Die deutsche Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock
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Deutschland

Baerbock wird grüne Kanzlerkandidatin

Bei den deutschen Grünen sind die Würfel für die Kanzlerkandidatur gefallen. Die 40-jährige Annalena Baerbock soll als Spitzenkandidatin in den Bundestagswahlkampf gehen. Das kündigte Baerbocks Partner an der Spitze der Partei, Robert Habeck, am Montag an.

„Wir beide wollten es, aber am Ende kann es nur eine machen“, sagte er. Laut Baerbock wurde die „K-Frage“ bei den Grünen bereits vor Ostern entschieden. Erstmals in ihrer Geschichte ziehen die Grünen mit dem Anspruch in die Wahl, stärkste Partei im Bund zu werden. Habeck: „Wir haben eine klare Idee einer Kanzlerschaft für Deutschland.“ Es gehe darum, zu „verändern statt zu versprechen“. Die Entscheidung muss noch an einem Parteitag Mitte Juni bestätigt werden, die Zustimmung gilt aber als sicher.

„Es wird nicht immer leicht sein“, sagte Baerbock bei der Verkündung der Entscheidung. Der Wahlkampf werde die Partei gehörig fordern. Die Partei werde sich aber untereinander helfen. Auch wolle das Spitzenduo den Wahlkampf gemeinsam anführen, so Baerbock: „Das hat uns drei Jahre stark gemacht.“ Die größte Kraft entstehe immer aus gemeinsamem Handeln.

Annalena Baerbock und Robert Habeck
APA/dpa/Kay Nietfeld
Robert Habeck ließ seiner Kollegin Annalena Baerbock den Vortritt bei der Kanzlerkandidatur

Baerbock: Emanzipation spielte eine Rolle

Das insgesamt schwindende Vertrauen in die Demokratie bereite ihr große Sorge. Es brauche mehr Transparenz und Menschlichkeit. Baerbock und Habeck führten die Grünen seit 2018 gemeinsam zu neuen Höchstwerten bei den Umfragen. Gemeinsam ließ man sie daher auch die Antrittsfrage für das Kanzleramt entscheiden.

Antreten wollten beide. „Ich glaube, keinem von uns fällt es schwer zu sagen: Du bist der oder die Richtige“, räumte Baerbock gegenüber dem „Spiegel“ vor der Entscheidung offen ein. „Aber natürlich ist es am Ende ein kleiner Stich ins Herz.“ Am Montag gab Baerbock zu, dass die Emanzipation eine Rolle bei der Entscheidung gespielt habe – wie „viele, viele andere Fragen“ auch. Mitte März hatte Habeck noch gemeint, dass das Geschlecht bei der Entscheidung keine Rolle spielen werde: „Weder Annalena noch ich argumentieren so.“

Harmonie und Geschlossenheit

Politische Beobachter hoben jedenfalls in ihrer Beschreibung der Parteiführung der Grünen deren Harmonie und Geschlossenheit hervor. Die beiden teilen sich sogar einen Büroleiter. Die konservativ ausgerichtete „Welt“ beschrieb das gemeinsame Auftreten von Habeck und Baerbock damit, dass sie einander „bourgeois die Bälle“ zuspielen, „während sich Laschet und Söder fast bekriegen“.

Inzwischen liegen die Grünen bei über 23 Prozent in den nationalen Umfragen und damit auf Platz zwei mit nur wenig Abstand zu den schwächelnden Christdemokraten mit zuletzt etwa 27 Prozent. Mit den derzeitigen Umfragewerten würde sich nach der Bundestagswahl am 26. September eine schwarz-grüne Koalition ausgehen.

Eine Regierung aus Grünen, Sozialdemokraten und Liberalen käme laut aktuellen Umfragen derzeit auf maximal 48 Prozent, ein grün-rot-rotes Bündnis mit SPD und Linkspartei auf 45 Prozent. In beiden Konstellationen wären die Grünen stärkste Partei und hätten damit Anspruch auf das Kanzleramt. Für Forsa-Chef Manfred Güllner sind die Aussichten der Grünen bei der Wahl mit der Nominierung von Baerbock nun „vielleicht ein bisschen besser geworden“.

Grüne wollen ins Kanzleramt

Die Grünen gehen mit dem Ziel in den Wahlkampf, das Kanzleramt zu erobern. „Wir wollen das Land in die Zukunft führen. Darum kämpfen wir für das historisch beste grüne Ergebnis aller Zeiten und die Führung der nächsten Bundesregierung“, hieß es kürzlich von Geschäftsführer Michael Kellner. Das bisher beste Ergebnis erzielten die Grünen 2009 (10,7 Prozent). Bei der letzten Wahl 2017 erreichten sie nur 8,9 Prozent.

Die 40-jährige Baerbock studierte Politikwissenschaft und Völkerrecht. Im Gegensatz zu ihrem Kollegen Habeck hat sie noch keine Regierungserfahrung. Das sprach sie auch bei ihrer Kandidaturankündigung am Montag an: „Ja, ich war noch nie Kanzlerin, auch noch nie Ministerin. Ich trete an für Erneuerung. Für den Status quo stehen andere.“ Baerbock gilt aber als inhaltlich stärker und verlässlicher als Habeck. Eine inhaltliche Richtungsentscheidung war die Wahl zwischen dem grünen Spitzenduo jedenfalls nicht. Beide zählen zum realpolitischen Flügel der Partei. Der Kurs der Partei wurde bereits mit einem neuen Grundsatzprogramm Mitte März abgesteckt.

Im Mittelpunkt steht der Klimaschutz, wichtig sind auch Zusammenhalt, Soziales und eine andere Fiskalpolitik. Konkret auf dem Plan stehen etwa ein generelles Tempolimit auf deutschen Autobahnen von 130 km/h, Erleichterungen für Sozialhilfeempfänger und milliardenschwere staatliche Ausgabenprogramme. Der limitierten deutschen Staatsverschuldung wollen sie ein Ende setzen und geduldeten Migranten und Migrantinnen einen dauerhaften Aufenthalt im Land erleichtern. Was davon tatsächlich durchsetzbar ist, hängt freilich auch von der Regierungszusammensetzung ab.