Proteste gegen Austritt der Türkei aus Istanbul-Konvention

In der Türkei haben Tausende Menschen gegen den Austritt des Landes aus dem internationalen Abkommen gegen Gewalt an Frauen demonstriert. In der Metropole Istanbul forderten die Teilnehmer einer Kundgebung heute Staatschef Recep Tayyip Erdogan auf, die Entscheidung zu revidieren und dem Abkommen wieder beizutreten. Die Demonstranten zeigten Plakate mit den Porträts ermordeter Frauen. Kleinere Kundgebungen gab es laut Medienberichten auch in Ankara und Izmir.

Der Rückzug aus der Instanbuler Konvention wurde durch ein Präsidialdekret Erdogans in der Nacht auf heute bekanntgegeben. Frauenrechtsgruppen riefen umgehend zu Demonstrationen auf. Erdogan kam mit seiner Entscheidung konservativen und islamistischen Kreisen entgegen. Diese hatten den Austritt mit der Begründung gefordert, die Übereinkunft schade der Einheit der Familie und fördere Scheidungen.

Die stellvertretende Vorsitzende der größten Oppositionspartei CHP, Gökce Gökcen, erklärte, ein Austritt bedeute, dass Frauen weiter „Bürger zweiter Klasse sind und getötet werden“. Der oppositionelle Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu schrieb auf Twitter, der Austritt aus der Konvention sei „sehr schmerzhaft“. Das missachte den jahrelangen Kampf von Frauen.

Bedauern in Österreich

Das österreichische Außenministerium erklärte auf Twitter: „Wir bedauern zutiefst die Entscheidung der Türkei, sich aus der Istanbul-Konvention zurückzuziehen. Die Verhütung und Bekämpfung jeglicher Form von Gewalt gegen Frauen und Mädchen liegt in unserer gemeinsamen Verantwortung.“

Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) ließ mitteilen, Erdogan führe sein Land damit einmal mehr zurück in die Vergangenheit und weiter weg von Europa, die Leidtragenden dieser Entscheidung seien wieder die Frauen. Umso wichtiger sei es, dem Einfluss Erdogans auf Europa und Österreich durch Netzwerke und Vereine scharf entgegenzutreten und diesen klar zu unterbinden.

Vor zehn Jahren unterzeichnet

Die Konvention des Europarats ist das weltweit erste verbindliche Abkommen dieser Art. Sie soll Frauen und Mädchen besser vor Gewalt schützen – sei es zu Hause oder anderswo. Als Gewalt gilt dabei laut Abkommen nicht nur physische Gewalt, sondern auch geschlechtsspezifische Diskriminierung, Einschüchterung oder wirtschaftliche Ausbeutung.

Die Übereinkunft wurde am 11. Mai 2011 in Istanbul zur Unterschrift ausgelegt. Sie wurde inzwischen von 45 Staaten und der Europäischen Union (EU) unterzeichnet.