Nawalny-Mitstreiter wegen Rammstein-Video verurteilt

Ein Gericht im russischen Archangelsk hat einen Mitstreiter des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny nach dem Teilen eines Rammstein-Musikvideos im Netz zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt. Andrej Borowikow werde Verbreitung von Pornografie vorgeworfen, erklärte sein Anwalt gestern. Der 32-Jährige, der früher ein Büro von Nawalny leitete, will gegen das Urteil in Berufung gehen.

Borowikow soll laut einem Medienbericht 2014 das Musikvideo zu dem Song „Pussy“ der deutschen Metal-Band Rammstein auf dem russischen Onlinenetzwerk VKontakte veröffentlicht haben. Eine Version des Musikvideos enthält Sexszenen, in einer weiteren sind spärlich bekleidete Frauen zu sehen.

Amnesty International hatte das Verfahren gegen Borowikow gestern als „völlig absurd“ bezeichnet. Es sei offensichtlich, „dass er nur für seinen Aktivismus bestraft wird, nicht für seinen Musikgeschmack“, teilte die Menschenrechtsorganisation mit.

Nawalny ebenfalls vor Gericht

Auch Nawalny selbst stand gestern wieder vor Gericht. Per Videoverbindung wurde der 44-jährige Oppositionspolitiker heute zu einer Gerichtsanhörung vom Straflager aus zugeschaltet. Er war kahl geschoren und schien nach der Beendigung seines mehr als dreiwöchigen Hungerstreiks merklich an Gewicht verloren zu haben.

Alexej Nawalny wird auf einem Bildschirm in einem Gerichtssaal gezeigt
AP/Babuskinsky District Court Press Service

Im Prozess griff Nawalny erneut Russlands Präsidenten Wladimir Putin an. „Der nackte Kaiser will bis zum Ende regieren, er hat sich an die Macht geklammert“, sagte der Oppositionelle heute nach einem Bericht des unabhängigen Internetsenders Doschd in einem Berufungsverfahren vor Gericht.

Wenn Putin weiter regiere, werde zu einem bereits „verlorenen Jahrzehnt ein gestohlenes Jahrzehnt“ hinzukommen.

Verurteilung wegen Veteranenbeleidigung

Das Gericht bestätigte erwartungsgemäß eine Entscheidung gegen Nawalny von Mitte Februar wegen Beleidigung eines Weltkriegsveteranen. Dem Urteil zufolge muss der 44-Jährige 850.000 Rubel (rund 9.400 Euro) Strafe zahlen – etwa das Doppelte eines durchschnittlichen Jahresgehalts in Russland. Seine Anwälte kündigten an, vor den Europäischen Menschengerichtshof zu ziehen.