Polizisten und Demonstranten rennen auf der Straße
Reuters
Demos in Myanmar

Militär erschießt Dutzende Menschen

In Myanmar sind bei erneuten Protesten am Samstag Augenzeugen und Medienberichten zufolge mindestens 90 Menschen ums Leben gekommen. Andere Quellen sprechen von 114 Toten. Vielen von ihnen schoss das Militär in den Kopf. Trotz dieser drohenden Gefahr, die die Sicherheitskräfte explizit zur Einschüchterung nutzen, gingen in Yangon, Mandalay und anderen Städten wieder zahlreiche Menschen auf die Straßen, um gegen den Putsch vom 1. Februar zu demonstrieren.

Der Chef der Militärregierung erklärte am Samstag, dem Tag der Armee, das Militär wolle das Volk schützen und strebe nach Demokratie. Nach der jährlichen Parade in der Hauptstadt Naypyitaw sagte der Chef der Junta, General Min Aung Hlaing, im staatlichen Fernsehen: „Die Armee will sich mit der ganzen Nation zusammentun, um die Demokratie zu sichern.“ Gewalthandlungen, die die Stabilität und Sicherheit beeinträchtigen würden, seien unangebracht. Er wiederholte sein Versprechen, Wahlen abzuhalten, nannte aber kein Datum.

Soldaten mit Fackeln und Flaggen marschierten am Samstag flankiert von Militärfahrzeugen durch Naypyidaw. General Hlaing richtete eine Warnung an die Juntagegnerinnen und -gegner. „Terrorismus, der schädlich für die Ruhe und Sicherheit des Staates sein kann“, sei nicht hinnehmbar, sagte er. „Die Demokratie, die wir uns wünschen, wäre eine undisziplinierte, wenn wir sie nicht respektieren und das Gesetz brechen.“ Tags zuvor hatte es im staatlichen Fernsehen eine Drohung gegen die Demonstrierenden gegeben. „Sie sollten lernen, dass man Gefahr läuft, in den Kopf und den Rücken geschossen zu werden“, hieß es über den Sender MRTV.

Nur wenige Delegationen nahmen teil

Mit dem Tag der Armee erinnert Myanmar an den Beginn des Widerstands gegen die japanische Besatzung. Normalerweise nehmen an der Militärparade aus diesem Anlass auch ausländische Regierungsvertreter teil. Die Militärjunta wird aber von vielen Staaten nicht anerkannt.

Militärparade in Naypyitaw, Myanmar
REUTERS
Das Militär demonstrierte seine Macht mit einer Parade

An der Parade teil nahmen acht Delegationen, darunter der russische Vizeverteidigungsminister Alexander Fomin. Laut Staatsagentur TASS wollen Russland und Myanmar ihre Beziehungen verstärken. Beide Staaten wollten eine militärische und militärtechnische Zusammenarbeit entwickeln, so TASS. Hlaing sagte laut der britischen BBC, dass Russland ein wahrer Freund sei. Auch eine chinesische Delegation nahm teil. Die EU-Delegation in Myanmar erklärte unterdessen, der Feiertag in diesem Jahr werde „als ein Tag von Terror und Entehrung“ in die Geschichte eingehen.

„Krieg ist erst zu Ende, wenn wir ihn gewonnen haben“

Dass die Drohungen des Militärs, Gegnerinnen und Gegnern in den Kopf zu schießen, mehr als ernst zu nehmen sind, beweisen die jüngsten Todesfälle. Allein in Mandalay sollen mindestens 29 Menschen getötet worden sein, darunter ein Kind, berichtete örtliche Medien. Dem Nachrichtenportal Myanmar Now zufolge starben 24 oder mehr Menschen in Yangon. Unter den Opfern in Yangon soll ein 21-jähriger Zivilist namens Chit Bo Nyein sein. Nyein habe in dem Teeladen seiner Familie ausgeholfen, als er erschossen worden sei, sagte ein Familienangehöriger der dpa.

Brennende Autoreifen auf einer blockierten Straße
Reuters
Die Gewalt gegen Demonstrierende in Myanmar nimmt zu

Auch in anderen Teilen des Landes starben Medienberichten zufolge zahlreiche Menschen bei Protesten. „Dieser Krieg ist erst zu Ende, wenn wir ihn gewonnen haben“, sagte ein Aktivist, der anonym bleiben wollte, bei einer Demo in der Nähe der berühmten Sule-Pagode in der größten Stadt Yangon. „Wir hören nicht auf, bis es Freiheit und Gerechtigkeit gibt.“ Das Militär Myanmars habe Schande über sich gebracht, indem es auf „unbewaffnete Zivilisten“ geschossen habe, schrieb der britische Botschafter Dan Chugg auf Twitter.

Gezielte Tötungen in Myanmar

In Myanmar dreht sich die Gewaltspirale immer weiter, bei erneuten Protesten gegen das Militärregime sind 50 Menschen ums Leben gekommen. Über das staatliche Fernsehen hatte das Regime die Demonstranten zuvor gewarnt und angekündigt, das Feuer zu eröffnen.

In Yangon gingen Sicherheitskräfte noch vor Sonnenaufgang gegen Demonstrierende vor. In der nordöstlichen Stadt Lashio schossen Sicherheitskräfte auf demonstrierende Studentinnen und Studenten. „Die Armee und die Polizei kamen einfach und schossen auf sie“, sagte der örtliche Journalist Mai Kaung Saing der Nachrichtenagentur AFP. „Sie haben die Demonstranten nicht gewarnt und scharfe Munition verwendet.“

Über 300 Tote insgesamt

Seit dem Militärputsch gibt es fast täglich Proteste gegen die Machtübernahme. Mehr als 3.000 Demonstrierende wurden seit Beginn der Proteste festgenommen, über 300 Menschen wurden nach Angaben myanmarischer Menschenrechtsaktivistinen und -aktivisten getötet. Laut der Gefangenenhilfsorganisation AAPP starben rund ein Viertel davon durch Kopfschüsse.

Die Demonstrierenden fordern Demokratie sowie die Freilassung der festgesetzten De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi. Ihre Partei Nationale Liga für Demokratie (NLD) hatte bei der Wahl im November einen erdrutschartigen Sieg gefeiert. Das Militär erkennt diesen jedoch nicht an, da es nach seiner Darstellung Wahlbetrug gegeben haben soll, und entmachtete Anfang Februar die zivile Regierung.