Viele Festnahmen bei Protesten in Weißrussland

Begleitet von einem großen Polizeiaufgebot hat es in Weißrussland vereinzelt neue Proteste gegen Machthaber Alexander Lukaschenko gegeben. Dabei gingen Sicherheitskräfte gestern bei Festnahmen teilweise brutal vor, wie Fotos und Videos in Sozialen Netzwerken zeigten.

Das Menschenrechtszentrum Wjasna listete bis zum Abend die Namen von mehr als 170 Festgenommenen auf. In einem Video war zu sehen, wie schwarz gekleidete Einsatzkräfte einen Mann auf einer Wiese zu Boden drückten und Frauen dazwischengingen.

Kleine, dezentrale Aktionen

In Aufrufen waren die Proteste zuvor noch als erste größere Aktionen der Opposition in diesem Jahr angekündigt worden. In Medienberichten war zunächst jedoch keine Rede von Menschenansammlungen in der Hauptstadt Minsk oder anderen Städten. Die Opposition rief deshalb zu kleinen dezentralen Aktionen auf. Es seien wahllos Passanten etwa an Bushaltestellen festgenommen worden, hieß es. Darunter seien mehrere Medienvertreter gewesen, teilte der Journalistenverband mit. Betroffen war auch ein Korrespondent der Deutschen Welle (DW).

Über den Winter hatte es keine größeren Protestaktionen mehr gegeben – auch aus Angst vor Polizeigewalt. Erst am Donnerstag gingen zum Tag der Freiheit erstmals wieder Hunderte Menschen gegen Lukaschenko auf die Straße. Die Behörden sprachen von mehr als 200 Festnahmen. Ermittelt wurde danach zudem gegen Autofahrer, die aus Solidarität mit den Demonstranten auf der Straße gehupt hatten.

Tichanowskaja warb für Verhandlungen

Nach der weithin als gefälscht geltenden Präsidentenwahl am 9. August hatten Hunderttausende Menschen den Rücktritt Lukaschenkos und Neuwahlen gefordert. Die Polizei ging brutal gegen Demonstranten vor und nahm Zehntausende fest. Der als „letzter Diktator Europas“ kritisierte Staatschef hatte sich nach 26 Jahren an der Macht erneut zum Sieger erklären lassen. Die EU erkennt ihn nicht mehr als Präsidenten an. Er stützt sich auf Russland als Verbündeten.

Die Bürgerrechtlerin Swetlana Tichanowskaja, die von der Opposition als wahre Siegerin der Präsidentenwahl angesehen wird, warb erneut für Verhandlungen mit der autoritären Führung unter internationaler Vermittlung. So könne ein „friedlicher Ausweg aus der Krise in Belarus“ gefunden werden, schrieb sie bei Telegram. Mehr als 750.000 Menschen hätten bereits auf einer eigens eingerichteten Onlineplattform für den Beginn solcher Verhandlungen gestimmt.