Russischer PRäsident Wladimir Putin
AP/Alexei Druzhinin
Nach „Mörder“-Interview

Putin will öffentliche Debatte mit Biden

Nach der diplomatischen Kampfansage von US-Präsident Joe Biden kontert der Kreml mit einem Angebot, öffentlich zu diskutieren. Russlands Staatschef Wladimir Putin sagte am Donnerstag, er sei offen für einen Onlineaustausch mit Biden schon in den kommenden Tagen. Zuvor hatte der US-Präsident Putin ausrichten lassen, er halte ihn für einen „Mörder“. Ähnliches kam nun auch von der EU.

Die Beziehungen zwischen Washington und Moskau waren in den vergangenen Tagen auf ein neues Tief gesunken. Hintergrund war ein Interview Bidens am Mittwoch. In dem Gespräch bejahte der US-Präsident die Frage, ob er den russischen Präsidenten Putin für einen Mörder halte. Der Protest in Moskau war groß, die russische Botschaft in Washington drohte mit einem Kollaps der Beziehungen. Auch der russische Botschafter wurde aus Washington zurückbeordert.

Nun meldete sich Putin zu Wort und wünschte ein Livedebatte mit Biden. Es solle eine Onlinekonferenz geben, so der Kreml-Chef am Donnerstag im russischen Fernsehen.

In dem Gespräch solle es sowohl um die bilateralen Beziehungen gehen als auch um andere Angelegenheiten, etwa regionale Konflikte. Das russische Außenministerium solle mit den Vorbereitungen beginnen. Russland und die USA müssten „ihre Beziehungen erhalten“. Putin wünschte dem 78-jährigen Biden auch „gute Gesundheit, ohne jede Ironie,“ und bekräftigte dann, dass Moskau sich nicht von Washington einschüchtern lassen werde. „Wir werden unsere Interessen verteidigen und mit ihnen zu Bedingungen zusammenarbeiten, die für uns vorteilhaft sind“, sagte er. Nach Bidens Äußerungen über Putin, er halte ihn für eine „Mörder“, sagte der Kreml-Chef in einer Fernsehansprache, man solle nicht von sich auf andere schließen.

Auf Antwort folgt Antwort

Die Antwort aus dem Weißen Haus kam postwendend: Man sei hoffnungsvoll, die produktiven Beziehungen mit Russland fortsetzen zu können. Biden bereue aber seine jüngsten Äußerungen über Putin nicht. Biden habe „eine direkte Antwort auf eine direkte Frage gegeben“, sagte Jennifer Psaki, die Sprecherin des Weißen Hauses.

Am Freitag legte Moskau nach: Das Angebot zur Debatte mit Biden bleibe nicht ewig auf dem Tisch, sagte Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow. Eine solche Onlineschaltung könne etwa bereits am Montag oder zu jeder anderen Zeit stattfinden, die Biden gut passe.

Einfluss auf US-Wahlen vermutet

Das Interview Bidens hatte die Wogen zwischen den beiden Großmächten hochgehen lassen. Er war gefragt worden, ob er Putin für einen „Mörder“ (im Original: „killer“) halte. Der US-Präsident sagte daraufhin: „Das tue ich.“ Biden selbst nahm das Wort „killer“ nicht in den Mund und machte auch nicht deutlich, worauf er sich mit seiner zustimmenden Äußerung konkret bezog. Mit Blick auf mutmaßliche Versuche Russlands, Einfluss auf die US-Präsidentschaftswahl im vergangenen Jahr zu nehmen, sagte Biden, Putin werde dafür „einen Preis bezahlen“.

In einem Telefonat Ende Jänner habe er Putin mit Blick auf eine mögliche Einmischung Moskaus bereits gesagt: „Ich kenne Sie, und Sie kennen mich. Wenn ich feststelle, dass das geschehen ist, dann seien Sie vorbereitet.“ Nach Ansicht der US-Geheimdienste hatte sich Russland bei der Wahl im November für den damaligen US-Präsidenten Donald Trump eingesetzt und sich bemüht, Biden zu schaden. Moskau habe den Ausgang der Wahl beeinflussen und Unfrieden im Land säen wollen, hieß es in einem neuen Bericht.

EU: Politische Verantwortung für Mordanschläge

Auch die EU äußerte sich am Donnerstag mit scharfer Kritik an Russland. „Es gibt leider eine lange Liste gescheiterter und erfolgreicher Mordanschläge gegen kritische und unabhängige Persönlichkeiten in Russland, darunter Politiker und Journalisten“, sagte die Sprecherin des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell. Viele Fälle würden nicht untersucht, blieben ungelöst, und die Verantwortlichen würden nicht zur Rechenschaft gezogen.

Die EU habe Sanktionen gegen Beteiligte des russischen Militärs, des Geheimdienstes und des Forschungsinstituts für organische Chemie und Technologie verhängt. Außerdem hätten russische Behörden illegale Handlungen gegenüber der Ukraine unternommen und spielten in anderen Konflikten eine Rolle. „Sie wissen, dass Wladimir Putin als Präsident der Russischen Föderation letztlich Verantwortung für die russischen Behörden, Politik und Handlungen trägt“, sagte die Sprecherin.

Wladimir Putin und Joe Biden 2011
Reuters/Alexander Natruskin
„Ich kenne Sie, und Sie kennen mich“: Biden und Putin 2011. Putin war Premier, Biden Vizepräsident.

Der Kreml wies Vorwürfe stets zurück, auch eine Wahleinmischung in den USA entspreche nicht der Wahrheit. Der Bericht der Geheimdienste sei „falsch, absolut unbegründet und haltlos“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Deutlicher wurden andere russische Funktionsträger. „Gewisse unüberlegte Erklärungen hochrangiger US-Beamter haben die bereits übermäßig konfrontativen Beziehungen an den Rand des Zusammenbruchs gebracht“, so die Botschaft. Der russische Botschafter in Washington, Anatoli Antonow, werde am Samstag zu Konsultationen nach Moskau zurückkehren. Der letzte Rückruf eines russischen Botschafters aus Washington liegt mehr als 20 Jahre zurück.