Zhongnanhai-Gebäudekomplex in der chinesischen Hauptstadt Peking
Reuters/Carlos Garcia Rawlins
China vs. EU

Peking reagiert mit Gegensanktionen

Die Antwort aus Peking auf die von der EU erstmals seit 30 Jahren am Montag verhängten Sanktionen wegen Menschenrechtsverletzungen in China hat nicht lange auf sich warten lassen. China übte heftige Kritik an der EU und verhängte ebenfalls Sanktionen gegen führende EU-Abgeordnete. Das Außenministerium in Peking bestellte den EU-Delegationschef Nicolas Chapuis ein.

Fünf Mandatare, darunter die Deutschen Reinhard Bütikofer (Grüne) und Michael Gahler (CDU), dürfen laut einer Mitteilung des chinesischen Außenministeriums nicht mehr in das Land einreisen. Auch Geschäfte mit China werden ihnen untersagt. Auch Abgeordnete aus den Niederlanden, Belgien und Litauen sowie das Mercator Institute for China Studies in Berlin und die Alliance of Democracies Foundation in Dänemark sind von den chinesischen Gegenmaßnahmen betroffen.

„Die chinesische Seite ersucht die EU-Seite dringend, in sich zu gehen, die Schwere ihres Fehlers zu erkennen und ihn wiedergutzumachen“, erklärte das Außenministerium. Die EU müsse „aufhören, anderen Lektionen in Sachen Menschenrechte zu erteilen und sich in innere Angelegenheiten einzumischen“, hieß es von der chinesischen Regierung, die mit weiteren Maßnahmen drohte. Der Sanktionsbeschluss beruht laut dem kommunistischen Regime nämlich „nur auf Lügen und Desinformation“.

EU-Sanktionen gegen China

Die Europäische Union hat Sanktionen gegen China beschlossen. Die EU reagiert damit auf die Unterdrückung der Uiguren in China.

Der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) bezeichnete die Gegenmaßnahmen Chinas als „weder nachvollziehbar noch akzeptabel“. Der Schritt werde auch nicht dazu führen, dass die EU bei ihren Menschenrechtssanktionen „in Zukunft in irgendeiner Weise zurückhaltender“ sein werde.

Bütikofer nannte das Vorgehen Pekings „frech“ und „lächerlich“. „Die Führung will hier demonstrieren, dass sie die Meinungsfreiheit nicht nur im eigenen Lande unterdrücken, sondern durch Einschüchterung auch die Europäer daran hindern will“, sagte Bütikofer dem „Mannheimer Morgen“ (Dienstag-Ausgabe). Der Schritt sei aber nicht überraschend gekommen. Bütikofer sagte, es sei seit Jahren bekannt, dass es in China Umerziehungslager für Uiguren gebe. „Außerhalb von Nordkorea gibt es kein brutaleres Regime als das, was Peking dort errichtet hat.“

EU verhängte Sanktionen trotz Warnungen

Trotz Warnungen im Vorfeld etwa durch den chinesischen EU-Botschafter Zhang Ming, der die EU-Pläne scharf kritisiert und darauf hingewiesen hatte, das sein Land nicht klein beigeben werde, wenn andere auf Konfrontation bestünden, setzten die EU-Außenminister am Montag die konkreten Schritte. Sie beschlossen die Strafmaßnahmen gegen vier Partei- und Regionalvertreter sowie eine Organisation aus der Provinz Xinjiang aufgrund von Menschenrechtsverstößen gegen die muslimische Minderheit der Uiguren.

Alle Betroffenen sind nach Auffassung der EU für die massenhafte willkürliche Internierung und erniedrigende Behandlung von Uiguren und Angehörigen anderer muslimischer ethnischer Minderheiten sowie systematische Verstöße gegen die Religions- und Weltanschauungsfreiheit dieser Menschen verantwortlich. Die Menschenrechtsverletzungen seien im Zuge eines „großangelegten Überwachungs-, Internierungs- und Indoktrinationsprogramms“ gegen muslimische ethnische Minderheiten erfolgt, heißt es im EU-Amtsblatt.

Umerziehungslager in Dabancheng in der autonomen chinesischen Provinz Xinjiang
Reuters/Thomas Peter
Die EU wirft China Menschenrechtsverletzungen an internierten Uiguren vor

Die EU-Sanktionen sehen vor, dass sämtliche Vermögenswerte der betroffenen natürlichen oder juristischen Personen eingefroren werden. Außerdem dürfen ihnen kein Geld oder wirtschaftliche Ressourcen mehr zur Verfügung gestellt werden. Die Einreise in die EU ist ihnen nun ebenfalls verboten.

Peking weist Vorwürfe zurück

Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen sind in Xinjiang mindestens eine Million muslimische Uiguren, Kasachen, Hui und Mitglieder anderer Minoritäten in Hunderten Haftlagern eingesperrt. Dort werden sie den Angaben zufolge zur Aufgabe ihrer Religion, Kultur und Sprache gezwungen, teilweise auch misshandelt. Peking weist die Vorwürfe zurück und spricht von Ausbildungs- und Arbeitsprogrammen, die Extremismus in der Region bekämpfen sollen.

Uiguren sind ethnisch mit den Türken verwandt und fühlen sich in Xinjiang von den herrschenden Han-Chinesen unterdrückt. Nach ihrer Machtübernahme 1949 in Peking hatten die Kommunisten das frühere Ostturkestan der Volksrepublik einverleibt.

Strafmaßnahmen zuletzt 1989

Wegen Menschenrechtsverletzungen hatte die EU zuletzt nach dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Peking 1989 Strafmaßnahmen gegen China verhängt. Sie umfassen unter anderem ein Waffenembargo, das bis heute gilt. Bei der blutigen Niederschlagung der Demokratiebewegung waren bei einem Einsatz der Volksbefreiungsarmee gegen friedliche Demonstranten Hunderte Menschen ums Leben gekommen. Die genaue Zahl ist bis heute nicht bekannt.

Die EU setzt für die Sanktionen einen im Dezember verabschiedeten Rechtsrahmen ein, durch den Menschenrechtsverletzungen weltweit besser geahndet werden sollen. Erstmals hatte die EU Anfang März im Fall des inhaftierten russischen Oppositionellen Alexej Nawalny davon Gebrauch gemacht.

ÖVP-Außenminister Alexander Schallenberg bezeichnete den Schritt gegen China am Montag als ein „wichtiges Signal“. „Der Einsatz für Menschenrechte kann keinen Lockdown kennen. Mit diesem Menschenrechtssanktionsregime haben wir endlich ein wertegerechtes Werkzeug zur Hand, mit dem wir schneller und flexibler agieren können“, sagte Schallenberg.

China wichtiger Handelspartner

Dass die EU erst in diesem Jahr Sanktionen wegen des chinesischen Umgangs mit den Uiguren verhängt, hat nach Ansicht von Kritikern vor allem damit zu tun, dass China für die EU ein äußerst wichtiger Handelspartner ist. So war erst im vergangenen Dezember unter deutscher EU-Ratspräsidentschaft eine grundsätzliche Einigung auf ein Investitionsabkommen erzielt worden, das europäischen Unternehmen Geschäfte in China erleichtern soll.

US-Präsident Joe Biden sah diesen Schritt kritisch, denn er sucht eigentlich eine Allianz mit Verbündeten wie den Europäern im Umgang mit China. Die USA hatten bereits im vergangenen Sommer wegen der Unterdrückung muslimischer Minderheiten Sanktionen gegen führende chinesische Politiker und eine Institution erlassen. Am Montag wurden weitere US-Sanktionen gegen zwei Chinesen verhängt, denen Washington die Beteiligung an der gewaltsamen Unterdrückung der Uiguren vorwirft.