Schüler in einer Klasse
APA/dpa/Sebastian Kahnert
Schulschließungen

OECD warnt vor Bildungsungleichheit

Weltweit sind aufgrund der Coronavirus-Maßnahmen rund eineinhalb Milliarden Kinder zumindest zeitweise von Schulschließungen betroffen gewesen, wie aus einer am Mittwoch vorgestellten Umfrage der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervorgeht. Das könne langfristig Auswirkungen auf ihre Lernergebnisse haben, sagte OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher.

Die Schulen in Ländern mit schlechteren Bildungssystemen seien an besonders vielen Tagen geschlossen gewesen. Mangels digitaler Technik und Unterstützung durch Eltern konnten dort fehlende Stunden zudem schlechter ausgeglichen werden. Langfristig könne das die Bildungsungleichheit verstärken, warnte die OECD in der Studie.

Länder mit gut funktionierenden Bildungssystemen seien hingegen auch bei schwierigen Infektionslagen „ganz gut“ und ohne lange Schulschließungen durch die Pandemie gekommen, so Schleicher. Für die Umfrage wurden Daten aus 33 Ländern verglichen.

Bildungssysteme „kalt erwischt“

Die meisten Bildungssysteme seien von der Pandemie aber „kalt erwischt“ worden. Bei der plötzlichen Umstellung auf Onlineunterricht habe es etwa in Deutschland mangels digitaler Voraussetzungen „sehr gehapert“. In Ländern wie Spanien und Portugal seien hingegen auch andere Medien wie Fernsehen und Radio für den Distanzunterricht genutzt worden.

Etwas aus der Reihe tanzt Österreich beim Umgang mit Volksschulen: Eine der wichtigsten Lektionen, die die meisten Staaten in der Pandemie gelernt hätten, sei gewesen, dass „digitale Alternativen an den Grundschulen kaum funktionieren“, so Schleicher. Deshalb seien in vielen Staaten Volksschulen offen geblieben, obwohl weiterführende Schulen geschlossen worden seien. In Österreich dagegen wurden die Volksschulen bei den Schließungen stets wie die AHS-Unterstufen und Mittelschulen behandelt.

„Selbstständiges Lernen von ungemeiner Bedeutung“

Weniger Lernrückstände seien bei Kindern entstanden, die eigenverantwortlich lernen und sich zu Hause auf ein unterstützendes Umfeld verlassen können. „Die Pandemie hat gezeigt, dass selbstständiges Lernen von ungemeiner Bedeutung ist“, sagte der OECD-Bildungsdirektor. In Zukunft müssten deswegen aktivere Lernformen geschaffen werden, um Bildungslücken wieder auszugleichen.

Generell müssten sich die Staaten Gedanken machen, wie man mit jenen Schülern und Schülerinnen umgehen soll, die von der Pandemie am stärksten getroffen wurden, meinte Schleicher. Im Regelfall seien das Kinder aus den sozial schwächsten Schichten.

Schuljahrwiederholung für alle „schlechteste Lösung“

Beim Umgang mit Lernrückständen plädiert Schleicher für differenzierte Maßnahmen. Alle Schüler einfach das Schuljahr wiederholen zu lassen bezeichnete er in einem Webinar am Mittwoch als „allerschlechteste Lösung“. Umgekehrt bringe es auch nichts, alle einfach durchzuwinken. Das könne zu einer Stigmatisierung auf dem Arbeitsmarkt führen.

Die im vergangenen Jahr entstandenen Lernrückgänge würden sich nicht in nur einem Jahr wieder aufholen lassen, meinte Schleicher. „Das muss über mehrere Jahre gehen.“ Dafür brauche es zusätzliche Lernangebote mit stärkerer individueller Förderung, den Lehrenden müssten zusätzliche Ressourcen angeboten werden. „Das ist auch billiger, als alle wiederholen zu lassen.“

Unterschiede in den einzelnen untersuchten OECD-Staaten gibt es bei der Impfstrategie: Rund zwei Drittel priorisieren bei den Impfungen die Lehrkräfte wie etwa Österreich – ganz normal beim Impfen anstellen müssen sich die Pädagogen und Pädagoginnen dagegen in Ländern wie der Schweiz, Belgien, England, Frankreich und in Skandinavien.