Ein Polizist führt den Verurteilten Derek Chauvin aus dem Gerichtssaal ab
AP/Court TV
George Floyd getötet

Ex-Polizist schuldig gesprochen

Einen Tag nach den Schlussplädoyers hat ein Gericht im Fall des getöteten Afroamerikaners George Floyd den angeklagten weißen Ex-Polizisten Derek Chauvin am Dienstag in allen Punkten schuldig gesprochen. Die Geschworenen im Bundesstaat Minnesota sahen es am Dienstag als erwiesen an, dass Chauvin sich unter anderem des Mordes zweiten Grades schuldig gemacht habe.

Dabei muss nach US-Recht kein Vorsatz vorliegen. Die Jury verurteilte Chauvin aber auch wegen Mordes dritten Grades und Totschlags zweiten Grades, verkündete Richter Peter Cahill in Minneapolis. Chauvin hatte auf nicht schuldig plädiert. Das Strafmaß wird getrennt festgelegt und zu einem späteren Zeitpunkt verkündet. Im Vorfeld hatten Experten erklärt, Chauvin drohten bis zu 40 Jahre Haft. Die Verteidigung könnte noch Berufung gegen das Urteil einlegen.

Im Anschluss an die Urteilsverkündung wurde Chauvin festgenommen und in Handschellen abgeführt. Er war zuvor gegen Kaution auf freiem Fuß gewesen. Das Urteil gegen den Ex-Polizisten war mit Spannung erwartet worden. Im Fall eines Freispruchs waren Ausschreitungen befürchtet worden. Entsprechend groß war auch das Aufgebot der Sicherheitskräfte – inklusive Soldaten der Nationalgarde.

Zwei Frauen in einem Auto in Minneapolis (Minnesota) jubeln nach dem Urteil im George-Floyd-Prozess
AP/Morry Gash
Nach Verkündung des Urteils brach bei zahlreichen Demonstranten Jubel aus

Jubel vor dem Gericht

Unmittelbar vor der Bekanntgabe des Urteils hatten sich bereits Hunderte Aktivisten und Aktivistinnen der „Black Lives Matter“-Bewegung vor dem schwer gesicherten Gerichtsgebäude im Zentrum von Minneapolis versammelt. Sie brachen nach der Urteilsverkündung in Jubel aus. Der Anwalt von Floyds Familie, Ben Crump, sprach von einem „historischen Wendepunkt“. Es sende die „klare Botschaft“, dass Polizisten für Fehlverhalten zur Verantwortung gezogen werden müssten.

Floyds Bruder Philonise zeigte sich ebenfalls erleichtert: „Gerechtigkeit für George bedeutet Freiheit für alle“, sagte er in Anspielung auf die letzten Worte seines Burders. Dessen wiederholtes Flehen kurz vor seinem Tod – „I can’t breathe“ – ist zu einem Slogan gegen Polizeigewalt und Rassismus geworden.

Die Bürgerrechtsorganisation ACLU bezeichnete das Urteil zwar als „Schritt nach vorne“. Sie erklärte zugleich, die „Systeme“, die es dem Polizisten ermöglicht hätten, Floyd zu „ermorden“, seien nach wie vor „vollständig intakt“. Das ist ein Verweis auf ausbleibende tiefgreifende Reformen bei der Polizei, der immer wieder Gewalttaten gegen Angehörige von Minderheiten vorgeworfen werden.

Demokraten begrüßen Urteil

US-Präsident Joe Biden hatte schon vor dem Urteil durchblicken lassen, dass er auf einen Schuldspruch gegen Chauvin hoffte: „Ich bete, dass das Urteil das richtige Urteil wird.“ Die Beweislage sei seiner Ansicht nach „überwältigend“. Ex-Präsident Barack Obama forderte Reformen und ein tiefgreifendes Umdenken. „Wahre Gerechtigkeit erfordert, dass wir die Tatsache einsehen, dass schwarze Amerikaner anders behandelt werden, jeden Tag", erklärte Obama auch im Namen seiner Frau Michelle.“

Führende Demokraten im US-Kongress begrüßten das Urteil. Floyds Name werde von nun an für immer ein Synonym für Gerechtigkeit sein, so etwa Nancy Pelosi. Der Gouverneur des US-Bundesstaats Minnesota, Tim Walz, sieht das Urteil als ersten Schritt zu mehr Gerechtigkeit: „Der Prozess ist vorüber, aber unsere Arbeit hat gerade erst begonnen.“ Es brauche grundlegende Veränderungen im System.

Stars aus Musik- und Filmszene reagieren

Dutzende Prominente aus der Film- und Musikszene meldeten sich in sozialen Netzwerken zu Wort. Schauspielerin Elizabeth Banks dankte den Geschworenen. „Schuldig! Wie es sein sollte!“, schrieb Oscar-Preisträgerin Viola Davis auf Twitter. „Nun … Ruhe in Frieden George Floyd.“ Schauspieler Jamie Foxx sprach von einem „bittersüßen Moment“, denn Floyd komme dadurch nicht zurück. Das sei ein kleiner Schritt, um den Afroamerikaner „und Tausende wie dich, deren Leben sinnlos genommen wurde“, zu ehren, schrieb Foxx auf Instagram.

Die Arbeit sei damit lange noch nicht getan, so Sänger Justin Timberlake auf Twitter. Viele Familien würden noch auf Gerechtigkeit warten, schrieb er zu dem Hashtag „#PoliceReformNOW“ für eine sofortige Reform der Polizei. „Viele Kämpfe liegen noch vor uns“, mahnte Schauspielerin Kerry Washington.

Starmoderatorin Oprah Winfrey schrieb auf Twitter zu einem Foto von Floyd, sie sei „erleichtert – und emotional auf eine Weise, wie ich es nicht erwartet habe“. Sie habe bei jedem Urteilsspruch Freudentränen vergossen. „Ruhe in Gerechtigkeit, George Floyd“, schrieb Sängerin Katy Perry auf Twitter und versah ihre Botschaft mit einem roten Herz-Emoji.

„Liebe gewinnt“

Auch Basketball-Superstar LeBron James und zahlreiche weitere Topsportler und Mannschaften mit Bezug zu den USA reagierten auf den Schuldspruch. „ACCOUNTABILITY“ („Rechenschaft“), twitterte der NBA-Profi der Los Angeles Lakers nach der Urteilsverkündung am Montag in Großbuchstaben. NFL-Quarterback Russell Wilson von den Seattle Seahawks schrieb: "Liebe gewinnt.

Auch viele Mannschaften wie die Los Angeles Lakers, die Minnesota Timberwolves, die New England Patriots und die New Orleans Saints und Profiligen wie etwa die NBA und die MLS reagierten auf das Urteil. Man sei erfreut, dass der Gerechtigkeit offenbar Genüge getan worden sei, hieß es in der gemeinsamen Mitteilung von NBA-Boss Adam Silver und der Chefin der Spielergewerkschaft NBPA, Michele Roberts. Es gebe aber auch noch viel Arbeit zu tun.

„Das war Mord“

Floyd war am 25. Mai vergangenen Jahres bei einem Polizeieinsatz in Minneapolis ums Leben gekommen. Chauvin hatte dem wegen Falschgeldvorwürfen festgenommenen Floyd neuneinhalb Minuten lang das Knie in den Nacken gedrückt, obwohl der Afroamerikaner wiederholt klagte, er bekomme keine Luft mehr. Die Szene wurde auf einem Handyvideo festgehalten und sorgte international für Empörung. Der Vorfall hatte zum Teil gewaltsame Proteste in den USA gegen Rassismus und Polizeigewalt ausgelöst. Auch in anderen Ländern kam es zu Demonstrationen.

Ex-Polizist nach Floyd-Tötung schuldig gesprochen

Die zwölf Geschworenen haben den Ex-Polizisten Derek Chauvin im Fall der Tötung des Afroamerikaners George Floyd schuldig gesprochen. Floyd war im Mai 2020 bei einem Polizeieinsatz ums Leben gekommen. Der Polizist Chauvin war neuneinhalb Minuten auf dessen Hals gekniet.

Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Schlussplädoyer am Montag einen Schuldspruch gegen Chauvin in allen drei Anklagepunkten gefordert. Staatsanwalt Steve Schleicher sagte vor dem Gericht in Minneapolis, dass der weiße Ex-Polizist direkt für den Tod Floyds verantwortlich sei. Chauvins Verteidiger Eric Nelson betonte die Unschuld seines Mandanten.

Floyd habe Chauvin minutenlang gebeten, ihn atmen zu lassen, so der Staatsanwalt. Chauvins exzessive und erbarmungslose Gewaltanwendung habe Floyd getötet, sagte Staatsanwalt Schleicher. „Der Angeklagte hat nicht geholfen“ und damit klar gegen die Regeln für Polizeieinsätze verstoßen, betonte Schleicher an die Geschworenen gerichtet. Floyd habe keinen Puls mehr gehabt, aber Chauvin habe ihn weiter in den „unnachgiebigen“ Asphalt gepresst anstatt zu helfen. Schleicher: „Das war keine Polizeiarbeit. Das war Mord.“

Verteidiger: Schuld nicht zweifelsfrei bewiesen

Verteidiger Nelson erklärte, die Anklage habe die Schuld seines Mandanten nicht zweifelsfrei bewiesen. Falls nur ein einziger begründeter Zweifel bestehe, müsse das Urteil auf nicht schuldig lauten, sagte er an die Geschworenen gerichtet.

Angeklagter Derek Chauvin und Anwalt Eric Nelson.
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Anwalt Nelson betonte die Unschuld seines Mandanten Chauvin

In seinem Plädoyer erklärte er, es könne kein Verbrechen vorliegen, weil es sich bei Chauvins Handeln um berechtigte Gewaltanwendung im Rahmen eines „dynamischen“ Polizeieinsatzes gehandelt habe. Nelson forderte die Geschworenen auf, nicht nur die Minuten zu berücksichtigen, während derer Chauvin auf Floyd kniete, sondern auch die rund 17 Minuten vorher, in denen sich Floyd einer Festnahme widersetzt habe.

Ankläger: Argumentation der Verteidigung „Unsinn“

Schleicher bezeichnete die Argumentation der Verteidigung, dass Floyd nicht infolge von Chauvins Gewaltanwendung gestorben sei, als „Unsinn“. Chauvins Anwalt hatte argumentiert, dass Floyds vorbelastete Gesundheit und Rückstände von Drogen in seinem Blut eine entscheidende Rolle bei seinem Tod gespielt hätten.

Staatsanwalt Steve Schleicher.
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Staatsanwalt Schleicher: „Das war keine Polizeiarbeit. Das war Mord.“

Schleicher betonte jedoch, Floyd sei nicht an einem Herzinfarkt oder einer Überdosis gestorben, sondern an einem Mangel an Sauerstoff, der Hirnschäden verursacht und Floyds Herz zum Stillstand gebracht habe. Chauvin habe Floyd mit seinem Knie „den Sauerstoff abgeschnitten, den Menschen zum Leben brauchen“. Daran gebe es keine Zweifel.