Iranische Atomanlage in Natans
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Iran

Mossad hinter Attacke auf Atomanlage

Die iranische Atomanlage Natans ist erneut Ziel eines Sabotageakts geworden – verantwortlich dafür dürfte Israels Geheimdienst Mossad sein. Israels öffentlich-rechtlicher Rundfunk Kan sprach Sonntagabend unter Berufung auf Geheimdienstkreise von einem „bedeutsamen“ Schaden und Rückschlag für Teheran. Der Iran selbst sprach nach Problemen mit der Stromversorgung bei der Inbetriebnahme moderner Uranzentrifugen von einem „Terrorakt“.

Damit spitzt sich die Konfrontation zwischen den beiden Staaten weiter zu – und das vor weiteren Gesprächen über eine Annäherung mit den USA. In Israel, für das ein atomar aufgerüsteter Iran eine Existenzgefahr darstellt, bestätigten Geheimdienstkreise, dass Israel hinter dem Sabotageakt in Natans steht.

Der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif sprach dpa-Angaben zufolge am Montag von einem Cyberangriff. Israel wolle sich damit rächen für den Fortschritt, den der Iran bei der Aufhebung der westlichen Sanktionen mache, zitierte das staatliche iranische Fernsehen Sarif. „Aber wir werden uns an den Zionisten rächen.“ Die iranische Nachrichtenseite Nournews berichtete unter Berufung auf Geheimdienstquellen, der Iran habe die Person identifiziert, die den Zwischenfall verursacht habe. Schritte zur Festnahme seien auf den Weg gebracht. Details zu der Person wurden nicht genannt

Der Sprecher der Iranischen Atombehörde (AEOI), Behrus Kamalwandi
APA/AFP/Iranian Presidency
AEOI-Sprecher Behrus Kamalwandi räumte einen „Zwischenfall“ ein

Iran spricht von „Terrorakt“

Was genau passierte, ist bisher nicht bekannt. Der Sprecher der Iranischen Atombehörde (AEOI), Behrus Kamalwandi, hatte am Sonntag von einem „Zwischenfall“ in einer Werkstatt außerhalb der eigentlichen Anlage. Ursache und Ausmaß müssten noch untersucht werden. Es sei niemand ums Leben gekommen, und die Anlage selbst habe ihre Arbeit wieder aufgenommen.

Zuvor war auch von einem Stromausfall die Rede gewesen, und ein Sabotageakt wurde nicht ausgeschlossen. Kan gegenüber bestätigten israelische Geheimdienstmitarbeiter, dass Israel hinter dem Angriff steckt. Es habe sich um eine Cyberattacke gehandelt, in die der Auslandsgeheimdienst Mossad involviert gewesen sei.

Der Iran sprach jedenfalls selbst von einem „Terrorakt“, was auf gröbere Probleme hindeuten könnte. „Wir verurteilen den Terrorakt in Natans als einen Versuch der Feinde des Iran, den nuklearen Fortschritt im Land zu verhindern“, sagte AEOI-Chef und Vizepräsident Ali Akbar Salehi am Sonntag. Ein weiteres Ziel des Angriffes sei es gewesen, die Atomverhandlungen in Wien zu sabotieren, teilte Salehi in einer Presseerklärung mit.

Hardliner fordern Rouhani zu Abbruch der Gespräche auf

Iranische Hardliner forderten am Montag Präsident Hassan Rouhani auf, die diplomatischen Verhandlungen zur Rettung des Wiener Atomabkommens abzubrechen. „Herr Rouhani, Terror und Verhandlungen passen nicht zusammen“, hieß es in ein Leitartikel der Nachrichtenagentur Tasnim.

Gegen Rouhani haben 190 Abgeordnete Anzeige erstattet, weil der Präsident angeblich die parlamentarischen Gesetze missachtet habe. Auch das soll im Zusammenhang mit den Atomverhandlungen stehen. Die Hardliner waren von Anfang an gegen die prowestliche Linie von Rouhani und gegen das Wiener Atomabkommen. Gespräche mit dem Erzfeind USA betrachten sie als Landesverrat.

Israel: Zentrifugen wohl beschädigt

Der israelische TV- und Radiosender Kan berichtete, dass der eigene Geheimdienst die Vorgänge als „bedeutsamen“ Schaden einstuften – und größer, als der Iran zugebe. Man könne davon ausgehen, dass auch die neuen Zentrifugen dabei beschädigt worden seien. Der Mossad schätze, dass der Iran damit in seinen Möglichkeiten, Uran anzureichern, zurückgeworfen werde.

Drei Tage vor dem israelischen Unabhängigkeitstag sagte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu bei einem Empfang, der Kampf gegen den Iran und seine Alliierten sei eine „gewaltige Aufgabe“. „Es ist nicht gesagt, dass der heutige Zustand auch für die Zukunft garantiert ist.“

„NYT“: Atomanreicherung um Monate zurückgeworfen

Der Angriff auf die Atomanlage wird nach Informationen der „New York Times“ („NYT“) die Urananreicherung dort um mindestens neun Monate zurückwerfen. Das berichtete das Blatt am Montag unter Berufung auf zwei höhere US-Geheimdienstmitarbeiter, die bei dem Angriff von einer israelischen Geheimdienstoperation sprachen. Der Angriff soll eine heftige Explosion ausgelöst haben, als deren Folge das gesamte Stromnetz einer Untergrundanlage, in der die Zentrifugen für die Urananreicherung hergestellt werden, zerstört worden sei. Es werde mindestens neun Monate dauern, die Schäden zu beheben.

Nicht erster Vorfall

In Natans sollten am Sonntag neue iranische Zentrifugen mit größerer Leistungsfähigkeit in Betrieb genommen werden, die laut Iran-Abkommen nicht erlaubt sind. Derzeit wird in Natans Uran auf bis zu 20 Prozent angereichert. Die Anlage war mehrfach Ort von Vorfällen oder Anschlägen, die Israel zugeschrieben wurden, das eine atomare Bewaffnung des Iran verhindern will.

Schon im letzten Sommer hatte es in Natans in einer Arbeitshalle zum Bau hochmoderner Zentrifugen eine schwere Explosion gegeben. Der Hintergrund blieb unklar. Die Rede war damals von einem Sabotageakt Israels, aber offiziell bestätigt wurde das nie. 2007 hatte zudem eine Explosion in der Energieversorgung Dutzende Zentrifugen in Natans zerstört.

1.000 Zentrifugen via Stuxnet zerstört

2010 wurden dort sogar mehr als 1.000 Zentrifugen durch Steuerungsbefehle des Schadvirus Stuxnet zerstört, der von Israel und den USA entwickelt worden sein soll. Trotz der Vorfälle konnte der Iran im März 2021 mit dem Einsatz neuer IR-4-Zentrifugen zur unterirdischen Urananreicherung in Natans beginnen.

Israel betrachtet das iranische Atomprogramm als eine existenzielle Gefahr, denn der Iran verfügt über Raketen mit einer Reichweite bis zu 2.000 Kilometern, die jeden Ort Israels treffen könnten. Hier gibt es über alle Parteigrenzen hinweg Einigkeit. Teheran betont, keine Atomsprengköpfe zu besitzen und die Raketen nur im Falle eines Vergeltungsschlags einzusetzen.

Ganz: „Strategische Bedrohung“

Der israelische Verteidigungsminister Benni Ganz sagte am Sonntag nach einem Gespräch mit seinem US-Kollegen Lloyd Austin: „Teheran stellt heute eine strategische Bedrohung der gesamten Region dar.“ Am 4. Jänner hatte Ministerpräsident Netanjahu bekräftigt, dass Israel dem Iran die Herstellung von Atomwaffen nicht gestatten werde. Sein Energieminister Juval Steiniz erklärte im Februar, der Iran könne binnen sechs Monaten genug Uran für eine Atombombe produzieren.

Nächste Runde in Wien am Dienstag

Am Dienstag werden in Wien die Atomverhandlungen zwischen dem Iran und den fünf verbliebenen Partnern – China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Russland – fortgesetzt. Dabei geht es um die Rückkehr der USA und des Iran zu den Vereinbarungen von 2015. Der Iran ist laut Rouhani grundsätzlich bereit, seine Verpflichtungen aus dem Abkommen wieder einzuhalten, wenn US-Präsident Joe Biden das Abkommen wieder vertragsgerecht umsetze.

Rouhani geht es insbesondere um die Aufhebung der Sanktionen, die Bidens Vorgänger Donald Trump nach seinem Ausstieg aus dem Deal 2018 gegen den Iran verhängt hatte. Bei einer Aufhebung der US-Sanktionen würden auch die Chancen der Reformer um Rouhani bei der Präsidentenwahl wieder steigen.