Kinderbuchautorin Renate Welsh
Christopher Mavrič
Renate Welsh

Mit dem Kleinen das Große erzählen

Oft Jahre bevor gesellschaftspolitische Themen wie Migration und die Restitution von jüdischen Kulturgütern ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt sind, hat Schriftstellerin Renate Welsh kindergerecht über Einzelschicksale geschrieben – nie, ohne diese in einen größeren Kontext zu setzen.

Die vielfach ausgezeichnete Autorin von Büchern wie „Ülkü, das fremde Mädchen“ (1973), „Das Vamperl“ und „Johanna“ (beide 1979) wurde am 22. Dezember 1937 als Renate Redtenbacher in Wien geboren. Sie begann schon als Kind zu schreiben. Mit 15 ging sie mit einem Stipendium für ein Jahr nach Portland (USA).

Nach der Matura in Wien studierte Welsh Englisch, Spanisch und Staatswissenschaften, brach ihre Ausbildung aber bald ab und heiratete. Danach arbeitete sie freiberuflich als Übersetzerin. Seit 1970 verfasst Welsh Kinder- und Jugendbücher. Oft erzählt die Schriftstellerin von Außenseiterinnen und Außenseitern, die erst lernen müssen, sich zu behaupten.

Größter Erfolg mit dem „Vamperl“

Den kommerziell größten Erfolg hatte Welsh mit „Das Vamperl“, der Geschichte über einen kleinen Vampir. In „Ülkü, das fremde Mädchen“ beschrieb Welsh das schwierige Leben eines eingewanderten türkischen Mädchens, das sich nach einiger Zeit in Österreich hier mehr zu Hause fühlt als in ihrer Heimat – was aber nicht das Ende der Probleme bedeutet.

Kinderbuchautorin Renate Welsh
APA/Privat
Die Schriftstellerin Renate Welsh im Jahr 1997

In dem Buch „Dieda oder Das fremde Kind“ erzählt Welsh von ihrer eigenen Kindheit am Ende des Zweiten Weltkrieges. „Besuch aus der Vergangenheit“ handelt von der Restitution geraubten jüdischen Eigentums, „Drachenflügel“ ist die Geschichte eines Buben mit Behinderung und dessen Schwester.

Krieg als wiederkehrendes Thema

Mit dem Jugendbuchklassiker „In die Waagschale geworfen“ von 1988 erzählt Welsh die Geschichten von acht mutigen Menschen, die im Nationalsozialsmus Widerstand leisteten – aus Menschlichkeit und tiefster Überzeugung. Auch, aber nicht nur für junge Leserinnen und Leser setzt sie die Einzelschicksale in einen historischen Kontext.

Im 2019 erschienen „Kieselsteine“ schreibt Welsh über ihre eigene Kindheit und Jugend während des Zweiten Weltkrieges und der Jahre danach. Ganz im Stil der Autorin geht das Erzählte über ihr Einzelschicksal hinaus.

Schreibwerkstätten für Bergbäuerinnen

1980 erhielt Welsh den Deutschen Jugendliteraturpreis für „Johanna“, 1992 wurden ihr der Österreichische Würdigungspreis für ihr Gesamtwerk sowie der Berufstitel „Professorin“ verliehen. Weiters erhielt die Autorin mehrfach den Österreichischen Kinder- und Jugendbuchpreis sowie den Kinder- und Jugendbuchpreis der Stadt Wien und das Goldene Verdienstzeichen des Landes Wien.

Im Februar 2006 wurde Welsh zur Präsidentin der IG Autorinnen und Autoren gewählt, im selben Jahr erhielt sie den Würdigungspreis des Landes Niederösterreich für Literatur. 2017 erhielt sie den Theodor-Kramer-Preis. Neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit veranstaltete Welsh viele Jahre Schreibwerkstätten, etwa für Bergbäuerinnen und Menschen mit Behinderung.