Uigure bei einer Demonstration
AP/Emrah Gurel
Menschenrechte

Chinas Imagekampagne gegen schlechte PR

Die Vorwürfe, China verübe an der muslimischen Uiguren-Minderheit Völkermord, haben weltweit für große Aufmerksamkeit gesorgt. Peking will das Image der betroffenen Region Xinjiang mit einer kulturellen Offensive aufpolieren. Das jüngste Werk ist ein Musical-Film, der ländliche Idylle und ethnischen Zusammenhalt zeigt. Anleihen soll man sich am Hollywood-Blockbuster „La La Land“ genommen haben.

Der Streifen mit dem Titel „The Wings of Songs“ wurde Ende März landesweit in China lanciert. „Im gesamten Film wird gesungen und getanzt, wobei es um die prächtige kulturelle Tradition und das schöne Leben verschiedener ethnischer Gruppen“ in der autonomen Region Xinjiang gehe, bewirbt der staatliche Auslandsrundfunk der Volksrepublik, Radio China International, das Werk. Das Publikum könne „die Bräuche, die Folklore und die mitreißende Lebensfreude von acht verschiedenen ethnischen Gruppen kennenlernen – ein audiovisueller Genuss der besonderen Art“, hieß es über den staatlich produzierten Film.

Laut der englischsprachigen staatlichen „Global Times“ sind Musikfilme in China eine Rarität, obwohl es sich um den größten Filmmarkt der Welt handle. Chinesische Studios seien aber nun von Übersee-Hits wie „La La Land“ und dem indische Blockbuster „Baahubali: The Beginning“ inspiriert worden. Nun sollten auch eigenproduzierte filmische Musicals in China ihren Durchbruch bekommen.

Schwere Vorwürfe gegen Peking

„The Wings of Songs“ ist Teil einer PR-Offensive, um das Image der Region neu zu besetzen – ohne Massenüberwachung und Repression. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen sind in Xinjiang mindestens eine Million muslimische Uiguren, Kasachen, Hui und Mitglieder anderer Minoritäten in Hunderten Haftlagern eingesperrt. Dort werden sie den Angaben zufolge zur Aufgabe ihrer Religion, Kultur und Sprache gezwungen, teilweise auch misshandelt. Peking weist die Vorwürfe zurück und spricht von Ausbildungs- und Arbeitsprogrammen, die Extremismus in der Region bekämpfen sollen.

Peking kuratiere eine Erzählung über Xinjiang, ein Narrativ, das die tatsächliche Lage ausblende, so die Nachrichtenagentur AFP. Dazu gehörten Lieder, Fotoausstellungen und nun auch „The Wings of Songs“. Der Film, dessen Premiere um ein Jahr verschoben wurde, handelt von drei Männern unterschiedlicher ethnischer Herkunft und ihrer Freundschaft. Sie ziehen ins Land, um die regionale Musik kennenzulernen und gießen diese Funde in einen gemeinsamen Song, ihren musikalischen Lebenstraum. Gezeigt werden dazu schneebedeckte Berge und Wüstenlandschaften der Region.

Nicht gezeigt würden hingegen die flächendeckend verstreuten Überwachungskameras und Sicherheitschecks der Region. Auch gebe es keine Verweise auf den Islam, man sehe etwa keine Moscheen, obwohl mehr als die Hälfte der örtlichen Bevölkerung muslimischen Glaubens ist. Eine der Hauptfiguren, die einen Uiguren darstellt, trinke im Film Bier.

Diplomatische und wirtschaftliche Verwerfungen

Die Unterdrückung der Uiguren hatte zuletzt zu schweren internationalen Verwerfungen geführt. Im März gingen die EU, die USA, Kanada und Großbritannien gemeinsam mit Sanktionen gegen chinesische Verantwortliche vor. China reagierte prompt mit Gegensanktionen. Zuletzt sperrte Peking mehrere Apps, etwa Clubhouse, eine beliebte Plattform, wo es vorübergehend unzensierte Diskussionen gab. Dort hatten Uigurinnen und Uiguren ungeschönte Berichte über ihr Leben geteilt. Auch der verschlüsselte Messenger-Dienst Signal war in China nicht mehr erreichbar.

Unter Druck kamen zuletzt auch große Markenkonzerne wie Nike und der schwedische Moderiese H&M. Sie verkündeten, keine Baumwolle mehr aus Xinjiang beziehen zu wollen. Immer wieder werden Berichte publik, wonach die Uiguren dort Zwangsarbeit verrichten müssen.

Nun gerieten die westlichen Konzerne in China schwer in die Kritik. Chinesische Verbraucher würden „widerspenstige Unternehmen boykottieren“, hieß es etwa beim Staatssender CCTV. Auch in den Sozialen Netzwerken kursierten vielfach geteilte Boykottaufrufe gegen das Unternehmen. Auf mehreren großen Online-Einkaufsplattformen waren Produkte von H&M nicht mehr zu finden. Eine Reihe chinesischer Stars kündigte öffentlich die Zusammenarbeit mit den Konzernen auf.

Botschaft scheint anzukommen

Die neue Imagekampagne rund um Xinjiang habe auch damit etwas zu tun, zitierte am Samstag der „Guardian“ AFP. Sie ziele vor allem darauf ab, den Konsum im Land und in der Region aufrechtzuerhalten, wurde Larry Ong von der US-Beraterfirma SinoInsider zitiert. Man wisse, dass „eine Lüge, eintausendmal wiederholt, so zur Wahrheit werde“. Die Botschaft von „The Wings of Songs“ kommt bei vielen anscheinend auch an: „Ich war schon in Xinjiang, und der Film ist sehr realistisch“, sagte ein Zuschauer gegenüber der Nachrichtenagentur AFP in Peking. „Die Menschen sind glücklich, frei und offen“, sagte er.