Soldaten in einem Vorort von Paris
Reuters/Benoit Tessier
„Putschfantasien“

Altgeneräle sorgen für Unruhe in Frankreich

Ein offener Brief, hauptsächlich von pensionierten Militärs, hat in Frankreich einen heftigen politischen Streit ausgelöst. Die Generäle warnten darin vor einem „Bürgerkrieg“, vor Islamismus und „den Horden aus den Vorstädten“. Die Reaktionen reichten von Empörung von links bis Applaus von rechts. Den Unterzeichnern drohen nun Konsequenzen.

In dem Brief, der in der vergangenen Woche in der rechten Wochenzeitung „Valeurs Actuelles“ erschienen ist, sprach die Gruppe von einem möglichen Zerfall Frankreichs. Ein Bürgerkrieg drohe, der letztlich in einem „Eingreifen unserer aktiven Kameraden in einer gefährlichen Mission zum Schutz unserer zivilisatorischen Werte“ münden könne. Schuld seien etwa der Islamismus, aber auch linke Kreise und falsche Theorien über die französische Kolonialzeit. Der Brandbrief trug den Titel „Für eine Rückkehr unserer Regierenden zur Anständigkeit“.

„Die Gewalt steigt von Tag zu Tag“, heißt es in dem Text unter Verweis auf islamistische Anschläge und Gewalt in französischen Vorstädten. „Es ist keine Zeit mehr zu zögern, sonst wird der Bürgerkrieg dem wachsenden Chaos ein Ende bereiten und die Zahl der Toten (…) in die Tausende gehen.“ Zur Abwehr der Gefahr erklären sich die Ex-Generäle „bereit, Politiker zu unterstützen, die den Schutz der Nation gewährleisten“.

Angeblich Hunderte Unterstützer

Namentlich haben rund 20 pensionierte Generäle unterschrieben. Sie werden nach Angaben von „Valeurs Actuelles“ von etwa „hundert hohen Offizieren und mehr als tausend weiteren Militärangehörigen“ unterstützt. Unter den Anführern der Gruppe ist der 80-jährige Christian Piquemal, ehemals Kommandeur der Fremdenlegion. Weil er sich unter anderem 2016 einer Demonstration gegen Geflüchtete in Calais anschloss, verlor Piquemal seine militärischen Ehren.

Frankreichs Regierung reagierte empört, Verteidigungsministerin Florence Parly bezeichnete den Text als unverantwortlich. Generalstabschef Francois Lecointre drohte den Unterzeichnern und Unterstützern am Donnerstag Konsequenzen an: Eine endgültige Pensionierung sei bei den Generälen möglich, sagte er der Zeitung „Le Parisien“. Das würde für sie den Verlust bestimmter Privilegien bedeuten.

Der französische Generalstabschef Francois Lecointre
Reuters/Charles Platiau
Generalstabschef Lecointre übte scharfe Kritik an den „Putschfantasien“

Den noch aktiven Militärs drohten Disziplinarstrafen. „Meine Absicht ist, dass sie für die ranghöheren Offiziere strenger und für die weniger ranghöheren Offiziere weniger streng sein sollten“, sagte Lecointre. Der Brief sei ein „inakzeptabler Versuch, die Armee zu manipulieren“. Der Aufruf samt „Putschfantasien“ gebe „in keiner Weise die geistige Verfassung der heutigen Armee“ und ihrer 210.000 Mitglieder wieder.

Geteilte Meinungen

Doch die Debatte hat sofort hohe Wellen in Frankreichs Politik geschlagen. Während Linke den Text verurteilen, bekommen die Militärs von rechter Seite Unterstützung. Linksaußen-Politiker Jean-Luc Melenchon sah etwa in dem Brief einen „Aufruf zum Aufstand“ und forderte, noch aktive Militärs, die den Brief unterstützen, aus dem Militär zu entfernen.

Putsch der Generäle

Der offene Brief erschien genau 60 Jahre nach dem „Putsch der Generäle“ von 1961, mit dem Teile des französischen Militärs Präsident Charles de Gaulle zwingen wollten, die Unabhängigkeit Algeriens zu verhindern. Der Putsch scheiterte.

Die konservative Politikerin Rachida Dati äußerte Verständnis. Sie hätte den Brief so nicht geschrieben, sagte sie. Aber was dort stehe, sei Realität. Applaus gab es auch in Sozialen Netzwerken unter Schlagworten wie „#SoutienAuxGeneraux“ (Dt.: „Unterstützung für die Generäle“).

Le Pen will Unterstützung durch Militärs

Die Rechtspopulistin Marine Le Pen verteidigte den Brief und rief die Militärs dazu auf, sie bei der Präsidentschaftswahl in rund einem Jahr gegen Präsidenten Emmanuel Macron zu unterstützen. Die Unterzeichner brächten zum Ausdruck, dass die Situation des Landes besorgniserregend sei und es Regionen der Gesetzlosigkeit gebe, sagte sie am Dienstag dem Sender Franceinfo. Macron solle sich fragen, was Generäle dazu treibe, sich in dieser Weise zu äußern. Laut Franceinfo stehen einige Unterzeichner des Textes Le Pens Partei Rassemblement National nahe bzw. sind für sie bei Wahlen angetreten. Sie habe den Brief aber nicht initiiert, so Le Pen.

Regierungschef Jean Castex empörte daraufhin, sie, Le Pen, unterstütze offen einen Vorstoß „gegen den Staat“. Damit zeige die 52-Jährige ihr wahres Gesicht nach jahrelangen Versuchen, die Partei ihres Vaters Jean-Marie Le Pen zu „entteufeln“. Macron, der Oberbefehlshaber, schwieg bisher in der Causa. Laut der Nachrichtenagentur AFP dürfte er davor zurückschrecken, sich erneut mit der Armee anzulegen. Macron hatte kurz nach seinem Amtsantritt im Sommer 2017 für Missmut unter den Militärs gesorgt, als er Sparmaßnahmen für die Streitkräfte ankündigte.

Unterstützung für den Brief gibt es auch aus Österreich: FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz griff in einer Aussendung den Appell der französischen Generäle auf, der zeige auf, „dass Frankreich durch den immer stärker werdenden Islamismus kurz vor einem Bürgerkrieg stehe“. Auch Österreichs Sicherheit sei „vernachlässigt“, so Schnedlitz, der zu Gegenmaßnahmen aufrief.