menschen die Möglichkeit haben, sich impfen zu lassen, darf es keine Vorteile für Geimpfte geben.“

NEOS-EU-Politikerin Claudia Gamon bezeichnete das gemeinsame europäische Vorgehen als „sinnvoll“. Wenn jeder Staat seine eigenen Nachweise mache, sei das Chaos in der Urlaubssaison programmiert. Die FPÖ sieht in dem „Grünen Pass“ den „Einstieg für den Entzug der Grundrechte“.

ÖVP-Staatssekretär Magnus Brunner stellte auch Alleingänge in den Raum: „Sollte es bis zum Sommer keine Einigung auf europäischer Ebene geben, brauchen wir bilaterale Abkommen mit unseren wichtigsten Reisezielen und Herkunftsländern für einen zufriedenstellenden Urlaubssommer 2021.“

Umgang mit Nicht-EU-Staaten noch offen

Für Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) ist der „Grüne Pass“ der „Schlüssel für die Rückkehr zur Mobilität“. „Wir werden künftig mit der Realität konfrontiert sein, dass man nachweisen muss, ob von einem keine Gefahr ausgeht, wenn man in ein Flugzeug einsteigt, in ein Restaurant geht oder ein Hotel bucht“, sagte Edtstadler bei einem Besuch in Rom. Italien begrüße den Vorstoß der Kommission zu einem gemeinsamen Zertifikat ebenfalls.

Entsprechend freute sich auch die Bundessparte Tourismus und Freizeitwirtschaft in der Wirtschaftskammer. Die Hoteliersvereinigung sprach von der besten Nachricht seit Langem.

ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg zeigte sich bezüglich baldiger Reisefreiheit allerdings noch zurückhaltend. „Noch muss jedem klar sein, dass Mobilität noch mit Risiko, und zwar mit erklecklichem Risiko verbunden ist.“ Er sprach sich auch gegen regionale „Fleckerlteppiche“ bei entsprechenden Öffnungsmaßnahmen aus. Der Entwurf der Kommission beziehe sich auf den EU-Binnenmarkt, stellte Schallenberg fest. Was das für den Umgang etwa für Reisen in die Türkei im Sommer bedeute, konnte er noch nicht sage. Den Umgang mit Staaten außerhalb der Union werde man sich „bald“ ansehen.