Der amerikanische Schauspieler Jared Leto.
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Schmuck-Comeback

Männer mit Broschen angesteckt

Die Brosche konnte man lange Zeit eigentlich nur an zwei Stellen finden: an älteren Damen oder in deren Schubladen. Sein biederes Image ist das Schmuckstück mit seiner jahrhundertelangen Geschichte aber los. Ein Revival erlebt es derzeit vor allem – aber nicht nur – bei modebewussten Männern.

„Die Brosche ist zurück, Baby“, titelte die „New York Times“ jüngst, und das nicht ohne Grund. Serienstar Rege-Jean Page („Bridgerton“) zeigte sich bei seinem „Saturday Night Live“-Auftritt vor wenigen Wochen in einem mit drei Perlenbroschen geedelten Anzug von Alexander McQueen. Oscar-Preisträger Jared Leto trug anlässlich der Golden Globes eine große Blumenbrosche von Gucci. Und auch der Comedian Trevor Noah griff für die Grammys zur 35.000 Dollar teuren Anstecknadel von Tiffany-Schlumberger.

„Dieses Mal liegt es an Männern, die Brosche wieder cool zu machen“, stellte die Schmuckexpertin Marion Fasel in der US-Zeitung fest. Labels wie Gucci und Dior richten sich mit ihren Broschen – ob verspielt, opulent oder filigran – auch dezidiert an „ihn“. Mit Broschen könne man die Optik eines maskulinen, maßangefertigen Anzugs in etwas „Genderfluideres“ ändern, sagte Victoria Pass, Assistenzprofessorin für Modegeschichte am Maryland Institute College of Art.

Kabarettist, Moderator und Schauspieler Trevor Noah.
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Der Comedian Noah zeigte sich bei den Grammys in einem Anzug mit einer 35.000 US-Dollar teuren Anstecknadel von Tiffany-Schlumberger

Brosche mit Botschaft

Broschen seien eine neue Art und Weise, wie sich Männer ausdrücken können, erklärte der New Yorker Designer Carlton Jones. Auch das Modemagazin „GQ“ nannte Broschen in Richtung männlicher Leserschaft als Trend für den Sommer: Tragen könne man diese „zum Beispiel am Revers eines Sakkos oder einer Jacke“.

Broschen bleiben – wie so gut wie jeder andere Modetrend auch – freilich nicht nur einem Geschlecht vorbehalten. Für Furore sorgte im Jänner etwa auch jene Anstecknadel, die bei der Angelobung von Joe Biden zum US-Präsidenten an Lady Gaga zu sehen war. Die Sängerin zeigte sich bei ihrem Auftritt nämlich mit einer großen weißen Taube samt Olivenzweig am Revers.

Lady Gaga singt die amerikanische Nationalhynme bei der Angelobung Joe Bidens zum 46. Präsidenten der Vereinigten Staaten.
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Bei ihrem Auftritt bei der Angelobung von Biden wollte Lady Gaga mit ihrer Brosche eine Friedensbotschaft überbringen

Auch eine dazu passende Botschaft hatte die Künstlerin in petto: „Mögen wir alle miteinander Frieden schließen“, sagte sie nur wenige Wochen nach der Erstürmung des US-Kapitols durch militante Anhänger von Ex-Präsident Donald Trump. „Die Modewelt hat endlich die Bedeutung von Schmuck als Überbringer von Botschaften zu Themen wie Liebe, Frieden, Einigkeit, Freundschaft und Hingabe verstanden“, so die Kunsthistorikerin Nichka Marobin über Gagas Schmuckwahl.

„Besser als ein Tweet“

„Heutzutage ist eine Brosche besser als ein Tweet“, sagte die Stylistin Kristen Ingersoll. Wenig überraschend erfreuen sich Broschen und Anstecknadeln mit pointierten politischen Botschaften auch großer Beliebtheit bei Millennials und Angehörigen der Generation Z. Ein bei jungen Menschen beliebtes Anstecknadellabel ist Dissent Pins, welches seit Trumps Wahlsieg 2016 Anstecknadeln mit politischen Botschaften herstellt.

So gibt es etwa Anstecknadeln wie „Zählt jede Stimme!“ (inspiriert vom Auszählungskrimi der vergangenen US-Wahl), „Ich bin geimpft“ (passend zur Pandemie) und auch „Flammende Feministin“. Das Label ließ sich von der verstorbenen liberalen Ikone und Höchstrichterin Ruth Bader Ginsburg inspirieren, die ihre Krägen als politisches Statement einsetzte. Den schwarzen mit Glitzersteinen besetzten Kragen „Dissent Collar“ trug sie dann, wenn sie im Supreme Court Widerspruch signalisieren wollte. Dem „Dissent Collar“ widmete das Label daher auch eine eigene Anstecknadel.

Albright als Broschenbotschafterin

Die Politik mit der Brosche ist allerdings nichts Neues. Denn Broschen wurden von Politikern immer wieder getragen, um gewisse Statements zu setzen. Als prominente Broschenbotschafterin galt etwa die erste Außenministerin der USA, Madeleine Albright. Als irakische Medien sie wegen ihrer Kritik an Saddam Hussein als Schlange bezeichneten, nahm Albright sich das via Brosche zu Herzen. Bei der Konferenz zur NATO-Osterweiterung 1997 trug sie eine Brosche in Form einer Friedenstaube.

Viel Aufmerksamkeit bekam 2019 auch die Spinnenbrosche, die die britische Richterin Lady Brenda Hale trug, als sie einen Antrag auf Zwangsurlaub des Parlaments von Premier Boris Johnson für unrechtmäßig erklärte. Britische, aber auch deutschsprachige Medien debattierten über deren Symbolik.

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Die ehemalige US-Staatssekretärin Madleine Albright.
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Die ehemalige US-Außenministerin Madeleine Albright wollte mit ihren Broschen Statements setzen
Lady Brenda Hale mit Brosche in Spinnen-Form.
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Die Spinnenbrosche von Lady Brenda Hale ließ in Großbritannien 2019 die Wogen hochgehen
Kate und Charlotte Middleton bei der Ankunft in Kanada im September 2016.
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Herzogin Kate zeigte sich bei ihrem Kanada-Besuch 2017 mit Ahornblattbrosche – ein Zeichen der Verbundenheit

Auch bei Royals haben symbolgeladene Broschen Tradition: Princess Michael of Kent wählte für jenes Weihnachtsessen im Buckingham Palast, an dem 2017 erstmals auch Meghan Markle teilnahm, eine Brosche, die als Relikt der Sklaven- und Kolonialzeit gilt und damit für viel Kritik (ob der rassistischen Untertöne des Schmuckstücks) sorgte. Eine positive Botschaft versuchte wohl Prinzessin Kate zu senden, als sie bei einem Kanada-Besuch 2017 eine Ahornblattbrosche als Symbol der Verbundenheit zum Gastgeberland trug.

Geschichte eines Schmuckstücks

Die Geschichte der Brosche reicht jedenfalls weit zurück: Seit der Bronzezeit hielt man Kleidung mit Fibeln zusammen, die zunehmend auch mit Ornamenten bzw. Perlen bestückt wurden. Mit Aufkommen des Knopflochs im 13. Jahrhundert wurde die Brosche langsam aber doch zum reinen Schmuckstück. Verziert wurde sie zunächst mit Blumen- bzw. Schleifenelementen.

Die französische Adelige Marie de Rabutin-Chantal, Marquise de Sevigne, verhalf der mit Diamanten verzierten Brosche in Schleifenform im 18. Jahrhundert zum Durchbruch. Bis zum 19. Jahrhundert war diese auch ein bei Männern beliebtes Accessoire. Danach wurden die Unterschiede zwischen Männer- und Frauenkleidung „größer und sichtbarer“, wie Cornelie Holzach, Leiterin des Schmuckmuseums Pforzheim, in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ sagte.

Heutzutage findet die Brosche langsam wieder ihren Weg zurück in die Schubladen von Mann und Frau, jung wie alt. Regeln gilt es laut der Londoner Stylistin Chloe Beeney eigentlich kaum zu beachten: „Man kann sie an die Taille, an die Schultern, an den Hals oder an der Brust platzieren.“ Nur eines dürfe man der Schmuckexpertin Lori Ettlinger Gross zufolge nicht vergessen: „Broschen richten alle Aufmerksamkeit auf jene Stelle, an der wir sie anstecken.“