US-Präsident Joe Biden
Reuters/Tom Brenner
„Mörder“

Bidens Kritik an Putin lässt Wogen hochgehen

Nach einem Interview von US-Präsident Joe Biden wachsen die Spannungen zwischen Washington und Moskau stark an. Die Frage, ob Biden Kreml-Chef Wladimir Putin für einen Mörder halte, bejahte der US-Präsident. Die Empörung in Russland ist nun groß, der Botschafter wurde nach Moskau zurückbeordert.

Mit Biden im Weißen Haus war klar, dass sich das Verhältnis zu Russland bald ändern dürfte. Bidens Vorgänger Donald Trump pflegte mit Putin die meiste Zeit über ein enges Verhältnis – für manche zu eng. Biden signalisierte nun eine drastische Kehrtwende in der Russland-Politik. In einem am Mittwoch ausgestrahlten Interview des Senders ABC sagte er auf die Frage, ob er denke, dass Putin ein „Mörder“ (original: „killer“) sei: „Das tue ich.“

Biden selbst nahm das Wort „killer“ nicht in den Mund und machte auch nicht deutlich, worauf er sich mit seiner zustimmenden Äußerung konkret bezog. Er drohte Putin wegen einer angeblichen Einmischung Russlands in die US-Wahl im November Konsequenzen an. „Er wird einen Preis bezahlen“, sagte Biden. In einem Telefonat Ende Jänner habe er Putin mit Blick auf eine mögliche Einmischung Moskaus bereits gesagt: „Ich kenne Sie und Sie kennen mich. Wenn ich feststelle, dass das geschehen ist, dann seien Sie vorbereitet.“

Ziel: „Gesellschaftliche Spaltung verstärken“

Nach Ansicht der US-Geheimdienste hat sich Russland bei der Wahl im November für den damaligen US-Präsidenten Trump eingesetzt und sich bemüht, Biden zu schaden. Moskau habe den Ausgang der Wahl beeinflussen und Unfrieden im Land säen wollen, hieß es in einem am Dienstag vom Büro von US-Geheimdienstkoordinatorin Avril Haines veröffentlichten Bericht. Moskau habe „die öffentliche Wahrnehmung der Kandidaten in den USA beeinflussen“ wollen.

Wladimir Putin und Joe Biden 2011
Reuters/Alexander Natruskin
„Ich kenne Sie und Sie kennen mich“: Biden und Putin 2011. Putin war Premier, Biden Vizepräsident.

Langfristiges Ziel sei es, „das Vertrauen in das US-Wahlsystem zu untergraben und die gesellschaftliche Spaltung der Menschen in Amerika zu verstärken“. Russland habe einen Wahlsieg Bidens als „nachteilig für russische Interessen“ betrachtet. Putin und seine Regierung hätten die Maßnahmen „genehmigt und durchgeführt“. Russland habe sich dabei auf Desinformation konzentriert, anders als bei der Wahl 2016 aber nicht versucht, die Wahlinfrastruktur in den USA direkt zu untergraben. Auch schon bei der Wahl 2016 hatte Russland nach Überzeugung der US-Sicherheitsbehörden zugunsten des Kandidaten Trump interveniert, um die Demokratin Hillary Clinton auszubremsen.

Biden machte keine Angaben dazu, welche Konsequenzen die Geheimdiensterkenntnisse für Putin haben könnten. Er machte aber deutlich, dass eine Zusammenarbeit Washingtons mit Moskau bei gemeinsamen Interessen dennoch möglich sei. Kritiker hatten Trump einen zu putinfreundlichen Kurs vorgeworfen.

Verbündete in der Ukraine

In dem US-Bericht hieß es, Russland habe sich bei seiner Kampagne auf seinen Geheimdienst, staatliche Medien, Internettrolle und Verbündete in der Ukraine gestützt. Eine der wichtigsten Strategien Moskaus sei es gewesen, Biden und seiner Familie im Zusammenhang mit der Ukraine Korruption vorzuwerfen. Russlands Agenten hätten dafür auch gezielt Amerikaner angesprochen, die Verbindungen zu Trumps Regierung hatten, um ein Einleiten von Untersuchungen gegen Biden zu fordern. Es habe auch Bemühungen gegeben, Beamte der Trump-Regierung und bestimmte Medien dahingehend zu manipulieren. Auch Trump warf Biden und dessen Sohn Hunter mehrfach vor, sich bereichert zu haben.

Russland soll US-Wahl beeinflusst haben

Russland habe versucht, die Präsidentschaftswahl in den USA im November 2020 zu beeinflussen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Bericht der US-Geheimdienste.

Hunter Biden hatte zwischen 2014 und 2019 einen lukrativen Posten im Aufsichtsrat des ukrainischen Gaskonzerns Burisma inne. Sein Vater war bis Ende 2016 als Vizepräsident federführend für die US-Politik gegenüber der Ukraine zuständig. Trump wiederum wird vorgeworfen, die Ukraine 2019 unter Druck gesetzt zu haben, um Korruptionsermittlungen gegen Biden zu erwirken. Trump habe damit seinem politischen Rivalen schaden wollen, so Kritiker.

Trumps Vorgehen gegenüber der Ukraine führte zur Einleitung des ersten Amtsenthebungsverfahrens gegen ihn wegen Machtmissbrauchs. Das von Demokraten kontrollierte Repräsentantenhaus klagte ihn an, der Senat sprach ihn aber mit der Mehrheit der Republikaner frei.

Moskau: „Angriffe auf unser Land“

Der Kreml wies auch die neuen Vorwürfe am Mittwoch vehement zurück und übte scharfe Kritik am US-Präsidenten. „Biden hat mit seinen Aussagen die Bürger unseres Landes beleidigt“, schrieb Parlamentschef Wjatscheslaw Wolodin im Nachrichtenkanal Telegram. „Putin ist unser Präsident, Angriffe auf ihn sind Angriffe auf unser Land.“ Wolodin sprach im Zusammenhang mit Bidens Aussagen von „Hysterie“ und „Ohnmacht“.

Der Bericht sei zudem „falsch, absolut unbegründet und haltlos“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow laut der Agentur Interfax. Russland habe sich weder in die US-Wahlen 2020 noch in die davor eingemischt. Eine derartige Behauptung seitens der USA schade nur „den ohnehin schon angeschlagenen russisch-amerikanischen Beziehungen“. Zu möglichen neuen US-Sanktionen sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der Staatsduma, Leonid Sluzki: „Auf alle einschränkenden Maßnahmen vonseiten der USA, zumal wegen solch ausgedachter Anlässe, finden wir eine deutliche und angemessene Antwort.“

Joe und Jill Biden mit Kindern Ashley und Hunter Biden
AP/Pool Photo/Saul Loeb
Hunter Biden (r.): Er geriet als Aufsichtsrat eines ukrainischen Konzerns in die Schlagzeilen

Russland beorderte am Mittwoch seinen Botschafter in Washington zu Beratungen zurück nach Moskau. Gemeinsam mit Anatoli Antonow sollten die Beziehungen zwischen beiden Ländern erörtert werden, teilte das russische Außenministerium mit. Die neue US-Regierung sei bereits seit fast zwei Monaten im Amt – „und das ist ein guter Grund, um zu beurteilen, was dem Biden-Team gelingt und was nicht“. Es gehe bei dem Gespräch darum, wie die Beziehungen, die sich in einer „Sackgasse“ befänden, korrigiert werden könnten. „Wir sind daran interessiert, eine irreversible Verschlechterung zu verhindern“, hieß es.

Exportbeschränkungen ausgeweitet

Am Mittwoch weitete die US-Regierung schon Maßnahmen gegen Russland in einer anderen Causa aus. Wegen der mutmaßlichen Vergiftung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny gab es neue Exportbeschränkungen. Das Handelsministerium in Washington teilte mit, die Ausfuhr von Gütern, die aus Gründen der Nationalen Sicherheit kontrolliert würden, nach Russland werde von Donnerstag an weitgehend blockiert. Ausnahmen gebe es bis zum 1. September für bestimmte Waren, die beispielsweise der Sicherheit der zivilen Luftfahrt dienten. Damit würden die bereits verhängten US-Sanktionen ausgeweitet, hieß es.

Die USA hatten Anfang März koordiniert mit der EU Strafmaßnahmen gegen ranghohe russische Staatsfunktionäre verkündet. Es waren die ersten Sanktionen der USA gegen Russland unter Biden. Nawalny war Anfang Februar in Moskau zur Verbüßung einer früher verhängten Lagerhaft verurteilt worden.