Ärztin klebt ein Pflaster auf den Oberarm eines kleinen Mädchens
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CoV-Impfungen

Kinder rücken in den Fokus

Schwere Krankheitsverläufe sind die Ausnahme, wenn sich Kinder mit dem Coronavirus infizieren, vielfach zeigen junge Menschen keine Symptome. Dennoch werden auch für sie Impfstoffe mit zunehmender Intensität entwickelt – zu entsprechenden Studien sind die Hersteller seitens der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) auch verpflichtet. Mit gutem Grund, betonten Experten gegenüber ORF.at.

„Kinder sind nicht Treiber des Infektionsgeschehens, haben aber einen beträchtlichen Anteil daran“, sagte Universitätsprofessor Karl Zwiauer, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde und Mitglied des Nationalen Impfgremiums. Die Rolle hat sich in den vergangenen Wochen deutlich verstärkt: In Kalenderwoche zwölf (22. bis 28. März) war Daten der Coronavirus-Kommission zufolge ein Fünftel der insgesamt 22.809 Neuinfizierten unter 20 Jahre alt.

Zurückzuführen ist das vermutlich darauf, dass die zuerst in Großbritannien nachgewiesene CoV-Variante B.1.1.7 ansteckender ist und bei Kindern und Jugendlichen eher symptomatisch verläuft und damit leichter erkannt werden kann.

Die Verlagerung des Infektionsgeschehens führte auch Arnold Pollak, emeritierter Leiter der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde der MedUni Wien und des AKH Wien, ins Treffen: Zwar seien derzeit nur etwa 1,5 Prozent aller wegen CoV stationär aufgenommenen Patienten und Patientinnen unter 14 Jahren, doch auch bei den Hospitalisierungen würde der Altersschnitt laufend sinken. Pollak weiter: „Man muss also vorbereitet sein, auch Kinder und Jugendliche zu impfen.“

Vielversprechende Studie

Biontech und Pfizer sandten Mitte der Woche eine vielversprechende Nachricht aus: Einer Studie in den USA mit 2.260 jungen Menschen zwischen zwölf und 15 Jahren zufolge schütze der Impfstoff der beiden Unternehmen in dieser Altersgruppe zuverlässig vor einer CoV-Erkrankung. In der Gruppe der ungeimpften Probanden (1.131) traten insgesamt 18 CoV-Fälle auf, bei den geimpften (1.129) gab es keinen Erkrankungsfall. Noch sind die Ergebnisse jedoch nicht von Fachleuten begutachtet und publiziert.

Die Teilnehmenden hätten den Impfstoff gut vertragen, die Nebenwirkungen seien „vergleichbar mit denen bei 16- bis 25-Jährigen“. Biontech und Pfizer planen nun, die Daten in den kommenden Wochen bei der EMA und dem US-Pendant FDA einzureichen. Bisher gibt es in der EU nur eine bedingte Zulassung für über 16-Jährige.

Das US-Unternehmen Moderna und der britisch-schwedische Pharmakonzern AstraZeneca planen derzeit Tests an noch Jüngeren – eine Studie von Moderna soll sogar Kinder ab sechs Monaten berücksichtigen. Der US-Hersteller Johnson & Johnson, dessen Impfstoff erst Anfang März in der EU zugelassen wurde, will diesem Beispiel bald folgen. Studien mit Kindern unter zwölf Jahren gehören zu den Auflagen der EMA, die an die bedingten Zulassungen für Erwachsene geknüpft sind. Spätester Abgabetermin der Ergebnisse ist Ende 2024.

Impfdosen von Pfizer-BioNTech
Reuters/Carlos Osorio
Biontech und Pfizer machen Hoffnung auf eine baldige Impfung für Junge

Ethische Hürden und anderes Augenmerk

Bei den Studien würde generell so vorgegangen, dass man sich altersmäßig „hinunterarbeite“, sagte Zwiauer gegenüber ORF.at. Im Regelfall würden die jungen Testteilnehmer in drei Gruppen unterteilt: null bis sechs Jahre, sechs bis zwölf und zwölf bis 18. Weitere Differenzierungen seien aber durchaus möglich.

Dass ein Impfstoff für Kinder und Jugendliche noch nicht auf dem Markt ist, hat Pollak zufolge primär den Grund, dass anfangs – wie es auch dem Impfplan entspricht – die besonders gefährdeten Gruppen wie ältere oder immunsupprimierte Menschen im Fokus standen. Zwiauer sprach auch von „ethisch größere Hürden“: Seinen Kindern würde man unerprobte Substanzen noch weitaus weniger aussetzen wollen als sich selbst.

Zudem gebe es zu bedenken, dass, je jünger der geimpfte Mensch ist, die Reaktivität, also mögliche Nebenwirkungen, umso stärker ausfallen könnte. Der Grund: Das Immunsystem ist in jungen Jahren im Normalfall gut intakt, jeder Eindringling von außen wird dementsprechend intensiv bekämpft.

Gefährliche Langzeitfolgen

Kinder bleiben in der Regel zwar von schweren CoV-Erkrankungen verschont, vereinzelt wird es aber auch bei ihnen bedrohlich. Besonders gefährlich ist das Entzündungssyndrom MIS-C: Es handelt sich dabei um eine überschießende Reaktion des Immunsystems, die zwei bis vier Wochen nach einer Infektion auftreten kann. Die zentralen Symptome sind hohes Fieber und ein starkes Krankheitsgefühl, dazu kommen oft Bauchschmerzen. Bleibt die Erkrankung unerkannt, droht ein Organversagen.

Durchbrechen der Infektionskette als Ziel

Dass intensiv an Impfstoffen für Junge gearbeitet wird, hat allerdings – ganz abgesehen vom finanziellen Interesse der Hersteller – nicht nur mit Gefahrenminimierung für diese Bevölkerungsgruppe zu tun. „Man darf nicht vergessen, dass es viele Länder außerhalb Europas mit einem hohen Anteil ihrer Population an Kindern und Jugendlichen gibt. Für diese Länder wird die Impfung der Kinder eine entscheidende Rolle spielen, um die Infektionskette zu durchbrechen“, gab Pollak zu bedenken.

Selbiges gilt aber auch in Österreich, wo rund 1,7 Millionen unter 18-Jährige leben: Um die Pandemie zu einer Epidemie zu machen, sei es notwendig, den „Pool an Erkrankten“ zu dezimieren, so Zwiauer. Berechnungen zufolge würde das Ansteckungsrisiko um 60 bis 70 Prozent sinken, wenn auch junge Menschen durchgeimpft würden.

Sowohl Zwiauer als auch Pollak sprechen sich dezidiert für eine Impfung aller Kinder und Jugendlicher aus, sobald ein Mittel approbiert sei – was noch heuer der Fall sein könnte. Die Immunisierung der Gefährdeten in dieser Altersgruppe allein hätte kein Potenzial, das Infektionsgeschehen zu bremsen.