Der Vizegouverneur von Pennsylvania, John Fetterman
Reuters/Jonathan Bachman
John Fetterman

Die linke Antwort auf Donald Trump

John Fetterman will für den Bundesstaat Pennsylvania in den US-Senat einziehen. Die Wahl findet zwar erst im Herbst 2022 statt, aber der gut zwei Meter große Demokrat mit kahl rasiertem Kopf erregt schon jetzt das öffentliche Interesse. Für viele Anhänger gilt der Mann aus dem Rust-Belt bereits als linke Antwort auf Ex-Präsident Donald Trump.

Im Jänner hatte der frühere Bürgermeister der Gemeinde Braddock in Pittsburgh seine Kandidatur für den Sitz im Senat bekanntgegeben. In den ersten drei Monaten konnte er Spenden in Höhe von 3,9 Millionen US-Dollar (3,3 Mio. Euro) für seinen Wahlkampf sammeln – damit stellte er laut eigenen Angaben einen Rekord auf. Denn noch nie hätte ein Senatskandidat bzw. eine -kandidatin in den ersten drei Monaten mehr Spenden lukrieren können. Und das soll alles erst der Anfang sein, so das Team rund um den Demokraten.

Fetterman, der seit knapp zwei Jahren als Vizegouverneur tätig ist und davor 14 Jahre lang Ortschef von Braddock war, wittert nämlich eine Chance für seine Partei. Der Grund: Der amtierende Senator für Pennsylvania, der Republikaner Pat Toomey, tritt bei den Midterm-Wahlen 2022 nicht mehr an. Der Rückzug Toomeys, der seit 2011 den Bundesstaat Pennsylvania in Washington vertritt, ist tatsächlich eine Steilvorlage für die Demokraten.

Schon bei der Präsidentschaftswahl 2020 konnte Joe Biden die Mehrheit in Pennsylvania von sich überzeugen. Vier Jahre zuvor ging der US-Bundesstaat noch an die Republikaner, an Trump. Doch die Frage, die sich viele stellen: Ist Fetterman Washington-fit? Auf dem Papier scheint er es jedenfalls nicht zu sein. Laut dem US-Magazin „The Atlantic“ gibt es einen bestimmten Typus von demokratischen Senatskandidaten bzw. -kandidatinnen: Sie sind gemäßigt im Ton, fest verankert in der Gemeinde und haben idealerweise dem US-Militär gedient. Einige Demokraten in Pennsylvania erfüllen diese Kriterien, haben ihre Kandidaturen aber noch nicht bekanntgegeben.

„Aufgehender Stern“ der Demokraten

Schon 2016 kandidierte der damalige Bürgermeister Fetterman für einen Platz im Senat. Er scheiterte aber bereits bei der demokratischen Vorwahl gegen die bekanntere Bewerberin Katie McGinty. Zwei Jahre später trat er bei der Wahl des Vizegouverneurs in Pennsylvania an. Er konnte auf starke Unterstützung vom linken Parteiflügel setzen – so gab etwa der Senator aus Vermont, Bernie Sanders, eine Wahlempfehlung für Fetterman ab. Nach dem überraschend deutlichen Sieg wurde der Politiker über die Grenzen von Pennsylvania hinaus bekannt.

Der Vizegouverneur von Pennsylvania, John Fetterman und seine Frau Gisele machen am Groundhog Day  ein Foto mit dem Murmeltier Punxsutawney Phil
AP/Barry Reeger
Fetterman besuchte auch schon den bekanntesten Einwohner Pennsylvanias: das Murmeltier am Groundhog Day

Es folgten Reportagen und Interviews mit dem Politiker. In Medien wurde er als „aufgehender Stern“ der Demokraten bezeichnet. Er spricht die vorwiegend weiße Arbeiterschicht im Rust-Belt, der nordöstlichen Industrieregion der USA, an, ist wegen seiner Tätigkeit als Bürgermeister aber auch bei Afroamerikanern in Braddock beliebt. Es sei aber mehr Fettermans Erscheinungsbild und seine Art zu sprechen, die ihn von den „geschliffenen politischen Persönlichkeiten“ hervorheben, schreibt der US-Journalist Edward-Isaac Dovere in einem ausführlichen Porträt über den Politiker.

Midterm-Wahlen 2022

Am 8. November 2022 soll über die Zusammensetzung der zwei Kammern des Kongresses abgestimmt werden. Dabei stehen 34 der 100 Sitze im Senat und alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus zur Wahl.

Das erinnert freilich an Trump. Dieser hatte im Wahlkampf 2016 die Renaissance des Rust-Belt versprochen. „Er hat Pennsylvania und die Bevölkerung verstanden“, sagte Fetterman einige Jahre später und scheute sich nicht davor, den Republikaner zu loben. Viele Orte in der Industriegegend fühlten sich zurückgelassen. Trump, so der Demokrat, sei in diese kleinen Bezirke gegangen und habe die Menschen „vitalisiert“. In seinem Wahlkampfvideo sagt Fetterman: „Wir können es uns nicht leisten, eine Stimme für selbstverständlich zu halten, wir können es uns nicht leisten, einen Ort für selbstverständlich zu halten.“

Jogger mit Schusswaffe aufgehalten

Fetterman bezeichnet sich selbst als progressiv, setzt sich für einen Mindestlohn ein, veranstaltete einige Bürgerversammlungen für die Legalisierung von Marihuana und befestigte trotz Flaggenverbots (unter Ausnahme der US-Flagge) eine Regenbogenfahne auf dem Balkon seines Büros. Die Republikaner waren alles andere als erfreut.

Aber auch bei den Demokraten eckt Fetterman an. Der Politiker ist nämlich gegen ein Frackingverbot und bezeichnete einen Green Deal, wonach in fünf Jahren das ganze Land auf erneuerbare Energien umsteigen soll, als lächerlich. „Die Republikaner müssen sich mit dem Thema Klima auseinandersetzen, aber die Demokraten müssen sich mit dem Thema Energie auseinandersetzen“, sagte er.

Je bekannter Fetterman ist und je intensiver das Rennen um den Senat wird, desto höher ist das Interesse an seiner Vergangenheit. Zuletzt wurde er mit einem Vorfall aus dem Jahr 2013 konfrontiert. Als der Demokrat noch Bürgermeister in Braddock war, stoppte er mit einer Schusswaffe den Afroamerikaner Christopher Miyares und hielt ihn bis zur Ankunft der Polizei fest. Den Beamten erzählte Fetterman, dass er Schüsse gehört und dann den Mann laufen gesehen habe. Doch die Polizisten fanden keine Waffe bei Miyares und hielten fest, dass er Laufkleidung und Kopfhörer trug, also vermutlich gerade durch die Ortschaft joggte. Er durfte gehen.

Der Vorfall erregte schon 2013 nationale Aufmerksamkeit. Fetterman soll Miyares aufgrund von dessen Hautfarbe angehalten haben. Miyares selbst sagte, dass er Feuerwerk am Himmel gesehen hatte. Das seien Fettermans „Schüsse“ gewesen. Miyares warf dem Politiker vor, die Schusswaffe auf seine Brust gerichtet und ihn bedroht zu haben. Fetterman weist die Vorwürfe bis heute zurück. Als im vergangenen Jahr die Debatte über Polizeigewalt gegen Afroamerikaner in den USA auch den Wahlkampf zwischen Biden und Trump tangierte, twitterte ein Republikaner einen 2013 erschienenen TV-Beitrag über den Vorfall. Trumps Sohn, Donald Trump Jr., teilte das Video und kommentierte es mit einem „Huch“ und drei Sirenen-Emojis.

Erinnerung an Morde in der Ortschaft

Im Februar dieses Jahres stellte die „New York Times“ Fetterman einige Fragen zu 2013. Doch dieser ging dann selbst in die Offensive, um sein Narrativ in die Öffentlichkeit zu bringen. Auf seinem YouTube-Kanal erzählt er, dass er nach den „Schüssen“ schnell hätte reagieren müssen. Er habe seinen Sohn in das Haus geschickt „und dann sah ich eine Person, die komplett in Schwarz gekleidet war und eine Maske trug. Sie lief direkt auf unsere Schule zu“, so Fetterman. Er habe an den Amoklauf an der Sandy Hook Elementary School im Dezember 2012 gedacht. Damals starben 29 Menschen, darunter 20 Kinder.

Gegenüber „The Atlantic“ sagte Fetterman, dass er Miyares nicht wegen seiner Hautfarbe gestoppt habe. Er sei die einzige Person auf der Straße gewesen. Nach dem Vorfall beschuldigte der Demokrat Miyares, gelogen zu haben. Dass es richtig war, mit einer Waffe für Recht und Ordnung zu sorgen, zeige sich im Erdrutschsieg bei seiner Wiederwahl zum Bürgermeister in Braddock, so Fetterman. Er genieße den Rückhalt der Bevölkerung, weil er eben nicht nur rede, sondern auch etwas tue.

Als Zeichen seiner Verbundenheit zu Braddock ließ sich Fetterman die Postleitzahl der Stadt (15104) auf seinen linken Unterarm tätowieren, auf dem rechten sind Datumsangaben zu sehen. „Das sind Sterbetage der Menschen, die durch Gewalt in meiner Gemeinde getötet wurden, seit ich Bürgermeister bin“, schrieb Fetterman vor einigen Wochen auf seinem Blog. Sieben von neun Personen seien laut dem Politiker durch eine Schusswaffe getötet worden. Selbst besitzt er seit gut zehn Jahren eine Waffe. Aber: „Waffen sollten nicht in die Hände von Menschen gelangen, die sie dazu benutzen könnten, um andere zu verletzen.“