Polizisten gegen Demonstranten in Bristol
AP/Andrew Matthews
Großbritannien

Gewalttätige Proteste gegen Polizeigesetz

Proteste gegen ein neues britisches Polizeigesetz in der englischen Hafenstadt Bristol sind am Sonntagabend eskaliert. Bei Attacken wurden 20 Polizisten verletzt, zwei davon schwer. Laut Behörden wurde die Demonstration von „Extremisten“ gekapert, die gezielt Schaden verursachen wollten. Nun wird vor weiteren Protesten gewarnt.

Unter dem Motto „Kill the Bill“, also „Tötet das Gesetz“, versammelten sich am Sonntag Tausende Demonstranten und Demonstrantinnen in Bristol, um gegen die geplante Neuregelung (Police, Crime, Sentencing and Courts Bill) der Eingriffsmöglichkeiten bei Demonstrationen zu protestieren. Das Gesetz sieht unter anderem vor, dass auch friedliche Demonstrationen künftig von der Polizei stärker eingeschränkt werden dürfen, wenn sie „die Öffentlichkeit einschüchtern“ oder „schweres Unbehagen“ auslösen.

Der Protest eskalierte: Demonstrierende griffen eine Polizeistation an und setzten unter anderem Einsatzfahrzeuge in Brand, zudem wurden 20 Polizisten verletzt. Mindestens sieben Menschen wurden festgenommen. Zu Verletzten unter den Demonstrierenden gab es keine Angaben. Ein Sprecher von Premierminister Boris Johnson verurteilte am Montag die „völlig inakzeptablen“ Szenen.

Demonstranten vandalisieren ein Polizeifahrzeug
AP/Andrew Matthews
Die Demonstranten griffen auch Polizeifahrzeuge an

Grundsätzliches Verständnis für die Proteste gegen das Gesetz, die bis dato landesweit ohne Gewalt vonstatten gingen, gab es von Bristols Bürgermeister Marvin Rees. Er selbst habe große Bedenken wegen des Gesetzes. Die Krawalle spielten nun allerdings den Befürwortern in die Hände. Rees verurteilte die gewalttätigen Demonstranten als „egoistisch“, sie würden ihren „revolutionären Fantasien“ ausleben.

Proteste von „Extremisten“ gekapert?

Der Polizeichef von Avon and Somerset, Andy Marsh, sagte, die Proteste seien von Extremisten gekapert worden. Laut Marsh waren unter den rund 3.000 Demonstrierenden 400 bis 500 Gewaltbereite. Ihnen sollen rund 300 Polizisten gegenüber gestanden sein. Es sei nicht „praktikabel oder möglich“ gewesen, mehr Menschen an dem Abend zu verhaften, offenbar wegen der CoV-Auflagen.

Marsh kündigte die Veröffentlichung von „stundenlangen“ Aufnahmen aus Überwachungskameras an. Man werde die Bevölkerung der Stadt um Hilfe bei der Identifizierung der Beteiligten bitten, wird Marsh von der BBC zitiert. Eine Person soll etwa auf die Füße eines Polizisten defäkiert haben. Allerdings vermutet Marsh, dass nicht nur Menschen aus Bristol, sondern Gruppen aus dem ganzen Land bei den Protesten waren.

Hohe Strafen für Beschädigung von Denkmälern

Die vom Unterhaus angenommene geplante Gesetzesänderung sieht künftig auch Strafen für Demonstranten vor, die Beschränkungen nicht befolgen, von denen sie hätten wissen müssen – selbst wenn keine direkte Anordnung von Beamten vorliegt. Für Kritik sorgte auch der Plan, die Haftstrafe für das Beschädigen von Denkmälern auf bis zu zehn Jahre zu erhöhen. Davon war Bristol im vergangenen Sommer direkt betroffen: Im Zuge der Proteste der „Black Lives Matter“-Bewegung wurde in der Stadt die Statue eines früheren Sklavenhändlers gestürzt und ins Hafenbecken geworfen.

„Wir haben in den vergangenen Jahren erhebliche Veränderungen in Protesttaktiken gesehen, wobei Demonstranten Schlupflöcher im Gesetz ausgenutzt haben, die zu einem unverhältnismäßigen Maß an Behinderungen geführt haben“, verteidigte Innenministerin Priti Patel das Gesetz im Parlament. Damit zielt die konservative Politikerin unter anderem auf Proteste der Umweltbewegung Extinction Rebellion, die London mehrmals lahmgelegt und die Polizei an ihre Grenzen gebracht hatten.

Doppeldeutiges Motto

Kritiker wiesen am Montag unterdessen darauf hin, dass das Motto „Kill the Bill“ doppeldeutig sei und womöglich zu wörtlich genommen wurde: „Old Bill“ ist ein Slang-Begriff für die Polizei. Die britische Polizei steht derzeit in der Kritik, unter anderem wegen der gewaltsamen Auflösung einer Mahnwache in London für eine Frau Mitte März, die mutmaßlich von einem Polizisten getötet worden war.

Unter Berufung auf CoV-Maßnahmen schritt dabei die Polizei ein – Bilder von Frauen in Handschellen, die von männlichen Beamten zu Boden gerungen wurden, sorgten für Empörung und setzten auch Premier Johnson unter Druck.