Dosen des Impfstoffes Biontech
APA/AFP/Luis Acosta
Vorgezogene Lieferung

Eine Million Pfizer-Dosen mehr vor Sommer

Die Hersteller Biontech und Pfizer wollen bis Ende Juni zusätzlich 50 Millionen Dosen CoV-Impfstoff an die EU-Staaten liefern. Das teilte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Mittwoch in Brüssel mit. Es handle sich um eine Lieferung, die aus dem vierten Quartal vorgezogen werde. Für Österreich bedeutet das eine Million zusätzlicher Dosen im zweiten Quartal. Die Regierungsspitze zeigte sich erfreut und bedankte sich bei von der Leyen.

Im zweiten Quartal von April bis Juni kämen somit insgesamt 250 Millionen Dosen Impfstoff von Biontech und Pfizer in die EU, sagte von der Leyen. Die Lieferung werde nach Bevölkerungsanteil auf die 27 EU-Staaten verteilt, fügte sie hinzu.

„Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat mich darüber informiert, dass Österreich im zweiten Quartal rund eine Million zusätzliche Impfdosen von Biontech/Pfizer bekommen wird“, meinte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) in einer Stellungnahme. „Das heißt, dass wir den Impfplan noch einmal weiter beschleunigen und 500.000 Personen noch schneller impfen können. Das rettet Menschenleben und Arbeitsplätze“, so der Kanzler.

Kurz sieht „Impfturbo“

In einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz mit Vizekanzler und Interimsgesundheitsminister Werner Kogler (Grüne) sprach Kurz von einem „Impfturbo“. „Wir werden schneller sein können als zuletzt geplant“, so der Kanzler, denn es könnten nun eine halbe Million Menschen zusätzlich vor dem Sommer die Impfung erhalten. Kurz bedankte sich ausdrücklich bei von der Leyen, insbesondere dafür, dass die zusätzlichen 50 Millionen Dosen aliquot nach Bevölkerung auf die EU-Staaten aufgeteilt werden.

Auch Kogler bedankte sich bei von der Leyen. Das zeige, dass die Union „durchaus etwas erreichen kann“. Kogler verwies darauf, dass die zusätzlichen Dosen helfen, im Fall von Lieferschwierigkeiten anderer Produzenten diese auszugleichen. In welcher Kalenderwoche wie viel zusätzlich geliefert wird, konnte Kogler noch nicht sagen.

Regierungsspitze zu Impfstofflieferungen

Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) zeigten sich über die vorgezogene Lieferung von Impfstoff erfreut und bedankten sich bei der EU-Kommission für die Verhandlungen.

Gute Nachricht nach Rückschlägen

Das ist – nach mehreren Rückschlägen – eine gute Nachricht für Europa. Zuletzt hatte ein erbitterter Streit über die solidarische Verteilung von Impfstoff in der Union für böse Stimmung gesorgt. Ausgelöst war er federführend von Kanzler Kurz worden, der fehlende Solidarität mit mehreren mittel- und osteuropäischen Ländern beklagte. Ihm wurde im Gegenzug selbst mangelnde Solidarität vorgeworfen. Im Rahmen dieses Streits hatten Pfizer und Biontech angekündigt, zehn Millionen Dosen vom Herbst auf die Zeit vor dem Sommer vorzuziehen. Davon erhält Österreich etwa 200.000 Dosen.

Viel größer waren freilich andere Rückschläge: zunächst die Verunsicherung angesichts von Todesfällen aufgrund von Hirnvenenthrombosen vor allem bei jüngeren Frauen, die mit AstraZeneca geimpft wurden. Die EMA hatte zuletzt einen möglichen Konnex bestätigt, aber angesichts der geringen Fallzahlen empfohlen, den Impfstoff weiter für alle Altersgruppen einzusetzen. Österreich, das stark auf diesen Impfstoff gesetzt hat, folgte der Empfehlung. Mehrere Länder schränkten dagegen die Verwendung zuletzt ein.

Lieferstopp von Johnson & Johnson

Und jüngst kündigte Johnson & Johnson an, die geplanten Kontingente für Europa später zu liefern. Hintergrund sind auch hier einzelne Todesfälle in den USA, die nun von der dortigen Aufsichtsbehörde FDA geprüft werden. Der J&J-Impfstoff hat den großen Vorteil, dass nur eine Gabe benötigt wird. Österreich hat davon aber vergleichsweise weniger bestellt – zuletzt hatte das für heftige Kritik gesorgt. Laut Gesundheitsministerium bringt der nunmehrige Lieferstopp den heimischen Impfplan nicht durcheinander.

Jeder fünfte Erwachsene in Österreich geimpft

Mit Stand Mittwochvormittag hatten laut Gesundheitsministerium mehr als 20 Prozent der erwachsenen Bevölkerung Österreichs oder 1,55 Mio. Menschen zumindest die erste Impfung erhalten. Kurz sagte bei der Pressekonferenz, dass die Gespräche mit Russland über Lieferungen des Impfstoffs „Sputnik V“ weitergehen würden. Es gebe dazu aber keine Neuigkeiten. „Das wäre sicherlich ein Turbo für uns“, hatte Kurz dazu ebenfalls am Mittwoch gesagt.

Allerdings hatte Kurz die Verhandlungen mit Russland Ende März schon „auf den letzten Metern“ gesehen, und eine Bestellung hätte laut damaligen Aussagen schon letzte Woche erfolgen können. Das ist allerdings nicht erfolgt. Kurz verwies hier auf die EMA, die derzeit die Zulassung prüft. Zuletzt hatten Ungereimtheiten bei dem von Russland vorgelegten Datenmaterial für Verunsicherung und Aufregung gesorgt.

Angesichts der Entscheidung von Dänemark, AstraZeneca vorerst ganz auszusetzen, verwies Kurz auf die Empfehlungen der EMA und des Nationalen Impfgremiums. Daher werde man hierzulande „alle verfügbaren Impfstoffe“ weiter einsetzen.

SPÖ vs. Edtstadler

SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher sprach zwar von einer guten Nachricht, warf aber Kurz vor, dass dieser, nachdem er „die Beschaffung verbockt hat“, jetzt noch versuche, „die Bevölkerung für blöd zu verkaufen“. Es würden nur Impfdosen vorgezogen. Österreich habe aber generell auf Millionen Impfdosen im Bestellprozess verzichtet. Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) verteidigte dagegen erwartungsgemäß Kurz und meinte, dessen „hartnäckiger Einsatz“ auf europäischer Ebene habe sich ausgezahlt.

EU setzt künftig auf mRNA-Technologie

Die EU-Kommission will bei den nächsten Bestellungen für CoV-Impfstoff jedenfalls vor allem auf die neuartige mRNA-Technologie setzen, die zum Beispiel Biontech und Pfizer sowie Moderna nutzen. Das bestätigten Kommissionskreise am Mittwoch in Brüssel. Das bedeute aber nicht, dass Hersteller wie AstraZeneca und Johnson & Johnson bei künftigen Verträgen bereits aus dem Rennen seien oder deren Verträge nicht verlängert würden. Entsprechende Berichte seien falsch, sagte ein EU-Beamter.

AstraZeneca und Johnson & Johnson nutzen für ihre Impfstoffe eine andere Wirkweise mit Hilfe von Adenoviren. Zuletzt waren beide Vakzine mit Blutgerinnseln im Gehirn in Verbindung gebracht worden.