Einsatzkräfte vor dem Brooklyn Center Police Department
Reuters/Nicholas Pfosi
Toter Afroamerikaner

US-Polizistin zog Pistole statt Taser

Der erneute Tod eines Schwarzen bei einem Polizeieinsatz im US-Bundesstaat Minnesota ist nach ersten Erkenntnissen der Polizei auf einen versehentlichen Schuss zurückzuführen. Die Beamtin habe statt eines Elektroschockers (Taser) irrtümlich die Pistole gezogen und dann abgefeuert.

Das würden Aufnahmen der Bodycam der Sicherheitskräfte zeigen, so die Polizei am Montag bei einer Pressekonferenz. Die Polizistin habe mehrfach „Taser“ gerufen, dann aber einen Schuss mit ihrer Dienstwaffe und nicht mit dem Elektroschocker abgegeben. Der Polizeichef Tim Gannon sprach von einer „versehentlichen Schussabgabe“ und einem „tragischen Tod“.

Die Polizei hatte Daunte Wright am Sonntag wegen eines mutmaßlichen Verkehrsdelikts gestoppt. Die Aufnahmen der Körperkamera der Polizistin zeigen, wie der 20-Jährige sich losreißt, als die Beamten und Beamtinnen ihm Handschellen anlegen wollen, und zurück in sein Auto steigt. Es kommt zum Gerangel, und eine Polizistin ruft „Taser, Taser, Taser“, hat aber eine Pistole in ihrer Hand, aus der sich der Schuss zu lösen scheint.

Proteste trotz Ausgangssperre

Wegen der heftigen Proteste gegen Polizeigewalt ordneten die Behörden im Großraum Minneapolis eine nächtliche Ausgangssperre an. Diese gilt von Montag 19.00 Uhr bis Dienstag 6.00 Uhr, wie der Gouverneur des Bundesstaats Minnesota, Tim Walz, mitteilte. Die Bürgermeister der direkt nebeneinander liegenden Großstädte Minneapolis und St. Paul riefen zudem den Notstand aus.

Am Montagabend kam es doch wieder zu Protesten. Dutzende Demonstrantinnen und Demonstranten riefen Parolen und schwenkten Banner vor der Polizeistation von Brooklyn Center. Sie schmähten die Polizistinnen und Polizisten über einen neu errichten Zaun um die Polizeistation hinweg. „Alle rassistischen Mörderbullen ins Gefängnis“ und „Bin ich der Nächste?“ stand auf Schildern.

Bereits am Sonntag hatten sich in Brooklyn Center mehrere hundert Demonstrantinnen und Demonstranten versammelt. Der Zeitung „Star Tribune“ zufolge ging die Polizei mit Gummigeschoßen gegen die Protestierenden vor. Auf Fotos sind Menschen zu sehen, die auf den Motorhauben von Polizeiautos Fahnen der Bewegung „Black Lives Matter“ schwenken. Nach rund einer Stunde zog sich die Polizei zurück. Die Protestierenden entzündeten Kerzen.

Demonstrierende in Minneapolis
Reuters/Nicholas Pfosi
Der Vorfall löste in Minnesota Proteste gegen Polizeigewalt aus

Vor der örtlichen Polizeistation sei es dann zu Zusammenstößen zwischen Protestierenden und Sicherheitskräften gekommen, die unter anderem Tränengas eingesetzt hätten. Die örtliche Polizei habe Verstärkung von der Nationalgarde von Minnesota erhalten, die derzeit wegen des Prozesses gegen den Ex-Polizisten Derek Chauvin wegen des Todes des Afroamerikaners George Floyd Ende Mai vergangenen Jahres in Minneapolis stationiert sei.

Recht auf friedliche Demonstration

Der Bürgermeister von Brooklyn Center, Mike Elliott, nannte den Vorfall „herzzerreißend und einfach unfassbar“. Er sagte eine vollständige Aufklärung zu. Polizeichef Gannon sagte: „Es gibt nichts, was ich sagen kann, um den Schmerz der Familie zu lindern.“ Die Polizistin sei während der laufenden Untersuchung freigestellt worden. Elliott und Gannon betonten das Recht auf friedliche Demonstrationen, riefen aber zu Gewaltverzicht auf.

US-Präsident Joe Biden rief am Montag zur Ruhe auf. Er bezeichnete den tödlichen Polizeischuss als „wirklich tragisch“, mahnte aber Geduld bei den Ermittlungen an. Zugleich betonte Biden, es gebe „absolut keine Rechtfertigung für Plünderungen“. Friedliche Proteste dagegen seien „verständlich“. Biden sagte, er habe mit den Behörden in Minnesota gesprochen und sich die Aufnahmen des Vorfalls in der Vorstadt Brooklyn Center angesehen.

Der Zwischenfall ereignete sich knapp ein Jahr nach dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners Floyd am 25. Mai 2020 im wenige Kilometer entfernten Minneapolis, der weltweit für Empörung gesorgt und in den USA beispiellose Anti-Rassismus-Proteste ausgelöst hatte. In Minneapolis läuft derzeit der Prozess gegen den weißen Polizisten Chauvin, der dem 46-Jährigen nach seiner Festnahme wegen Falschgeldvorwürfen mehr als neun Minuten lang das Knie in den Nacken drückte, obwohl dieser flehte, ihn atmen zu lassen. Floyd verlor das Bewusstsein und starb.

Absagen im Sport

Wegen Sicherheitsbedenken wurden Spiele der in Minnesota beheimateten Profiteams in der NBA, NHL und MLB abgesagt. Nach der Entscheidung in der Major League Baseball, die Partie der Minnesota Twins gegen die Boston Red Sox wegen Sicherheitsbedenken abzusagen, folgten kurz darauf auch die NBA und die NHL.

In der NBA hätten die Minnesota Timberwolves am Montagabend gegen die Brooklyn Nets Basketball gespielt, in der National Hockey League ist die Begegnung der Minnesota Wild gegen die St. Louis Blues betroffen. Die NHL begründete die Entscheidung mit dem Respekt vor der Gemeinde und setzte die Begegnung für den 12. Mai neu an. Einen neuen Termin für die MLB-Partie und das Duell der Timberwolves mit den Nets gibt es noch nicht. Auch die NBA sprach den Angehörigen und Freunden Wrights ihr Mitgefühl aus.

Polizist in Virginia entlassen

In den USA werden Afroamerikaner immer wieder Opfer von teils tödlicher Polizeigewalt. Zuletzt sorgte im Bundesstaat Virginia das rabiate Vorgehen von Polizisten gegen einen schwarzen Angehörigen der Nationalgarde bei einer Verkehrskontrolle für Empörung. Die beiden Beamten hatten den uniformierten Mann mit gezogener Waffe und unter Einsatz von Pfefferspray aus seinem Fahrzeug gezerrt und festgenommen.

Gouverneur Ralph Northam sagte jetzt eine „unabhängige Untersuchung“ zu. Einer der beiden Polizisten wurde entlassen. Der Vorfall hatte sich bereits im Dezember ereignet, jetzt wurden aber Videoaufnahmen bekannt. Der Afroamerikaner hat Klage eingereicht.