Der am 17. Jänner 1955 geborene Ivo hatte ImPulsTanz 1984 mit Karl Regensburger gegründet und war dafür 2019 mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst ausgezeichnet worden. Schon vor der Festivalgründung hatte Ivo eine der beeindruckendsten Tanzkarrieren der vergangenen Jahrzehnte hinter sich gebracht.
Geboren als Sohn eines Bauarbeiters und einer Putzfrau in Brasiliens Metropole Sao Paulo studierte Ivo in den 1970ern zunächst Sozialwissenschaft und Psychologie sowie Philosophie und Soziologie in seiner Heimatstadt, absolvierte ab 1976 aber auch parallel eine Tanzausbildung im Dance Center Ruth Rachou.
1983 folgte der Schritt aufs internationale Parkett, als Ivo eine Einladung nach New York an Alvin Ailey’s American Dance Center annahm. Im Laufe seiner Karriere als Tänzer und Choreograf, die sich – für Tänzer immer noch ungewöhnlich – bis ins höhere Alter spannte, sollte Ivo mit Bühnengrößen wie Johann Kresnik, George Tabori und Marcia Haydee arbeiten.
Gründung des größten Tanzfestivals Europas
In der Vermittlung und kuratorischen Gestaltung entdeckte Ivo seine zweite Leidenschaft. Bereits 1984 gründete er gemeinsam mit Regensburger die Internationalen Tanzwochen Wien, die zunächst im Sportzentrum auf der Schmelz veranstaltet wurden. Diese entwickelten sich im Laufe der Jahre zum heute international renommierten ImPulsTanz, dem größten Tanzfestival Europas.
Mit Hoffnung und Leidenschaft habe man es geschafft, den Tanz im damals ausschließlich als Musikstadt begriffenen Wien zu etablieren, erinnerte sich Ivo 2019 bei der Verleihung des Ehrenkreuzes an diese Zeit: „Es ist möglich. Verliert nie die Hoffnung auf Veränderung!“ Auch wenn es ihn später zu neuen Aufgaben zog, blieb Ivo Wien und dem ImPulsTanz stets verbunden, wo er zuletzt etwa sein Ausbildungsprojekt „Biblioteca do Corpo“ präsentierte.
Kointendant am Opernhaus Sao Paulo
2013 wurde der Brasilianer Gastprofessor am Wiener Max-Reinhardt-Seminar. Zugleich zog es den umtriebigen Tänzer und Choreografen in andere Länder. So leitete er von 1996 bis 2005 das Tanztheater des Deutschen Nationaltheaters in Weimar und 2005 bis 2012 die Sektion Tanz der Biennale Venedig.
Zuletzt hatte Ivo 2017 die Leitung des Bale da Cidade de Sao Paulo übernommen, wo er im gleichen Jahr auch zum Kointendanten des Opernhauses aufstieg. In seiner alten Heimatstadt verstarb Ivo nun auch.
„Wien aus tänzerischem Dornröschenschlaf geholt“
Grünen-Kunst- und -Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer zeigte sich angesichts von Ivos Tod tief betroffen: „Ismael Ivo hat Wien aus seinem tänzerischen Dornröschenschlaf erweckt und die Vorstellung aus dem 19. Jahrhundert, dass Wien tanzt, erneut Realität werden lassen“, würdigte Mayer ihn in einer Aussendung.
Die Faszination, die Ivos Arbeit ausgeübt habe, habe, so Mayer, „in der Verbindung des Körperlichen mit dem Intellektuellen“ bestanden. „Seine Choreografien waren als Denkmuster zur Erlangung der Freiheit zu verstehen“, so Mayer, die Ivo als Autorität des internationalen Tanzes und begnadeten Tänzer bezeichnete. „Sein überraschender Tod hinterlässt eine riesige Lücke im österreichischen und internationalen Tanzleben.“
„Noch nicht fertig mit Plänen“
Ivos Tod sei nicht nur für die Tanzwelt ein schwerer Schlag, würdigte ihn Regensburger: „Das ist ein großer Verlust für alle, die ihn kannten, weil er ein wunderbarer und unglaublich großzügiger Mensch war.“ Der gebürtige Brasilianer habe einen stets mit seinem Optimismus mitgerissen, erinnerte sich Regensburger an die gemeinsame Arbeit. Auch für die heurige Festivalausgabe, die am 15. Juli starten soll, waren zahlreiche Kooperationsprojekte geplant gewesen.
Es sei ein Drama, dass der 66-jährige Ivo letztlich inmitten seines Schaffensdrangs von Covid-19 hinweggerafft worden sei. „Er war noch nicht fertig mit all seinen Plänen“, sagte Regensburger. So hätte noch im heurigen Herbst in Sao Paulo das Choreografische Zentrum Ismael Ivo öffnen sollen.