Klubobfrau Sigrid Maurer (Grüne)
picturedesk.com/KURIER/Gerhard Deutsch
Maurer zu Frauenmord

Identität des Täters „unerheblich“

Erschüttert haben am Freitag Politikerinnen quer durch alle Parteien auf den jüngsten Frauenmord in Wien-Brigittenau reagiert. „Jede getötete Frau ist eine zu viel“, sagte die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer. Dabei sei es unerheblich, wer der Täter sei.

Die Frau wurde vermutlich von ihrem Ex-Lebensgefährten durch einen Kopfschuss getötet. Beim festgenommenen Verdächtigen handelt es sich um den „Bierwirt“, der durch einen Prozess gegen Maurer bekanntgeworden war. Das bestätigt sein Rechtsanwalt. Die Polizei gibt diesbezüglich allerdings keine Auskunft. Auch die Staatsanwaltschaft Wien gab sich zur Identität des Schützen vorerst schweigsam.

Maurer war von dem Bierlokalbetreiber geklagt worden, nachdem sie diesen auf dem Kurznachrichtendienst Twitter beschuldigt hatte, ihr obszöne Facebook-Privatnachrichten geschickt zu haben. Nach mehreren Verhandlungen zog der Mann die Klage zurück. Zuletzt hätte sich der 42-Jährige wegen Nötigung vor dem Gericht verantworten müssen – er soll einen Passanten mit einem Elektroschocker bedroht haben.

„Jede getötete Frau ist eine zu viel“

Maurer nahm auf dem Kurznachrichtendienst Twitter darauf Bezug. „Dass es sich beim Täter offenbar um den Bierwirt handelt, schockiert mich persönlich, ist in der Sache aber unerheblich“, twitterte Maurer. Unter Verweis auf die mittlerweile neunte Frau, die im laufenden Jahr von ihrem Ex-Partner getötet wurde, hielt Maurer fest: „Jede getötete Frau ist eine zu viel. Jede verletzte Frau ist eine zu viel.“

Van der Bellen: „Das ist unerträglich“

Seiner Erschütterung gab Bundespräsident Alexander Van der Bellen via Twitter Ausdruck: „Das ist unerträglich. Entschlossene Maßnahmen sind jetzt endlich dringend erforderlich.“ Frauenhass und Gewalt gegen Frauen und Mädchen dürften keinen Platz in unserer Gesellschaft haben. „Mein Mitgefühl gehört den Angehörigen der Opfer, aber auch allen Frauen und Mädchen, die Opfer von körperlicher oder sexueller Gewalt wurden.“

Zadic: „Passiert nicht plötzlich“

Ebenfalls über Twitter zu Wort meldete sich die grüne Justizministerin Alma Zadic: „Ein Frauenmord geschieht nicht plötzlich, sondern baut sich in kleinen Schritten auf – von Alltagssexismus über angriffige Nachrichten und Übergriffe bis hin zum Mord. Wir müssen bei der Gewaltprävention ansetzen.“ Die Serie an Femiziden müsse ein Ende haben. Bei der Bluttat in Brigittenau handelt sich nach APA-Zählung um die neunte Tötung einer Frau durch ihren Partner oder Ex-Partner in diesem Jahr in Österreich.

Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) zeigte sich tief bewegt. Die Politikerin wollte bei einer Arbeitsmarkt-Pressekonferenz mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und ÖVP-Arbeitsminister Martin Kocher eigentlich ihr Statement abgehen, als sie unterbrach und sich zu dem Tötungsdelikt äußerte. „Das ist die neunte Frau, die dieses Jahr in Österreich ermordet wurde. Da müssen wir was tun“, sagte sie. Dabei kämpfte Gewessler sichtlich mit den Tränen. Vor ihrem Statement wollte sie „drei Sätze“ zu der Bluttat in der Brigittenau sagen. „Ich möchte diese Stelle auch nutzen, um mein tief empfundenes Beileid auszudrücken und mein Mitgefühl“, sagte die Ministerin.

Ministerin Gewessler zu Frauenmord

Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) zeigte sich bei einer Pressekonferenz bestürzt über den Mord.

„Femizide keine Einzelfälle"

Bestürzt zeigte sich auch die Frauensprecherin der Grünen, Meri Disoski: „Das Ausmaß der Gewaltbereitschaft, das Ausmaß der Männergewalt in Österreich ist nicht nur schockierend und schier unerträglich. Es ist auch ein politischer Auftrag für breite Sensibilisierungs- und Bewusstseinsmaßnahmen zu Männergewalt und Männerbildern. Hier müssen wir im Kampf gegen die massive gesellschaftsstrukturelle Verankerung von Gewalt noch stärker ansetzen. Gewalt darf niemals etwas Selbstverständliches und Alltägliches sein.“

Für Viktoria Spielmann, Gemeinderätin und Frauensprecherin der Grünen Wien, sind „Femizide keine Einzelfälle, sondern haben System und müssen klar als solche benannt werden. Sie sind die Spitze des misogynen und patriarchalen Eisbergs der Männergewalt gegen Frauen“, so Spielmann. „Wir müssen diese Gewalt auf allen Ebenen stoppen. Mit aller Entschlossenheit."

Raab unterstreicht Gewaltschutz

„Der Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt ist der gesamten Bundesregierung ein wichtiges Anliegen“, sagte dazu Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP). Selbstverständlich sei der Gewaltschutz aber auch ein ganz zentraler Schwerpunkt in der Frauenpolitik. „Daher fließt ein großer Teil des Frauenbudgets in Gewaltschutzmaßnahmen, wie beispielsweise in die Finanzierung von Gewaltschutzzentren oder Frauenberatungsstellen als erste Anlaufstelle für betroffene Frauen und Mädchen. Zudem haben wir letztes Jahr auch 3,25 Millionen Euro für Gewaltschutzprojekte in ganz Österreich zur Verfügung gestellt.“

Grafik zu Frauenmorden
Grafik: ORF.at; Quelle: Bundeskriminalamt

Die SPÖ-Frauen drängten auf eine sofortige Umsetzung eines Gewaltschutzgipfels mit allen in diesem Bereich tätigen Organisationen. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner und SPÖ-Frauenvorsitzende Gabriele Heinisch-Hosek zeigten sich nach der Bluttat erschüttert. „Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren und müssen den Schutz von Frauen rasch verbessern“, so Heinisch-Hosek. Die Wiener Vizebürgermeisterin und Frauenstadträtin Kathrin Gaal (SPÖ) zeigte sich „erschüttert, traurig und tief bestürzt“.

NEOS-Frauensprecherin Henrike Brandstötter meinte ebenfalls in einer Aussendung, es brauche dringend mehr Budget für Gewaltschutz und mehr Hilfseinrichtungen für Gewaltopfer: „Vor allem Frauen mit Behinderungen, Asylwerberinnen und auch Kinder, die Zeugen von häuslicher Gewalt werden, bekommen nicht die notwendige Unterstützung und Betreuung.“

Opferschutzeinrichtungen beklagen Überlastung

Die Opferschutzeinrichtungen beklagten am Freitag erneut eine totale Überlastung ihrer Institutionen. Rosa Logar, Leiterin der Wiener Interventionshilfe gegen Gewalt in der Familie, berichtete etwa, dass ihre Organisation mehr als 6.000 Fälle pro Jahr bearbeitet. „Da ist keine Zeit, auf das Opfer einzugehen“, bemängelte sie im Gespräch mit der APA. Im Jahr 2020 wurden in Wien von der Interventionsstelle 6.199 Fälle betreut.

Beratung für Männer

Eine langfristige und intensive Unterstützung Betroffener sei so nicht mehr möglich. Ein Berater bzw. Beraterin hat in akuten Hochzeiten bis zu 300 Opfer zu betreuen. „Für Kolleginnen und Kollegen ist das eine unheimliche Belastung, weil sie so wenig Zeit haben und nur kurzfristig da sein können.“ Die Einrichtungen hätten mehrfach die Politik um Hilfe gebeten, weil die Anforderungen gestiegen seien, so Logar.

Sicherheitsgipfel im Innenministerium

Am Montag findet zur aktuellen Frauenmordserie ein Sicherheitsgipfel im Innenministerium statt. Das kündigte das Innenministerium am Freitagabend an. Dabei soll ein Maßnahmenpaket zum Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt beschlossen werden, hieß es in einer Pressemitteilung. Frauenministerin Raab und Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) wollen mit den neun Landespolizeidirektoren und Landeskriminalamtsleitern eine weitere Intensivierung des Instruments der Fallkonferenzen in allen Bundesländern thematisieren.

„Für eine einheitliche und standardisierte Abwicklung dieser Fallkonferenzen, die mit dem 1. Jänner 2020 ins Gewaltschutzgesetz aufgenommen wurden und seither als Instrument zur Prävention von Gewalttaten zur Verfügung stehen, wurde ein Leitfaden entwickelt“, hieß es.

Verdächtiger einvernommen

Im Zusammenhang mit der Tötung der 35-Jährigen in Wien-Brigittenau wurden unterdessen weitere Einzelheiten bekannt. Laut APA war ein Nachbar bei der Frau auf Besuch, als der Verdächtige am Donnerstagabend deren Wohnung betrat. Der 42-Jährige soll in Gegenwart dieses Mannes auf die 35-Jährige geschossen haben. Als die Einsatzkräfte eintrafen, lag sie regungslos auf dem Boden. Die Frau erlitt Schussverletzungen an Kopf und Fuß und wurde noch schwer verletzt ins Spital gebracht, wo sie verstarb. Sie ist zweifache Mutter.

Der Tatverdächtigen soll bei seiner Festnahme über drei Promille Alkohol im Blut gehabt und sich eine Alkoholvergiftung zugezogen haben. Er wurde laut Polizei zunächst ebenfalls in ein Krankenhaus gebracht, weil er im Zuge der Festnahme zusammenbrach. Bei seiner Festnahme wurde auch die Tatwaffe sichergestellt. Wem diese gehört, ist Gegenstand von Ermittlungen, sagte Polizeisprecher Markus Dittrich. Der genaue Tathergang wird noch untersucht

Wie der Rechtsvertreter des Verdächtigen, Gregor Klammer, erklärte, war der 42-Jährige am Freitagnachmittag wieder ansprechbar und wurde zur polizeilichen Einvernahme als Beschuldigter vorgeführt. Dabei habe er von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht und sei zu keinen Angaben zum Tatgeschehen bereit gewesen, teilte die Landespolizeidirektion mit.